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Berliner Morgenpost: Ein Boykott hilft keinem Schüler

Geschrieben am 14-04-2010

Berlin (ots) - Es gibt ja alle naselang gute Gelegenheiten, über
unser Bildungssystem zu streiten. Über Klassenstärken und
Durchlässigkeit, über zwei-, drei- oder viergliedrige Schulsysteme,
über Noten und Nichtnoten, über die Zuständigkeit der Länder, übers
Turboabitur und über alles, was man unseren lieben Kleinen noch so
zumutet. Man kann schon ein paar Jahre lang verbringen mit dem
Studium dieser Dispute. Also: Hefte auf den Tisch. Thema heute: die
Vergleichsarbeit.
Es gibt durchaus dümmere Ideen, die die nicht wirklich glorreiche
Kultusministerkonferenz in den vergangenen Jahrzehnten ihres
bürokratischen Schaffens unters Volk gebracht hat. Die Frage, welche
Schüler welcher Schule wann was können und was nicht, darf ja
gestellt und dann bitte auch beantwortet werden. Die Möglichkeiten,
die sich allein für den einzelnen Lehrer, die einzelne Klasse aus
diesen Vergleichsarbeiten ergeben, sind mannigfaltig - jedenfalls
wenn man willens und in der Lage ist, mit Kritik und Selbstkritik
umzugehen. Ziehen dann auch noch Kollegien, Schulräte und
Kultusministerien die richtigen Schlüsse aus den zusammengefassten
Ergebnissen, kann das sogar richtig segensreich wirken für die
Schüler. So weit die Theorie.
In der Praxis sieht das natürlich anders aus. Da kommt der Vera-Test
in Form eines schlichten Versagensprotokolls daher, aus dem Schüler
wie Lehrer schwarz auf weiß entnehmen können, was sie alles nicht
geschafft haben in den ersten Schuljahren. Und das keinesfalls
ausschließlich in den sogenannten sozialen Brennpunkten. Wer sich die
gängigen Tests der vergangenen Jahre mal anschaut, merkt sehr
schnell, dass auch das eigene Grundschulwissen Lücken aufweist, die
in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht geschlossen werden können.
Einen Grund, die Vergleichsarbeiten wieder abzuschaffen oder sie zu
boykottieren, liefern diese Erfahrungen allerdings nicht.
Zum einen, weil es in einem demokratisch organisierten Bildungssystem
natürlich genau dieser Dokumente bedarf, um einer naturgemäß recht
behäbigen Kultusbürokratie auf die Sprünge zu helfen und die
Notwendigkeit zu dokumentieren, an diesen, jenen oder anderen Schulen
mehr zu tun, mehr zu fördern, aber auch mehr zu fordern. Zum anderen,
weil Veränderungen, zum Guten wie zum Schlechten, ja nur deutlich
werden können, wenn man die Zustände zu einem Zeitpunkt X
standardisiert miteinander vergleicht.
Und wenn sich nichts ändert? Wenn alle Veras dieser Welt folgenlos
bleiben an den Grundschulen von Neukölln oder dem Wedding? Wenn alles
alle Jahre wieder im Frust endet? Dann bleibt der Boykott, die bloße
Verweigerung dennoch die falsche Antwort, ein falsches Beispiel für
Schüler, die es ohnehin nicht leicht haben. Die Vorbilder brauchen,
die es wieder und wieder versuchen, die aktiv sind, nicht passiv, die
nicht aufgeben und mit dem Finger auf andere zeigen. Sondern die sich
den Herausforderungen stellen - streitbar, stark und selbstbewusst.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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