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Berliner Morgenpost: Mehr Tranparenz, aber nicht mehr Ausgaben (Leitartikel)

Geschrieben am 09-02-2010

Berlin (ots) - So kennen wir unser Verfassungsgericht
mittlerweile. Klar, deutlich, im Zweifel auf der Seite der
Schwächeren und einigermaßen rücksichtslos - nicht die Umstände
wägend, sondern das Grundgesetz. Nach dem gestrigen Urteil hat die
Regierung - vor allem die zweite Regierung Schröder - bei der
Ausarbeitung der Hartz-IV-Gesetze geschlampt und Paragrafen nach der
Formel "Pi mal Daumen" zu Papier gebracht, damit die Würde des
Einzelnen nicht ausreichend berücksichtigt und den besonderen Schutz,
den Kinder in unserer Gesellschaft genießen, schon lange nicht. Das
ist deutlich, in Teilen sogar maßlos deutlich.
Denn über die Frage, wie der Mindestbedarf eines Einzelnen, seinen
individuellen Lebensbedingungen entsprechend und damit gerecht
ermittelt werden kann, wird man streiten können, bis im Bundestag
auch der letzte Abgeordnete das Plenum verlassen hat. Ein rechtes,
gerechtes Maß zu finden für das, was per se unerträglich ist, nämlich
am alleruntersten Ende unseres Sozialsystem auf Kosten anderer zu
leben, ist eine Arbeit, die auch die klügste Ministerialbürokratie
überfordert. Eine solche, notwendig beschneidende Gesetzgebung wird
und muss immer auch willkürlich sein. Es muss über einen Kamm gezogen
werden, was eigentlich nicht über einen Kamm gezogen werden darf.
Man stelle sich nur mal einen Hartz-IV-Antrag vor, der die
Verhältnisse des Einzelnen noch genauer auslotet, um daraus dann
einen - möglicherweise - gerechteren Bescheid zu erstellen. Wie lang
soll ein solcher Antrag sein? Wer soll ihn begreifen? Welche
Bürokratie sollte ihn überprüfen? Schon der derzeitige Aufwand
überfordert viele. Die Bundesregierung hat gestern versprochen,
diesen Anforderungen zügig gerecht zu werden. Dann mal los! Bis zur
nächsten Verfassungsklage.
Besser wäre es, sich zunächst einmal auf den offensichtlichen
Kardinalfehler der Hartz-Gesetze zu beschränken, die wurstige
Behandlung der Kinder. Wobei es eben nicht damit getan ist, die
Regelsätze für Minderjährige aufzustocken. Wo diese Art von
Mehrausgaben im Zweifel landen, haben die Herren Buschkowsky und
Sarrazin sehr undiplomatisch, aber doch zutreffend beschrieben.
Kinder, Jugend, Bildung, das sind die Prioritäten, die die
Verfassungsrichter dieser und vermutlich auch noch der nächsten
Regierung aufgelistet haben. Diesem Auftrag nachzukommen, das steht
außer Zweifel, wird den Staat, den Steuerzahler zusätzliches Geld
kosten. Und Geld ist derzeit knapp.
Zwei weitere Schlüsse sollten Union und FDP aus dieser banalen
Erkenntnis ziehen:
1. Einer Steuerreform, die dem Staat Einnahmen nimmt, hat das
Verfassungsgericht gestern einen Riegel vorgeschoben. Sie wäre -
jetzt erst recht - mit der ab 2011 im Grundgesetz verankerten
Schuldenbremse nicht zu vereinbaren. Sie wäre fahrlässig.
2. Höhere Regelsätze für erwachsene Hartz-IV-Empfänger sind ebenfalls
nicht finanzierbar. Mehr Transparenz ja, mehr Ausgaben nein - auch
das wäre eine richtige Lehre aus dem Karlsruher Richterspruch.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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