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WAZ: Vor 50 Jahren starb Bert Brecht: Und der Haifisch hat noch Zähne - Kommentar von Gudrun Norbisrath

Geschrieben am 11-08-2006


Essen (ots) - Brecht polarisiert. Immer noch. Das war schon damals
so, in unsrer Obertertia: Die einen beteten Mutter Courage an, andere
fanden darin zu wenig Dandy und zuviel Moral. Den Dandy gab es bei
Brecht nur im Leben, den Moralisten nur in der Theorie. Also in der
Kunst, was bei ihm auf faszinierende Weise zusammengehört. Uns, die
wir gerade die neue soziale Verantwortung entdeckten, schien er ein
Prophet. Anderen war er ein Unhold. Kommunist; und Frauendemütiger.
In jeder Hinsicht überholt.

Letztlich ist die Kontroverse um Brecht bis heute die gleiche
geblieben. Nach einer kurzen Phase der Brecht-Begeisterung Anfang der
70er Jahre gilt nun wieder: Kunst gegen Politik. Dass eins ohne das
andere nicht denkbar ist, wird dabei übersehen; aber nicht nur hier.
Interessant, dass bei Arno Breker gerade wieder versucht wird, beides
auseinander zu dividieren.

Bei Brecht wurde das auch eine Zeitlang praktiziert: hier die
Lehrstücke, da die „klassischen" Werke, die man mit einiger Chuzpe
ohne die lästige Ideologie betrachtete. Der gute Mensch von Sezuan.
Der Kaukasische Kreidekreis. Alles keine Gut-Menschen-Stücke, sie
knarren von Theorie.

Die Lehrstücke: sind ein Kapitel für sich. Brecht versuchte, für
die neuen Inhalte eine neue literarische Form zu finden. Einige
dieser Stücke sind nur noch Relikt. Übrigens – es gibt Texte von
Goethe, die ich nicht schätze. Welche, wird nicht verraten.

Heute wird Brecht umgangen. Das liegt nicht daran, dass er sich
überlebt hätte, im Gegenteil; seine Texte sind immer noch aktuell.
Aber Moral, vor allem, wenn sie einer Ideologie folgt, gilt als
törichte Utopie. Vor allem: kein Sozialismus, kein Brecht. Es ist
aber nicht so einfach.

Denn viele der Brechtschen Ideale bleiben trotz real existierender
Einheit die richtigen. Eine Gesellschaft, die zugunsten der
Besitzenden definiert ist, die pekuniären Grenzen der Menschenliebe –
das waren seine Themen. Sie sind auch heute an der Tagesordnung, doch
man spricht sie nicht direkt an. Ein vernebelnder Begriff „Hartz 4”
ersetzt das trübe Wort „Armut".

Brecht würde ätzende Texte darüber schreiben. Aber es würde so
wenig nützen wie damals. „Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum
braucht er was zu essen, bitte sehr. Es macht ihn ein Geschwätz nicht
satt, das schafft kein Essen her . . ." Wer wagte zu sagen, dass das
überholt wäre? Auch wenn heute kein Mensch mehr folgert: „Drum links,
zwei, drei . . ."

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

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Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Telefon: (0201) 804-0
Email: zentralredaktion@waz.de


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