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Lausitzer Rundschau: Die zwei Seiten der Medaille Zum 80. Geburtstag von Alt-Kanzler Helmut Kohl

Geschrieben am 02-04-2010

Cottbus (ots) - Jetzt wird er 80. Und man tut sich immer noch
schwer mit ihm. Helmut Kohl, der Mann, der die Bundesrepublik länger
regierte als jeder andere, hat sich um dieses Land zweifellos
herausragende Verdienste erworben. Aber auf sie fällt der Schatten
der Parteispendenaffäre. Selbst seine CDU, die er über alles stellte,
ist deshalb noch immer auf der Suche nach dem rechten Umgang mit dem
Pfälzer. Sie ahnt, dass Bimbes- und Einheitskanzler zwei Seiten der
selben Medaille waren.
Als Kohl am 1. Oktober 1982 zum Bundeskanzler gewählt wurde, galt er
seinen Gegnern als Inkarnation bornierten deutschen Spießertums. Und
wenn die Menschen in der DDR 1989 das SED-Regime nicht in einer
unvergleichlichen friedlichen Revolution hinweggefegt hätten, wäre
seine Kanzlerschaft wohl nur eine Randnotiz der deutschen Geschichte
geblieben. Dann aber war er auf einmal der richtige Mann an der
richtigen Stelle. Dann hat er auf einmal alles richtig gemacht. Dann
war auf einmal wirklich entscheidend, dass er und nicht ein anderer
im Kanzleramt saß. Dann wurde sogar die Provinzialität, deretwegen er
lange verspottet worden war, zur großen Stärke. Denn der
bodenständige, strickjackentragende Oggersheimer mit seiner Liebe zu
deftigem Essen und Pfälzer Wein konnte - als es um die deutsche
Einheit ging - leichter das Vertrauen von Amerikanern, Russen, Briten
und Franzosen gewinnen, als es etwa der intellektuell weit überlegene
zackige Norddeutsche Helmut Schmidt in dieser Situation vermocht
hätte.
Dies anzuerkennen, fiel und fällt manchem schwer. Dass die
Ostdeutschen 1990 ausgerechnet Kohl mit "Helmut"-Sprechchören als
Heilsbringer feierten, hat ihnen ein sich selbst als progressiv
verstehender Teil der westdeutschen Gesellschaft nie verziehen.
Allerdings kühlte auch die Sympathie der ehemaligen DDR-Bürger
deutlich ab, als es mit den "blühenden Landschaften" länger dauerte
als erhofft.
Kohl wäre gut beraten gewesen, spätestens 1998 auf eine erneute
Kandidatur zu verzichten und das Feld freiwillig einem anderen zu
überlassen. Aber der unbedingte, zeitweilen brutale Machtwille und
der Glaube an die eigene Unersetzbarkeit - das war seine andere
Seite. Ebenso wie der Klüngel, das weit verzweigte
Beziehungsgeflecht, die Schaffung von Loyalitäten und Abhängigkeiten,
die kleinliche Rachsucht und jene Starrköpfigkeit, mit der er sich -
unter Verweis auf sein Ehrenwort und in offenem Bruch des
Parteiengesetzes - bis heute weigert, die Namen von Spendern
offenzulegen. Dass er deshalb auf den Ehrenvorsitz seiner CDU
verzichten musste, dürfte ihn selbst am meisten schmerzen.
Der Platz in den Geschichtsbüchern ist Helmut Kohl dennoch sicher.
Denn dort wird ein Leben reduziert auf das Außergewöhnliche, das
Besondere. Jenen, die ihn mit all seinen allzu menschlichen Schwächen
erlebt haben, ist das unmöglich. Für die kommenden Generationen aber
wird er nur noch der Kanzler der Einheit, der große Europäer sein.
Und seine Verfehlungen Fußnoten der Geschichte.

Originaltext: Lausitzer Rundschau
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/47069
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_47069.rss2

Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


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