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EKD-Ratsvorsitzender fordert bessere Rüstungsexportkontrolle "Deutschland verdient an der weiteren Verschuldung Griechenlands"

Geschrieben am 23-02-2012

Hannover (ots) -

Sperrfrist: 23.02.2012 14:30
Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der
Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist.

Eine transparente, parlamentarisch kontrollierte
Rüstungsexportpolitik hat der Vorsitzende des Rates der Evangelischen
Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, gefordert. In
seinem Hauptvortrag beim Exportkontrolltag des Bundesamtes für
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle am Donnerstag, 23. Februar, in
Münster bemängelte Schneider, dass das derzeitige
Genehmigungsverfahren bei Rüstungsexporten wenig transparent sei.
"Wir brauchen in unserer offenen und demokratischen Gesellschaft auch
eine Rüstungsexportpolitik, die die selbst gesetzten und die
Kriterien der Europäischen Union konsequent einhält."

Der EKD-Ratsvorsitzende verwies auf den aktuellen
Rüstungsexportbericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und
Entwicklung (GKKE). Demnach sind die Rüstungsexporte Deutschlands im
Jahr 2010 gegenüber dem Vorjahr um mehr als 50 Prozent gestiegen. Die
GKKE stellt in ihrem Bericht fest, dass dieser Rekordumsatz mit
Kriegswaffen sich insbesondere dem Export von zwei U-Booten an
Portugal und einem U-Boot an das hoch verschuldete Griechenland
verdanke: "Auch im Jahr 2010, als das Ausmaß der griechischen
Staatsverschuldung bereits bekannt war, hat der Exportweltmeister
Deutschland geliefert und an der weiteren Verschuldung Griechenlands
verdient."

Weder die Produktion noch der Export von Rüstungsgütern würden von
der GKKE grundsätzlich abgelehnt, erläuterte Schneider. Es müssten
aber Kriterien zugrunde gelegt werden: "Zu den wichtigsten Kriterien
gehören die Menschenrechtssituation sowie die
Entwicklungsverträglichkeit im Empfängerland und die Frage der
regionalen Stabilität." Der EKD-Ratsvorsitzende erinnerte an die
Diskussion über die Lieferung von Kampfpanzern an Saudi-Arabien. Im
Jahr 2010 seien 232 Ausfuhrgenehmigungen für Waffen im Wert von 152,3
Mio. Euro nach Saudi-Arabien erteilt worden. In dem Land werden
Menschenrechte "aufs Gröbste verletzt" betonte Schneider, und das
Argument, dass dieses Geschäft zur Stabilität in der Region
beitragen, könne nicht akzeptiert werden. "Die Exportgenehmigung
widerspricht der deutschen Außenpolitik, die sich zur Unterstützung
der arabischen Demokratiebewegungen bekannt hat." Ähnliches gelte für
Waffenexporte nach Indien und Pakistan: "Die Milliarden von Dollar,
die für Rüstungsgüter ausgegeben werden, fehlen für den Bau von
Schulen und Krankenhäusern oder zur Armutsbekämpfung."

Der Ratsvorsitzende bekräftigte die Aussage der
Friedensdenkschrift der EKD "Aus Gottes Frieden leben - für gerechten
Frieden sorgen", dass der Abbau vorhandener Waffenpotenziale
vordringliche Aufgabe sei, um den Frieden in der Welt wahren, fordern
und erneuern zu können. "Als Erfolg der Arbeit der GKKE sowie
kirchlicher und säkularer Friedens- und Entwicklungsinitiativen kann
auch die Tatsache angesehen werden, dass das Thema im Deutschen
Bundestag zunehmend an Bedeutung gewonnen hat." Ausdrücklich würdigte
Nikolaus Schneider die Initiative zur Rüstungskonversion der
Evangelischen Landeskirche in Württemberg. "Ihre Absicht, Gespräche
mit Firmen in Württemberg zu führen und diese darin uneigennützig zu
beraten, wie sie von der Waffenproduktion auf die Herstellung ziviler
Produkte umstellen können, ist vorbildlich und wird hoffentlich
Resonanz finden und Erfolg haben." Auch andere Landeskirchen, wie die
Evangelische Kirche im Rheinland und die Evangelische Kirche in
Hessen und Nassau, wiesen in Beschlüssen und Kundgebungen auf die
Problematik der Rüstungsexporte hin. "Ich bin für diese stete Mahnung
und Warnung ausgesprochen dankbar."

Hannover, 23. Februar 2012

Pressestelle der EKD

Silke Römhild

Den Vortrag im Wortlaut können Sie nach Ablauf der Sperrfrist
nachlesen unter http://www.ekd.de/vortraege/schneider/index.html.

Den Rüstungsexportbericht der GKKE finden Sie unter
http://www3.gkke.org/home.html

Sperrfrist: Donnerstag, 23. Februar 2012, 14.30 Uhr Achtung! Es
gilt das gesprochene Wort Präses Dr. h.c. Nikolaus Schneider
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

Vortrag

"Exportkontrolle - eine ethische Bewertung" Vortrag beim
Exportkontrolltag des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
23.02.2012 Münster

Gliederung:

I. Zum ethischen Spannungsfeld von Freiheit und Kontrolle

II. Eine ethische Bewertung von Exportpolitik am Beispiel der
Rüstungsexportkontrolle

II.1. Darstellung der Grundinhalte des aktuellen
Rüstungsexportberichtes der Gemeinsamen Konferenz Kirche
und Entwicklung (GKKE)

II.2. Kirchliche Impulse im Blick auf eine Kontrolle und
Verringerung von Rüstungsexporten

III. Ausblick:
Die bleibende Aktualität biblischer Visionen als ständige
Herausforderung für politisches Handeln

I. Zum ethischen Spannungsfeld von Freiheit und Kontrolle

Die Suche nach der richtigen Balance zwischen Ausfuhrkontrolle und
Freiheit des Außenhandels ist nicht nur eine ständige Herausforderung
für die Politik. Sie ist auch eine Herausforderung für ein
theologisches Nachdenken über das ethische Spannungsfeld von Freiheit
und Kontrolle.

Freiheit ist nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift nicht ohne
Bindung an Gott und an Jesus Christus zu denken und zu leben.
Gotteserkenntnis, Gottesbeziehung und ein Leben in der Nachfolge des
Auferstandenen sind Grund und Quelle für die Freiheit des
Christenmenschen. Eine Freiheit, die sich auf Gott beruft, begründet
kein willkürliches und unkontrolliertes Verhalten. Sie ist nicht
gleichzusetzen mit Ungebundenheit und Beziehungslosigkeit. Vielmehr
ist es gerade die Beziehung zu Gott und die Bindung an Gottes
lebendiges Wort, die Menschen von Selbstzwängen und
Selbstüberschätzung befreien und darin auch von einem egoistischem
und verantwortungslosen Gewinnstreben. Freiheit in Bindung an Gott
ist zugleich Freiheit in Verantwortung für die Mitmenschen. Martin
Luther hat diese zweiseitige Ausrichtung christlicher Freiheit in
seiner Freiheitsschrift von 1520 als Doppelthese formuliert: "Ein
Christenmensch ist ein freier Herr - wir ergänzen heute: und eine
freie Herrin - über alle Dinge und niemand untertan Ein
Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht - und eine dienstbare Magd
- aller Dinge und jedermann untertan." Freiheit ist nach biblischem
Verständnis also nicht eine "absolute" Freiheit von jeglicher
Einschränkung und Kontrolle, sondern immer eine "relative" - also nur
"in Beziehung" zu verstehende - Freiheit für ein Leben in
Verantwortung. Praktisch gelebte Verantwortung aber braucht
Rechenschaftslegung und Nachprüfbarkeit, also Kontrolle. Innere
Selbstkontrolle - in theologischer Sprache: Einkehr, Reue und Buße -
und Fremdkontrolle von außen, weil wir Menschen fehlbar und
verführbar sind - und nur eine eingeschränkte Sicht haben.

Kontrolle steht nach diesem Verständnis deshalb nicht in einem
Gegensatz zur Freiheit, sondern in einer notwendigen ethischen
Spannung. Menschen brauchen Freiheit und Kontrolle als zwei einander
korrigierende Pole, damit ihr konkretes Tun ein "Tun des Gerechten"
werden und bleiben kann.

Die Rückbindung der Freiheit unternehmerischen Handelns - auch der
Freiheit des Außenhandels - an eine Kontrolle durch gesellschaftlich
verabredete und politisch festgelegte Werte macht die Grenzen eines
freien wettbewerblichen Wirtschaftens bewusst: "Diese sind dort
überschritten, wo alle Lebensbereiche einer rein wirtschaftlichen
Betrachtungsweise unterworfen werden.... Der christliche Glaube
befreit zur verantwortungsvollen Kooperation mit anderen in
wechselseitiger Achtung und gegenseitiger Angewiesenheit."

Den ethischen Bezugsrahmen für eine Politik und Ökonomie auf der
Grundlage "christlicher Werte" haben unsere Kirchen heute im
konziliaren Prozess für "Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der
Schöpfung" formuliert. Eine Ökonomie, die nicht dem Frieden dienen
will, die nicht nach Strukturen der Gerechtigkeit fragt und die nicht
nachhaltig versucht, Gottes Schöpfung zu bewahren, eine solche
Ökonomie darf das Attribut "christlich" nicht für sich beanspruchen.
Sie wirkt auf Dauer zerstörerisch - gerade auch für die Freiheit von
Menschen und Institutionen.

II. Eine ethische Bewertung von Exportpolitik am Beispiel der
Rüstungsexportkontrolle

II.1. Darstellung der Grundinhalte des aktuellen
Rüstungsexportberichtes der Gemeinsamen Konferenz Kirche und
Entwicklung (GKKE)

Seit 1997 veröffentlicht die GKKE jährlich einen
Rüstungsexportbericht. Dessen Anliegen wird mit den folgenden Worten
beschrieben:

"Der Bericht stellt öffentlich verfügbare Informationen über die
deutschen Ausfuhren von Kriegswaffen und Rüstungsgütern des Vorjahres
bzw. deren Genehmigungen zusammen und bewertet die
Rüstungsexportpolitik im Zusammenhang der Friedens-, Sicherheits- und
Entwicklungspolitik. Der Bericht soll dem Dialog mit den Trägern
politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Verantwortung
dienen. Gleichzeitig macht er diesen Politikgegenstand dem
öffentlichen Diskurs zugänglich. Außerdem richtet sich der Bericht
mit seinen Informationen und Argumentationsmustern an die
Meinungsbildung im kirchlichen Raum."

Die Exporte der deutschen Rüstungsindustrie laufen bestens. In
ihrem am 07. Dezember 2011 veröffentlichten Rüstungsexportbericht
gibt die Bundesregierung den Wert der im Jahr 2010 exportierten
Kriegswaffen mit 2,119 Mrd. Euro an. Gegenüber dem Stand von 2009 mit
1,339 Mrd. Euro ist dies ein Anstieg von mehr als 50 Prozent. Der
Wert der Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter ist mit 4,754 Mrd. im
Vergleich zu einem Wert von 5,043 Mrd. Euro in 2009 leicht
zurückgegangen. Die Zahl der Einzelausfuhrgenehmigungen lag 2010 bei
16.145. Ergänzend kommentiert die GKKE diese Zahlen und stellt fest:

"Der Rekordumsatz mit Kriegswaffen verdankt sich insbesondere dem
Export von zwei U-Booten an Portugal und einem U-Boot an das hoch
verschuldete Griechenland. Auch im Jahr 2010, als das Ausmaß der
griechischen Staatsverschuldung bereits bekannt war, hat der
Exportweltmeister Deutschland geliefert und an der weiteren
Verschuldung Griechenlands verdient."

Ein - wenn auch nur kleiner - Teil der Rüstungsexportgeschäfte
wird mit staatlichen Ausfallbürgschaften ("Hermes-Kredite")
abgesichert. Im Jahr 2010 war dies bei sieben Rüstungsgeschäften in
Höhe von 32 Millionen Euro der Fall. Sie bezogen sich auf Lieferungen
an Pakistan und Kanada. Der Wert der Bürgschaft lag im Jahr 2010 weit
unter denen der Vorjahre, weil keine kostspieligen Exporte von
Kriegsschiffen oder von Materialpaketen für deren Bau im
Empfängerland abzusichern waren.

Wer sind die Empfängerländer der deutschen Rüstungsexporte? An
Staaten, die der EU bzw. der NATO angehören oder diesen
gleichgestellt sind, sind im Jahr 2010 Rüstungsausfuhren im Wert von
3,371 Mrd. EUR und damit 71 Prozent aller Einzelausfuhrgenehmigungen
genehmigt worden. An alle übrigen Staaten ("Drittstaaten") sind
Rüstungsausfuhren in Höhe von 1,38 Mrd. EUR genehmigt worden.
Darunter sind als größte Abnehmer Südkorea, die Vereinigten
Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Indien, Pakistan, Irak und
Singapur zu nennen. An Staaten, die die OECD als Empfänger
offizieller Entwicklungshilfe einstuft, sind im Jahr 2010
Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von
747,3 Mio. EUR erteilt worden. Das entspricht 15,6 Prozent aller
erteilten Einzelausfuhrgenehmigungen.

Zur Beurteilung der Weitergabe von Kriegswaffen, Rüstungsgütern
sowie militärisch relevanten Leistungen und insbesondere des
deutschen Anteils daran legt die GKKE die folgenden Kriterien
zugrunde:

(1) "Rüstungstransfers dürfen nicht gewalteskalierendes Handeln von
Staaten nach Innen wie nach Außen begünstigen. Sie müssen geeignet
sein, dem Bedürfnis der Menschen nach Schutz vor Gewalt zu dienen....
(2) Ferner haben Rüstungstransfers im Einklang mit den Erfordernissen
des guten Regierens zu stehen. Gutes Regieren manifestiert sich in
rechtsstaatlicher und effektiver Regierungs- und Verwaltungsführung
mit gesellschaftlicher Legitimation....
(3) Es ist zu begründen, dass die Rüstungsexporte tatsächlich den
Vorgaben von Frieden und Entwicklung entsprechen. Besonders bei
Genehmigungen von Rüstungsausfuhren in Konfliktregionen und in
Staaten, die öffentliche Entwicklungshilfe erhalten, liegt die
Begründungspflicht bei deren Befürwortern....."

Weder die Produktion noch der Export von Rüstungsgütern werden von
der GKKE grundsätzlich abgelehnt. Die GKKE fordert aber, dass die
vorgenannten Kriterien und natürlich das auf nationaler und auf
EU-Ebene vorhandene Regelwerk zur Anwendung kommen müssen. Gültig
sind nach wie vor die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für
den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus dem Jahr
2000, die die Kriterien des EU-Verhaltenskodex aufgenommen hatten.
Dieser wurde im Jahr 2008 in einen Gemeinsamen Standpunkt der
Europäischen Union umgewandelt. Zu den wichtigsten Kriterien gehören
die Menschenrechtssituation sowie die Entwicklungsverträglichkeit im
Empfängerland und die Frage der regionalen Stabilität.

Vor diesem Hintergrund kritisiert die GKKE die derzeitige
Rüstungsexportpolitik mit Lieferungen in Konfliktgebiete und
Entwicklungsländer. Das Internationale Konversionszentrum Bonn (BICC)
hat recherchiert, dass die Bundesregierung 2010 Lizenzen für die
Ausfuhr von Rüstungsgütern in 72 Staaten erteilt hat, die nach den
Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes der EU als problematisch
einzustufen sind. In 48 dieser Staaten wird die
Menschenrechtssituation als sehr schlecht angesehen; in 49
Empfängerländern gab es interne Gewaltkonflikte.

Ein von der GKKE immer wieder kritisiertes Beispiel ist der
Rüstungshandel mit Indien und Pakistan. Im Jahr 2008 wurde von der
Bundesregierung die Lieferung von U-Booten an Pakistan genehmigt und
mit einer Hermes-Bürgschaft zusätzlich abgesichert. Der schwelende
Konflikt und die Rüstungsspirale zwischen den Atommächten Indien und
Pakistan werden durch derartige Geschäfte weiter befeuert.
Gleichzeitig stehen beide Staaten vor der immensen Aufgabe, Armut,
Hunger und die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen. Die
Milliarden von Dollar, die für Rüstungsgüter ausgegeben werden,
fehlen für den Bau von Schulen und Krankenhäusern oder zur
Armutsbekämpfung.

Ich selbst habe im Juli 2011 die mutmaßliche Genehmigung der
Lieferung von 200 Leopard 2 Kampfpanzern nach Saudi Arabien
kritisiert. Die Bundesregierung hat dabei immer wieder auf die
Vertraulichkeit des geheim tagenden Bundessicherheitsrats
hingewiesen. Wie dem auch sei: deutsche Rüstungsexporte nach
Saudi-Arabien finden statt. In 2010 wurden 232 Ausfuhrgenehmigungen
im Wert von 152,3 Mio. Euro erteilt. Die Menschenrechte werden in
Saudi-Arabien aufs Gröbste verletzt. Das Argument, dass dieses
Geschäft zur Stabilität in der Region beitrage, kann nicht akzeptiert
werden. Das Königreich steht gewaltbereiten salafistischen Bewegungen
nahe. Es unterstützt konsequent einen Islam wahabitischer - also
puritanisch-konservativer - Prägung und fördert dessen Verbreitung im
Übrigen auch in Deutschland. Die Exportgenehmigung widerspricht der
deutschen Außenpolitik, die sich zur Unterstützung der arabischen
Demokratiebewegungen bekannt hat. Berichten zufolge habe sich
Saudi-Arabien im März 2011 mit eigenen Spezialeinheiten an der
blutigen Niederschlagung des friedlichen Protests im Nachbarstaat
Bahrein beteiligt.

Die Praxis der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung lässt
eine konsequente und strikte Anwendung der vorhandenen Regelwerke und
geltenden Normen nicht erkennen. Diese Kritik hat die GKKE im Übrigen
auch gegenüber den rot-grünen und schwarz-roten Vorgängerregierungen
geäußert. Die GKKE fordert daher mehr Transparenz und
parlamentarische Kontrolle bei der Genehmigung von Rüstungsexporten.
Das derzeitige Genehmigungsverfahren ist wenig transparent.

II.2. Kirchliche Impulse im Blick auf eine Kontrolle und
Verringerung von Rüstungsexporten

Orientierend für die gegenwärtige christliche Friedensethik ist
die von Jesus in der Bergpredigt ausgesprochene Verheißung: "Selig
sind die, die für den Frieden arbeiten, denn sie werden Töchter und
Söhne Gottes heißen" (Matthäus 5,9).

"Die, die für den Frieden arbeiten": So kann man das Wort
"eirenopoioi" übersetzen und ist dann ganz nahe am griechischen
Urtext. Denn dort ist nicht von den "Friedfertigen" die Rede, was man
ja als bloße Gesinnung oder innere Haltung missverstehen könnte,
sondern von denen, die den Frieden machen, stiften und so in einem
ebenso allgemeinen wie praktischen Sinne für ihn arbeiten.

Aus Jesu Seligpreisung lässt sich der Grundansatz der heutigen
"Lehre vom gerechten Frieden" ableiten. Und mit ihm lässt sich die
These verbinden:

Rüstungsexportkontrolle ist eine Form oder Facette der
Friedensarbeit (wie beispielsweise in anderer Weise die zivile
Konfliktbearbeitung oder die Entwicklungshilfe) und steht insofern
unter der Segensverheißung unseres Gottes.

Im Jahr 2007 wurde die aktuelle Friedensdenkschrift der EKD unter
dem Titel "Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen"
veröffentlicht. Sie hält den Abbau vorhandener Waffenpotenziale für
eine vordringliche Aufgabe, um den Frieden in der Welt wahren,
fördern und erneuern zu können. Als wesentliche Implikationen der
Aufgabe des Abbaus der Waffenpotenziale betrachtet die Denkschrift
unter anderem die Einschränkung der Rüstungsexporte, nachhaltige
Abrüstung und strenge Rüstungskontrolle .

Regelmäßig führen Mitglieder der GKKE-Fachgruppe Gespräche mit
Fachpolitikern der Bundestagsfraktionen. Als Erfolg der Arbeit der
GKKE sowie kirchlicher und säkularer Friedens- und
Entwicklungsinitiativen kann auch die Tatsache angesehen werden, dass
das Thema im Deutschen Bundestag zunehmend an Bedeutung gewonnen hat.
Allein im Jahr 2011 wurden 42 Drucksachen als Antworten der
Bundesregierung auf Kleine Anfragen aus dem Parlament veröffentlicht.
24 Plenarprotokolle dokumentieren Aussprachen des Bundestages zum
Thema.

Bündnispartner haben die Kirchen nicht nur in der
Zivilgesellschaft, sondern auch unter den demokratischen Parteien.
Exemplarisch sei hier, ohne die Kontakte und Übereinstimmungen zu
diesem Thema mit anderen Parteien verschweigen oder gering schätzen
zu wollen, an ein ausführliches Gespräch mit der Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands (SPD) erinnert, zu dem der Parteivorstand der SPD
am 13. Dezember 2010 Prälat Dr. Bernhard Felmberg und Prälat Dr. Karl
Jüsten als die Vorsitzenden der GKKE sowie Dr. Bernhard Moltmann als
Vorsitzenden der Fachgruppe eingeladen hatte. Der Parteivorstand
fasste im Anschluss des Gesprächs einen Beschluss zur "wirksamen
Rüstungskontrolle und Rüstungsexportkontrolle". In dem Beschluss
heißt es:

"[...] Die SPD plädiert für eine 'Kultur der Zurückhaltung' und
für Transparenz bei Rüstungsexporten. Wir begrüßen die Überlegungen
der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) der
evangelischen und katholischen Kirche zur Stärkung der
parlamentarischen Kontrolle der Rüstungsexporte. Die SPD unterstützt
die Vorschläge der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung zur
frühzeitigen Einbeziehung des Deutschen Bundestages in den
Entscheidungsprozess über die Rüstungsexporte Deutschlands. Ein
geeignetes Instrument dafür könnten vertrauliche Beratungen im
Unterausschuss des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag für
'Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung' sein.

Durch den fortschreitenden Umbau der Bundeswehr verfügen die
deutschen Streitkräfte über große Mengen an Waffen und
Rüstungsgütern, die hierzulande nicht mehr gebraucht werden. Die ist
Gefahr groß, dass diese Waffen weltweit - und damit auch in
Krisengebiete - exportiert werden. Deutschland darf nicht dazu
beitragen, dass damit vor allem Konflikte angeheizt werden, die
bereits heute viel Unheil anrichten und Tausenden unschuldiger
Menschen das Leben kosten. Nur eine wirksame Rüstungskontrolle und
restriktive Rüstungsexportpolitik, auch bei Kleinwaffen, trägt zu
Konfliktprävention und Friedenssicherung bei und hilft
Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden."

Auch von den Gliedkirchen der EKD gehen etliche Initiativen zu
diesem Bereich aus. Ich begrüße ausdrücklich die Initiative zur
Rüstungskonversion der Evangelischen Landeskirche in Württemberg aus
dem vergangenen Jahr. Ihre Absicht, Gespräche mit Firmen in
Württemberg zu führen und diese darin uneigennützig zu beraten, wie
sie von der Waffenproduktion auf die Herstellung ziviler Produkte
umstellen können, ist vorbildlich und wird hoffentlich Resonanz
finden und Erfolg haben. Bis jetzt gibt es allerdings kaum Ansätze
eines Dialogs mit der Rüstungsindustrie, auch wenn dies ein
explizites Anliegen der GKKE darstellt.

Zu Anfang dieses Jahres folgte die Landessynode der Evangelischen
Kirche im Rheinland dem Antrag der Kreissynode Jülich im Blick auf
die Verhinderung von Rüstungsexporten und machte sich die
Beschlussvorlage des Ausschusses für öffentliche Verantwortung zu
eigen, in der es heißt: "Die Landessynode bittet die EKD, ihren
Einfluss geltend zu machen und über die Bundesregierung Folgendes zu
initiieren: 'Es sollen zukünftig keine Hermesbürgschaften mehr im
Zusammenhang mit Rüstungsexporten gegeben werden.'" Wenn diese
Bürgschaften nicht mehr gewährt werden, so ist die Hoffnung der
Synode, wird dies die Rüstungsexportbereitschaft vieler Firmen
deutlich zügeln.

Auch andere Landeskirchen wie etwa die Evangelische Kirche in
Hessen und Nassau haben in Beschlüssen und Kundgebungen immer wieder
auf die Rüstungsexportproblematik hingewiesen. Ich bin für diese
stete Mahnung und Warnung ausgesprochen dankbar.

III. Ausblick:
Die bleibende Aktualität biblischer Visionen als ständige
Herausforderung für politisches Handeln

"Selig sind die, die für den Frieden arbeiten, denn sie werden
Töchter und Söhne Gottes heißen" (Matthäus 5,9), so habe ich die
Seligpreisungen Jesu zitiert. Jesus steht in der Tradition
alttestamentlicher Prophetie. Eine der bekanntesten Friedensvisionen
stammt vom Propheten Micha; auch Jesaja hat sie später aufgegriffen.
In der Version des Micha lautet sie wie folgt:

Das kommende Friedensreich Gottes

"In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des HERRN Haus
ist, fest stehen, höher als alle Berge und über die Hügel erhaben.
Und die Völker werden herzulaufen, und viele Heiden werden hingehen
und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum
Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir in
seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des
HERRN Wort von Jerusalem. Er wird unter großen Völkern richten und
viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre
Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird
kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden
hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen." (Micha 4, 1-3)

Diese Vision des Micha ist in ihrem wörtlichen Sinne genommen ein
anspornendes Bild für Rüstungsbegrenzung und Rüstungskonversion.
Damit beides gelingen kann, brauchen wir in unserer offenen und
demokratischen Gesellschaft auch eine Rüstungsexportpolitik, die die
selbst gesetzten und die Kriterien der Europäischen Union konsequent
einhält.

Wir brauchen eine Rüstungsexportpolitik, die transparent ist und
einer parlamentarischen Kontrolle unterliegt.

Und wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Diskurs darüber,
dass Abrüstung und Rüstungskontrolle einen friedenspolitischen
Imperativ darstellen. Für die christlichen Kirchen ist es wichtig,
ja, unumgänglich, sich an dieser Aufgabe zu beteiligen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.



Pressekontakt:
Evangelische Kirche in Deutschland
Reinhard Mawick
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail: reinhard.mawick@ekd.de


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