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Berliner Morgenpost: Es wird einsam um die wankende Kanzlerin

Geschrieben am 11-05-2010

Berlin (ots) - Doch, 1982 war ein hartes Jahr. Die schwerste
Wirtschaftskrise seit den 30er-Jahren. Insolvenzen, Arbeitslose,
miese Stimmung. Kanzler Schmidt tritt ab, Helmut Kohl an. Aber nicht
die "geistig-moralische Wende" ist das Leitmotiv, sondern die
Erkenntnis: "Über geordnete Finanzen zu einem geordneten Staat". In
seiner Regierungserklärung mahnt der neue Kanzler: "Zu viele haben zu
lange auf Kosten anderer gelebt: der Staat auf Kosten der Bürger,
Bürger auf Kosten von Mitbürgern und wir alle auf Kosten
nachwachsender Generationen." Finanzminister Gerhard Stoltenberg
verordnet ein beispielloses Sparprogramm. Die Lage 2010 ist um
einiges prekärer als vor knapp 30 Jahren. Denn die Krise ist
dramatischer, die Kanzlerin schwächer. Ausgerechnet in stürmischen
Tagen, wie es sie seit den Tagen der Wende nicht gab, taumelt Angela
Merkel am Rande der Handlungsunfähigkeit, die sich mit immer neuen
Milliardenschecks nicht kaschieren lässt: Der Finanzminister im
Krankenhaus, der umsichtige Regierungssprecher auf dem Sprung nach
München, Leichtgewichte in Außenamt und Wirtschaftsministerium. Vor
einem Jahr - mit Steinmeier und Steinbrück - herrschte das Gefühl, da
spielten die Besten für Deutschland. Derzeit ist bestenfalls Hertha
am Ball. Nun ist auch noch das Koalitionsklima auf dem Gefrierpunkt,
seit Merkel der Ein-Themen-Partei FDP ihr Steuersenkungsmärchen
gestrichen hat. Nicht zu vergessen die CDU-Landesfürsten, die nach
dem NRW-Debakel aus Angst um ihre Macht hörbarer wüten. Und dann
robben sich die Liberalen in Düsseldorf auch noch an SPD und Grüne
heran. Offenbar hat Westerwelle erkannt, dass die Partnerschaft mit
der Union keine Zukunft hat; im Fünf-Parteien-System muss prinzipiell
jeder mit jedem koalieren können. Will die Kanzlerin weiter zusehen,
wie ihre Basis bröckelt? Die Einsamkeit der Macht, die schon Kohl und
Schröder zusetzte, hat Angela Merkel erwischt. Griechenland und NRW
haben alle Planungen und Prinzipien über den Haufen geworden.
Immerhin ist nun Raum für neue Prioritäten, Politik ohne Taktik, für
Mut zur Führung. Wenn es je einer geistig-moralischen Wende bedurfte,
dann muss Angela Merkel sie jetzt herbeiführen: Raus aus der
Schuldenspirale, auch wenn es wehtut. Aber wer heute nicht um fünf
Prozent kürzt, wird morgen zehn Prozent streichen müssen. Die
Schuldenfalle schnappt zu, brutaler mit jedem Tag des Zuwartens.
"Ungeordnete Finanzen führen zu einem ungeordneten Staat", so lautet
die Übersetzung des kohlschen Regierungsmottos, das nicht nur für
Griechenland, sondern auch für die DDR galt. Die Mutti-Zeiten sind
Geschichte - jetzt ist die Eiserne Lady gefragt, die das Land so
geschlossen wie nur möglich durch eine innere wie äußere Krise führt,
deren Folgen nicht abzusehen sind, der aber nur mit striktem Sparkurs
begegnet werden kann. Wer allein Machterhalt und Wiederwahl im Blick
hat, wird von einem zunehmend ungeordneten Staat bitter bestraft
werden.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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