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Südwest Presse: Kommentar zum Bahnstreik

Geschrieben am 08-08-2007

Ulm (ots) - Der Verhandlungstisch ist der Ort, an dem
Tarifverhandlungen gelöst werden. Mit dem Verbot von Streiks durch
das Amtsgericht Nürnberg mag sich die Deutsche Bahn kurzfristig etwas
Luft verschafft haben. Aber es bringt die Lokführergewerkschaft GDL
nur noch mehr auf die Barrikaden, statt den Streit in rationale
Bahnen zu lenken. Außerdem dürfen Richter nicht so einfach das
Streikrecht aushebeln. Das ist inhaltlich äußerst bedenklich.
Streiks sind ein legitimes Mittel in Arbeitskämpfen. Gelegen kommen
sie nie: Entweder wird die gute Konjunktur abgewürgt oder die
schlechte weiter beschädigt. Bei Dienstleistern ist die
Öffentlichkeit schnell die Leidtragende, wie Arbeitsniederlegungen
bei Müllkutschern und Straßendiensten immer wieder zeigen. Bei der
Bahn sind im Sommer die Urlauber besonders betroffen, im Herbst
Pendler und Geschäftsreisende. Trotzdem muss auch für die Lokführer
ein Arbeitskampf möglich sein.
Rational ist der Streit zwischen Bahn-Vorstand und GDL längst nicht
mehr. Es gibt zu viele Konfliktherde - und schwierige Hauptakteure.
Bahnchef Hartmut Mehdorn gibt gern den Rambo der Wirtschaft und
meint, er könne mit deftigen Sprüchen andere einschüchtern. Seinem
Traum, dem Börsengang des Bundeskonzerns, ordnet er alles unter. Er
hat für Milliardengewinne gesorgt, aber übersehen, dass auch die
Mitarbeiter etwas davon abhaben wollen. Nur sich und seinen
Vorstandskollegen hat er im vergangenen Jahr eine Gehaltserhöhung von
60 Prozent genehmigt, ein Zeichen seines fehlenden
Fingerspitzengefühls.
Sein Kontrahent, GDL-Chef Manfred Schell, geht in ein paar Monaten in
Pension. Zuvor will sich der 64-Jährige noch ein Denkmal setzen. Wenn
Sturköpfe wie diese aufeinandertreffen, fliegen die Fetzen - zum
Schaden aller.
Ein Grundproblem ist, dass sich bei der - gar nicht mehr so großen -
Bahn gleich drei Gewerkschaften tummeln. Bis heute ist es ihnen nicht
gelungen, ihre Interessen zu bündeln. Die Lokführer fühlten sich
schon mehrfach bei Tarifverhandlungen untergebuttert. Mehdorn hat
sich sehr eng mit Transnet verbündet, der mitgliederstärksten
Organisation. Das rächt sich jetzt. Mit ihr rasch einen Tarifvertrag
abzuschließen in der Hoffnung, die Lokführer damit zu überfahren, war
ein schwerer strategischer Fehler.
Die Macht der Einheitsgewerkschaften zerfällt. Die Entsolidarisierung
der Belegschaften nimmt zu, Spiegelbild einer allgemeinen Entwicklung
der Gesellschaft. Jeder sieht zu, dass er möglichst viel vom Kuchen
abbekommt.
Bei der Bahn muss jedoch damit Schluss sein, dass sich beide Seiten
immer weiter hochschaukeln. Das vergrößerte den Gesichtsverlust für
denjenigen, der nachgeben muss. Mehdorn hat die schlechteren Karten.
Entgegen seiner verbalen Kraftmeierei sitzen die Lokführer letztlich
am längeren Hebel, so lange sie sich einig und die Streikkassen gut
gefüllt sind.
Einen wochenlangen Arbeitskampf würde die Bahn nicht durchhalten: Er
brächte ihr nicht nur Millionenverluste ein, sondern auch gewaltigen
Druck von der Wirtschaft, deren Güter nicht mehr transportiert
würden.
Mehdorn könnte zu hoch gepokert haben, auch wenn die Lokführer nicht
die geforderten 31 Prozent durchsetzen können. Um Abstriche werden
sie nicht herumkommen. Die jetzige Atempause sollten Bahn und GDL
nutzen, um einen neutralen Vermittler einzuschalten.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
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Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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