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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Hartz-IV-Urteil:

Geschrieben am 09-02-2010

Bielefeld (ots) - Das Bundesverfassungsgericht hat kein
überraschendes, aber ein weises Urteil getroffen. Die Karlsruher
Richter haben deutlich gemacht, dass die Ermittlung der
Hartz-IV-Sätze verfassungswidrig erfolgt ist, die Neugestaltung des
Gesetzes aber ohne Vorgabe an die Politik zurücküberwiesen. Das ist
gut, gehört doch die Gesetzgebung ins Parlament. Viel zu oft
verlassen sich die Politiker auf den Reparaturbetrieb Karlsruhe.
Bemerkenswert ist der doppelte Clou: Der Finanznot von Bund, Ländern
und Kommunen trägt Rechnung, dass eine Neufassung des Gesetzes nicht
rückwirkend gilt. Für politischen Druck sorgt, dass das neue Recht
zum 1. Januar 2011 greifen muss.
Guter Rat ist nun teuer, und eine Portion Populismus liegt in der
Luft. Die Debatte um Höhe und Ausgestaltung der Hartz-IV-Sätze ist
belastet von dem falschen Pauschalurteil, dass die allermeisten
Hartz-IV-Empfänger einfach nur zu faul zum Arbeiten seien. Ebenso
falsch ist andererseits der Gedanke, dass eine Erhöhung der
Regelsätze allein schon heilbringend sei.
Sicher vorherzusagen ist derzeit nur, dass der Tatbestand des
Einzelbedarfs bis zum Jahresende sehr bedeutsam werden dürfte. In der
Lücke zwischen verfassungswidriger, aber gültiger und neuer
Gesetzgebung wird kein Sachbearbeiter Interesse daran haben, sich mit
zu rigider Rechtsauslegung unnötig Ärger einzuhandeln.
Was dann kommt, ist offen. Keinesfalls haben die Richter den Weg zu
höheren Regelsätzen vorgezeichnet. Manch Jubel könnte verfrüht
gewesen sein. Darauf deuten Stimmen aus dem Regierungslager hin, die
einen Ausbau der Sachleistungen forcieren wollen. Auch dieser Weg ist
nicht kostenlos, an vielen Stellen aber vergleichsweise
kostengünstig.
Zudem könnte die Förderung von Kindern und Jugendlichen so
vielerorts besser gelingen. Heinz Buschkowsky, der SPD-Bürgermeister
von Berlin-Neukölln, ist nur der prominenteste einer Riege von
Politikern, die höhere Regelsätze ablehnen, weil das
Gießkannenprinzip eher Hartz-IV-Karrieren in die nächste Generation
überträgt als beendet. Gegen eine pauschale Erhöhung spricht auch das
Lohnabstandsgebot. Schon jetzt gibt es viele Beschäftigte, die mit
ihrem Vollzeitjob kaum mehr verdienen als Hartz-IV-Empfänger
bekommen.
Sicher ist: Auf die schwarz-gelbe Bundesregierung wartet eine
Aufgabe, an der sie sich beweisen muss. Abwarten reicht diesmal
nicht. Jetzt ist Handeln gefragt, und das kann brisant werden.
Immerhin hat keine Entscheidung dem politischen Misserfolg der SPD
mehr Vorschub geleistet als die Hartz-IV-Gesetzgebung.
Nun haben die Karlsruher Richter die Herkulesaufgabe an Union und
FDP weitergereicht. Ein Erbe, auf das Bundeskanzlerin Angela Merkel
sicher gern verzichtet hätte, das aber auch Chancen bietet. Die Frage
ist, ob sich ihre Regierung einen ähnlichen Wurf zutraut, wie ihn
einst Gerhard Schröder gemacht hat. Mit dem gestrigen Urteil ist die
Agenda 2010 zum Prüfstein 2010 für Schwarz-Gelb geworden.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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