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Berliner Morgenpost: Zögern verschlimmert die Lage in Afghanistan - Leitartikel

Geschrieben am 05-04-2010

Berlin (ots) - Am Osterwochenende hat sich auch für Deutschland
auf bestürzende Weise gezeigt, was die USA seit 2003 im Irak erfahren
mussten: Ein Kampfeinsatz im Orient gegen einen zu allem
entschlossenen Gegner ist ein Auftrag, den die Auftraggeber nur
selten in seiner ganzen Tragweite verstehen. In den vergangenen
Jahren seit dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 hat auch die
Bundesregierung nicht wahrhaben wollen, was sich am Hindukusch wieder
zusammenbraute. Ein Beispiel dafür ist die Konzentration des
deutschen Beitrags auf die Schulung von Polizisten. Man fand das sehr
angemessen - bis vor Kurzem die afghanische Seite nachdrücklich
darauf hinwies, dass Polizisten in Afghanistan schlecht angesehen
sind und wenig zu sagen haben. Ein braver Dorfpolizist in jedem
afghanischen Dorf - das war eine Fantasievorstellung in dem Wunsch,
möglichst schnell wieder aus Afghanistan abziehen zu können.
Der Hinterhaltangriff der Taliban bei Kundus mit drei gefallenen und
acht verwundeten deutschen Fallschirmjägern sowie fünf irrtümlich
erschossenen afghanischen Soldaten könnte weitreichende Folgen haben.
Er zeigt, dass die Taliban wissen, was sie wollen, und dass sie die
Initiative an sich zu reißen versuchen. Das ist gefährlich. Besonders
dann, wenn die Attacke der Vorbote einer Sommeroffensive der Taliban
im Norden war. Die Taliban haben eine solche Offensive angekündigt.
Erstens wollen sie den Nachschubweg der Nato, der aus Usbekistan und
Tadschikistan nach Afghanistan führt, abschneiden. Zweitens haben die
Taliban erlebt, wie die niederländische Regierung im Streit über
Afghanistan zerbrochen ist. Sie konnten im Internet nachlesen, dass
die US-Regierung sich deswegen über die Europäer Sorgen zu machen
anfängt. Und sie sehen an den antiwestlichen Äußerungen Präsident
Hamid Karsais, dass nun auch die Kabuler Regierung, der die Nato
helfen will, anfängt, nervös zu werden.
Am Karfreitag hat die US-Luftwaffe einen Angriff auf die verschanzten
Kämpfer unterlassen, obwohl diesmal deutsche Soldaten wirklich in
höchster Not waren. Es sollte auf keinen Fall tote Zivilisten geben
wie am 4. September beim Luftschlag auf die beiden Tankwagen. Die
Taliban spüren, wenn ihr Gegner zögert, und Karsai spürt es auch. Vor
40 Jahren während des Vietnamkriegs machte der Vietcong in einer
ähnlichen Lage vor, wie man eine solche Stimmung erfolgreich für sich
nutzt. Die Skeptiker haben heute Vietnam als schlechtes Beispiel vor
Augen. Abziehen, bevor es zu spät ist, sagen sie.
In Afghanistan kämpfen aber nicht wie in Vietnam kommunistische
Nationalisten, die ihr Land einen wollen und sonst nichts. Dort
kämpfen global denkende islamische Fanatiker, die in ihrer Propaganda
einen Rückzug der Nato als ersten entscheidenden Sieg über den
christlichen Westen darstellen. Es sind auch welche dabei, die nur
die Ausländer weghaben möchten. Aber wichtiger sind die Ideologen,
die einen Sieg am Hindukusch sofort in Somalia oder im Jemen oder in
Pakistan wiederholen wollten. Ein solcher Gegner, so betrüblich es
ist, fühlt sich durch Zögern ermutigt.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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