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LVZ: Die Leipziger Volkszeitung zum Papstbesuch -

Geschrieben am 08-09-2006

Leipzig (ots) - Von Micha Schneider. Es könnte seine
Abschiedsreise sein. So jedenfalls sieht es Benedikt XVI. selbst.
Alter und Amtsstress fordern ihren Tribut. Deshalb wird die zweite
Heimatvisite Josef Ratzingers als Papst eine Mischung aus
sentimentaler Rückbesinnung und leichter Konfrontation mit den
Problemen der 2000 Jahre alten Institution katholische Kirche werden.
Als Präfekt der Glaubenskongregation stand der jetzige Papst für
Dogma und Bewahrung. Dass er - für viele überraschend - neben dem
Verstand auch die Herzen erreichen kann, zeigte sein vorjähriger
Besuch beim Weltjugendtreffen. Sparsam in Mimik und Gestik, dafür
klarer und entschlossener als sein charismatischer Vorgänger Johannes
Paul II. in seinen Aussagen zu religiösen, gesellschaftlichen und
politischen Fragen, hat er seinen Weg vom Oberlehrer zum Oberhirten
gefunden.
Neue Ansätze zur Lösung der seit Jahrzehnten latenten Probleme waren
und sind dagegen von ihm nicht zu erwarten. Priestermangel speziell
in Europa, Zölibat, Kirchenaustritte, schwindender Einfluss der
Kirche in der westlichen Gesellschaft, Empfängnisverhütung und Aids,
die Rolle der Frau in der Kirche bleiben auf der Tagesordnung. Auch
die Ökumene, im Ursprungsland der Reformation besonders aktuell, wird
durch Benedikt keine neuen Impulse bekommen, da er sich gedanklich
ohnehin mehr zu einer Annäherung mit den orthodoxen Kirchen
hingezogen fühlt.
Wunder sind also keine zu erwarten von einem Mann, der sich als
Arbeiter im Weinberg des Herrn sieht, der bewahren und weniger
gestalten will. Das Heimspiel in Bayern wird ihm da sehr
entgegenkommen. Altötting und die anderen Stationen seiner Reise kann
er in weihevoller Demut vor rosenkranzbetenden Gläubigen absolvieren.
Raum für Unbequemes ist ausgespart.
Aber vielleicht trifft er damit genau den Nerv vieler, nicht nur
älterer Menschen. In Zeiten rasanter Veränderung, grenzenloser
Reizüberflutung, technischen Fortschritts und neuer Bedrohungen durch
Terror oder soziale Ausgrenzung gewinnen Fixpunkte an Bedeutung.
Kirchenpolitik wird in diesem Kontext zweitrangig, was zählt ist
Beständigkeit und Verlässlichkeit, gespeist aus der Sehnsucht nach
Frieden, Treue, Geborgenheit. Wenn der Zeitgeist unbegrenzte
Freiheiten und im Egoismus mündende Selbstverwirklichung propagiert,
setzt Benedikt sein christliches Weltbild entgegen. Damit kann er
auch die Herzen erreichen, was seine Auftritte bei der Jugend in Köln
zeigten. Dogmatik pur, lebensfremd wirkende Bevormundung statt
nachvollziehbarer Begründung bewirken das Gegenteil. Das hat der Mann
auf dem Petrus-Stuhl, der immer mehr Wissenschaftler als Seelsorger
war, nach seiner Wahl sehr schnell erkannt, weshalb er die große
Prinzipien-Keule erfreulich sparsam einsetzt.
In seiner Heimat dürfte er dem treu bleiben. Zumal er hier nicht nur
als Oberhaupt seiner Kirche auftritt, sondern als das, worum sich
christliche Lehre rankt, nämlich als Mensch, der ganz privat
Wiedersehen und Abschied nehmen möchte. Dies sei ihm gestattet und
gegönnt.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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