(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Bund-Länder-Kommission/Neonazis von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 08-02-2012

Regensburg (ots) - Die Frage, wieso ein Neonazi-Trio mit mehreren
Helfern fast zehn Jahre lang mordend und raubend durch Deutschland
ziehen konnte, ist nach wie vor ungeklärt. Doch zumindest hat die
Politik nun reagiert. Auf allen Ebenen. Es gibt
Untersuchungsausschüsse von Bundestag und Thüringer Landtag, einen
Sonderermittler des Bundes, seit gestern nun auch eine vierköpfige
Bund-Länder-Kommission. Und nicht zu vergessen arbeiten fast 400
Sicherheitsleute von Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz und
Länderpolizei an der Aufklärung der Morde. Wahrscheinlich hätte ein
Bruchteil dieses jetzt an den Tag gelegten Aufwands vor Jahren
genügt, um der Mordspur des "Nationalsozialistischen Untergrunds"
(NSU) früher Einhalt zu gebieten. Nun muss endlich konsequent und
schonungslos ausgewertet, aufgeklärt, analysiert und es müssen
Konsequenzen gezogen werden. Das ist eine Kärrnerarbeit. Sie darf
nicht in politischem Gezänk und gegenseitigen Schuldzuweisungen
enden. Dazu ist das Thema viel zu ernst. Es sollte auch aus den
anstehenden Wahlkämpfen herausgehalten werden. Und weil so viele
unterschiedliche Gremien, Akteure und Ebenen beteiligt sind, muss
deren Vorgehen ebenfalls gut abgestimmt werden. Der Erfolg hängt
entscheidend von der Bereitschaft der jeweiligen Sicherheitsbehörden
zur Zusammenarbeit ab. Die Aufklärung darf sich nicht im
Kompetenzwirrwarr verheddern. Streit um die Herausgabe von Akten und
verschlossene Münder von seinerzeit Verantwortlichen können die
Aufklärer schnell ins Leere laufen lassen. Doch das wäre fatal. Denn
dann würde sich der demokratische Rechtsstaat als unfähig erweisen,
den rechtsextremen Terror wirksam zu bekämpfen. Die Mörder könnten
noch im Nachhinein triumphieren. Und ihre Opfer würden noch nach
ihrem Tod gedemütigt. Die gestern vom Kabinett berufene
Bund-Länder-Kommission ist im Gegensatz zu einem
Untersuchungsausschuss, der etwa Zeugen vernehmen kann, auf die
freiwillige Zusammenarbeit mit den beteiligten Behörden angewiesen.
Doch gerade dieses schlanke Gremium kann wichtige Hinweise geben, wie
Polizei und Sicherheitsdienste besser und wirksamer aufgestellt
werden müssen. Auf den Tisch der Aufklärer gehört allerdings auch,
dass die Politik seinerzeit die rechtsextremistische Gefahr sträflich
unterschätzt hat. Man hatte nach dem 11. September 2001 vor allem
islamistischen Terror im Auge. Warnungen vor der latenten Gefahr
durch gewalttätige Neonazis wurden dagegen in den Wind geschlagen.
Das heißt nicht, dass - wie es so schön plakativ heißt - die
Sicherheitsbehörden auf dem rechten Auge blind gewesen sind. Sie
waren mit anderem befasst. Auch das darf sich nicht wiederholen. Eine
andere Frage ist, ob sich aus den Erkenntnissen der Aufklärer
Material für ein NPD-Verbot herausfiltern lässt. Zumindest schälte
sich bereits jetzt heraus, dass das Instrument der V-Leute ein
ziemlich stumpfes Schwert gegen politische Extremisten ist. Weder bei
den Rechten, noch bei den Linken. Statt wichtige Erkenntnisse aus dem
Innenleben der NPD zu liefern, haben die Zuträger des
Verfassungsschutzes die Staatsgelder eher zum Aufbau der Organisation
genutzt. Man könnte die V-Leute wahrscheinlich ohne größere
Informationsverluste "abschalten". Dann hätte ein erneuter
Verbotsantrag in Karlsruhe vermutlich größere Chancen auf Erfolg.
Freilich wäre mit einem NPD-Verbot das Problem des Rechtsextremismus
in Deutschland nicht vom Tisch.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

377370

weitere Artikel:
  • Kurth sieht die Versorgungssicherheit mit Strom garantiert/ Schneller Netzausbau Bonn (ots) - Matthias Kurth sieht die Stromversorgung der Bundesrepublik nicht gefährdet. "Wir können die Stabilität des Netzes garantieren. Und wir können auch die Versorgungssicherheit in Deutschland garantieren", sagte der Präsident der Bundesnetzagentur im PHOENIX-Interview (Ausstrahlung heute, Mittwoch, 8. Februar, ab 23.00 Uhr in der Sendung DER TAG). "Die Lage im Netz ist angespannt. Aber es ist kein Grund zur Dramatik", so Kurth. Weiter sprach sich Kurth für neue Stromtrassen durch Deutschland aus. "Die Erzeugungsschwerpunkte mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Die Charité braucht Sicherheit Berlin (ots) - Das Ziel scheint auf den ersten Blick nicht wirklich ambitioniert: Vermeintlich "nur" 4,5 Millionen Euro will die Charité in diesem Jahr als Überschuss erwirtschaften. Denn der Umsatz von Deutschlands größtem Universitätsklinikum liegt bei 1,39 Milliarden Euro. Doch die 4,5 Millionen Euro sind ein Zeichen: Die Uniklinik mit ihren 13.500 Mitarbeitern hat nach Jahrzehnten, die durch Defizite geprägt waren, den wirtschaftlichen Turnaround geschafft. Wenn nach einer schwarzen Null im vergangenen Jahr in diesem Jahr ein mehr...

  • Edathy: Für PHOENIX TV-Übertragungen aus dem Ausschuss möglich Bonn/Berlin (ots) - Sebastian Edathy (SPD) sieht eine Übertragung von Sitzungen des Untersuchungsausschusses durch PHOENIX positiv. "Wir haben im Kreis der Sprecher der Fraktionen den Grundsatzbeschluss gefasst, dass das antragsbezogen möglich ist", sagte der Vorsitzende des Ausschusses zu den Neonazi-Morden im PHOENIX-Interview (Ausstrahlung heute, Mittwoch, 8. Februar, ab 23.00 Uhr in der Sendung DER TAG). Dafür sei aber die Zustimmung der Zeugen nötig, so Edathy. "Dieser Ausschuss hat natürlich auch die Funktion gegenüber der Öffentlichkeit mehr...

  • Rheinische Post: Neue Sorge um Opel Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Thomas Reisener: Jeder fünfte Neuwagen war 1973 in Deutschland ein Opel. Inzwischen dümpelt der Marktanteil bei acht Prozent. Das einzige, was bei Opel stabil ist, sind die Verluste. Wer kein Herz für die deutsche Automobil-Tradition hat, wird fragen: Warum begnügt sich Opel nicht mit profitablen drei Prozent Marktanteil, anstatt beim hoffnungslosen Kampf um die alte Größe fortwährend Geld zu verbrennen? In der Detroiter GM-Zentrale ist zwei Jahre nach der Fast-Pleite für Sentimentalitäten mehr...

  • Rheinische Post: US-Vorwahl-Krimi Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Frank Herrmann: Immer mehr gleicht die Kandidatenkür der US-Republikaner einer Achterbahnfahrt. Kaum hatte sich Mitt Romney in Florida klar an die Spitze des Feldes gesetzt, kam er im Mittleren Westen ins Straucheln. Der Sieger der Stunde heißt Rick Santorum, der Mann der religiösen Rechten. Schuld ist der Riss, der quer durch die Reihen der Republikaner geht. Traditionell besteht die Partei aus drei Flügeln: Für den einen zählt in erster Linie die Kirche, für den zweiten die Wirtschaft, für mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht