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Landeszeitung Lüneburg: Landeszeitung Lüneburg: Geld ohne Arbeit -- Dm-Gründer Götz Werner hält das bedingungslose Grundeinkommen für die Lösung sozialstaatlicher Probleme.

Geschrieben am 10-03-2011

Lüneburg (ots) - Das Discounter-Prinzip haben Sie sich einst von
Dirk Rossmann abgeschaut. Wer oder was hat Sie auf die Idee des
bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) gebracht?

Prof. Götz Werner: Die Mutter der Discount-Idee ist Aldi; Dirk
Rossmann hat etwas eher als ich damit begonnen, diese Idee auf
Drogerien zu übertragen, aber die Grundidee stammt von Aldi.

Und was war der Auslöser, sich für das BGE einzusetzen?

Werner: Die Besteuerung von Unternehmen. Wer als junger
Unternehmer anfängt, Erfolg hat, das Unternehmen wachsen sieht, und
will, dass es weiter wachsen kann, der muss auch Eigenkapital bilden.
Das wiederum ist bei dem Ertragssteuersatz sehr schwierig. Und da bin
ich auf die Konsumsteuer aufmerksam geworden, also die
Mehrwertsteuer. Wenn man die Mehrwertsteuer konsequent weiter denkt,
kommt man da"rauf, dass die Mehrwertsteuer am ehesten dazu beitragen
würde, dass die Gesellschaft prosperieren kann. Dann kommt als
nächste Frage, wo bleibt der Steuerfreibetrag als soziale Komponente.
Und da bin ich dann logischerweise auf die Idee gekommen, dass dieser
ausbezahlt werden muss. Und dann habe ich entdeckt, dass diese Art
von Grundeinkommen schon lange gefordert wird. Diese Idee hat mich
nicht mehr losgelassen. Denn das Grundeinkommen ist nichts anderes
als der bar ausbezahlte Steuerfreibetrag. Eine Forderung, die sich
durch die ganze abendländische Kulturgeschichte zieht. Das Urbild für
das Grundeinkommen steht in der Bibel bei Matthäus 20 -- die
Tagelöhner im Weinberg bekamen den Dinar nicht dafür, wie lange sie
gearbeitet haben, sondern dafür, dass sie überhaupt gearbeitet hatten
und bereit waren, am nächsten Tag wiederzukommen.

Woran scheiterte bisher die Umsetzung?

Werner: Alles Neue müssen die Menschen gedanklich fassen können,
bevor es Wirklichkeit werden kann. Es ist ein Umdenken nötig. Das ist
die Hürde. Erst wenn genug Menschen das Neue denken können, kann man
es umsetzen. Es muss ein Paradigmenwechsel erfolgen, eine Revolution
im Kopf.

Die sozialen Netze reißen auseinander, das Rentensystem steht vor
dem Kollaps. Wird das BGE nun gesellschaftsfähig?

Werner: Ja, denn der Mensch lernt durch Einsicht oder
Katastrophen. Ähnlich wie in der Französischen Revolution. Damals hat
man einen Teil der Gesellschaft verloren, so ist es heute bei uns.
Das führt irgendwann einmal zu einem enormen Reflex. Wir müssen unser
System erneuern, denn wir versuchen, die Probleme mit den Methoden zu
lösen, die erst zu den Problemen geführt haben. Wir würden einen
großen Schritt weiterkommen, wenn man den Begriff Arbeitszeit durch
Lebenszeit ersetzt. Dann erhielte Arbeit eine ganz andere Wertigkeit.

Für wen würde sich am meisten ändern? Für den Hartz-IV-Empfänger
oder den gut verdienenden Manager?

Werner: Für die Gesellschaft insgesamt würde sich viel ändern.
Jeder würde mehr Anerkennung und Sicherheit gewinnen. Und das sind
die beiden Dinge, die der Mensch automatisch sucht.

Aber der Manager braucht das doch nicht?

Werner: Oh doch, und wie. Der ist sogar anerkennungssüchtig. Das
Streben nach Profit ist doch nichts anderes als das Streben nach
Erfolg und Wertschätzung. Wer sind die Feinde der Idee des BGE?
Werner: Menschen, die in ihrer Vorstellungswelt gefangen sind.
Menschen, die nicht bereit sind, an sich zu arbeiten, im Grunde
genommen alle Bürger, deren Motto ist ,,es muss alles so bleiben, wie
es ist". Das BGE würde schließlich auch Machtstrukturen verändern.
Denn wenn ich Maßnahmen treffe, die anderen Freiräume eröffnen, dann
geht das immer zu Lasten von Menschen, die ihre Daseinsberechtigung
aus der Tatsache ableiten, dass ein anderer bis dato keinen Freiraum
hatte.

Die bedingungslose Auszahlung des Grundeinkommens macht viele
Behörden überflüssig. Was soll aus den Tausenden von Beamten und
Angestellten werden?

Werner: Auch Beamte und Angestellte müssen sich umorientieren.
Wenn heute eine Behörde ein Stahlwerk schließt, weil es zu starke
Emissionen verursacht, dann stehen die Arbeiter auch auf der Straße.
Das alles sind Aufgaben, die unsere Gesellschaft lösen muss. Es geht
immer in Richtung Eigenverantwortlichkeit. Und weil alle Menschen
dann ein Grundeinkommen haben, zeigen sie eine ganz andere
Bereitschaft, sich ein neues Lebensziel zu suchen.

Aber 1000 Euro sind für viele Beamte eine Herabstufung...

Werner: Die Menschen können zu den 1000 Euro beliebig
dazuverdienen. 1000 Euro ermöglichen es allen, ihre Fähigkeiten und
Talente in die Gesellschaft einzubringen. Wer will, findet Wege, wer
nicht will, findet Gründe.

Für die Finanzierung des BGE lassen sich Modelle erstellen. Wie
aber lässt sich der Faktor Mensch berechnen? Viele suchen den Weg des
geringsten Widerstandes. Bleiben einfache Arbeiten liegen?

Werner: Der Faktor Mensch ist tatsächlich eine schwierige Größe.
Was die Arbeit angeht, die man selbst nicht machen will, so sehe ich
drei Möglichkeiten: 1. der Arbeitsplatz wird attraktiver gestaltet;
2. die Aufgabe übernimmt eine Maschine oder 3. man macht es doch
selbst.

Deutschland ist kein Inselstaat -- ist eine Realisierung des BGE
im Alleingang überhaupt denkbar? Unsere Nachbarländer könnten sich
über Shopping-Touristen freuen, oder Heerscharen von Migranten
drängen ins Land, um sich hier in die Hängematte zu legen und zu
kassieren?

Werner: Das Problem haben wir im Grunde genommen heute schon.
Daher haben wir Gesetze, die den Zustrom regeln. Die bräuchten wir
dann auch. Die Einführung des BGE aber wäre ein Impuls zur
Sozialgestaltung für die ganze Welt -- ähnlich wie damals, als
Bismarck den Sozialstaat einführte.

Grundeinkommen für jeden, Wegfall von Steuern und Subventionen
aller Art. Wenn das System über höhere Konsumsteuern finanziert
werden soll, sind dann 1000 Euro nicht doch wieder nur so viel, dass
man gerade so über die Runden kommt? Werner: Der Betrag 1000 Euro ist
lediglich eine Hausnummer. Das Grundeinkommen muss auf jeden Fall
immer so hoch sein, dass man davon bescheiden, aber menschenwürdig
leben kann. Immer in Relation von Einkommen und der damit verbundenen
Güterverfügbarkeit. Wenn die Güter teurer werden, muss auch das
Einkommen steigen. Die Festlegung ist letztlich eine politische
Aufgabe.

Das BGE ist schon bei Politikern angekommen. Wie unterscheidet
sich das ,,solidarische Bürgergeld", das die CDU-Kommission unter
Leitung von Dieter Althaus entwickelt hat, vom BGE?

Werner: Im Grundsatz gibt es keine Unterschiede. Es geht immer um
die Trennung von Arbeit und Einkommen. Ich erkenne an, dass der
Mensch ein Einkommen braucht, um arbeiten zu können. Wenn jedoch ein
System Arbeit voraussetzt und Bedürftigkeit prüft, dann handelt es
sich um eine ,,Mogelpackung", denn dann ist wieder eine
Verteilungsbürokratie notwendig.

Liegt der Schlüssel zur Bewältigung der Probleme der Konsum- und
Leistungsgesellschaft in der Entschleunigung, wäre slow work die
Ergänzung zu slow food?

Werner: Arbeit muss neu bewertet werden. Folgendes Beispiel
entlarvt einen typischen Denkfehler: Wissenschaftler wollen
herausgefunden haben, dass es viele überlastete alleinerziehende
Mütter gibt. Wenn diese ein Grundeinkommen bekämen, wäre damit zu
rechnen, dass sie ihre Arbeitszeit zurückfahren. Das würde der
deutschen Volkswirtschaft einen Schaden von 16 Mrd. Euro bescheren.
Das ist ein Denkirrtum. Die Wissenschaftler hätten vielmehr sagen
müssen, das würde der Gesellschaft einen Nutzen bringen, den wir in
Geld gar nicht aufwiegen können. Weil diese Frauen sich dann
ausgiebig um ihre Kinder kümmern könnten.

Was haben Sie noch vor? Als erfolgreicher Unternehmer, einer der
reichsten Männer Deutschlands, könnten Sie sich eigentlich bequem
zurücklehnen?

Werner: Das ist nicht die Art eines Unternehmers. Man erkennt
Aufgaben und will gestalten. Als Unternehmer habe ich gelernt, dass
man nie alle Aufgaben auf einmal anpacken kann. Man muss immer die
auswählen, die wie ein archimedischer Punkt wirken, so dass viele
andere Probleme gleich mitgelöst werden. Und mit dem Grundeinkommen
würden sehr viele unserer heutigen Probleme verschwinden. Zum
Beispiel: Sozialarbeit, Erziehungsarbeit, Familienarbeit wären mit
Grundeinkommen ganz anders zu lösen. Wir würden Initiative weckende
Rahmenbedingungen schaffen. Will sagen: Der Sozialstaat hat Zukunft,
wenn...

Werner: ...wenn er sich so verfasst, dass das Grundeinkommen
Bürgerrecht wird. Der Sozialstaat heute ist wie das Almosen der
Gemeinschaft. Es kann mir gegeben und genommen werden. Und das darf
nicht sein. Ein Sozialstaat ist erst dann ein sozialer Staat, wenn
das Grundeinkommen ein Bürgerrecht ist. Wir brauchen nicht den Ruf
nach Recht auf Arbeit, sondern den Ruf nach Recht auf Einkommen.

Das Gespräch führte Dietlinde Terjung

Mit freundlichen Grüßen

Dietlinde Terjung

Nachrichtenredaktion/Politik Telefon +49 (0)4131-740-283 Fax: +49
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Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
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