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Berliner Morgenpost: Ein Ausschuss, der nicht zum Eiertanz taugt (Kommentar)

Geschrieben am 21-01-2010

Berlin (ots) - Es gibt Untersuchungsausschüsse, die der Bundestag
mit großem Brimborium eingesetzt hat, die man sich aber lieber hätte
sparen sollen. Der sogenannte "Lügen-Ausschuss" war so ein Fall, bei
dem es um Showeffekte ging, nicht um demokratisch legitimierte
Aufklärung. Und auch die sogenannte BND-Affäre hätte kostengünstiger,
weniger zeitaufwendig und für alle Beteiligten Nerven schonender
aufgearbeitet werden können.
Der gestern eingesetzte Untersuchungsausschuss zu den Bombenabwürfen
im nordafghanischen Kundus dagegen hat alle Zeit verdient, die er
benötigt, um Klarheit zu bekommen über einen militärischen Einsatz,
der vielen Deutschen erst die Augen geöffnet hat für einen, ja,
Krieg, der auch deutsche Opfer fordert und in dem auch Deutsche
verantwortlich sind für zivile Opfer, für tote Kinder,
Verstümmelungen, Elend und Not. Darauf genau zu schauen, darüber zu
debattieren, auf einer Grundlage, die den wahren Geschehnissen in dem
gebeutelten Land zumindest nahe kommt, ist nicht nur das Recht des
Parlaments, sondern auch seine Pflicht.
Umso wichtiger ist es, dass die beteiligten Abgeordneten eben nicht
den in weniger grundlegenden Untersuchungen üblichen politischen
Eiertanz aufführen. Dass sie der Versuchung widerstehen, den
jeweiligen politischen Gegner am Nasenring über die Bühne zu ziehen,
sondern die Vorgänge rund um die offenbar ziemlich unnötige
Bombardierung zweier Tanklaster aufzuklären.
 Dazu gehört auch, aber nicht in erster Linie, die Frage,
warum der neue Verteidigungsminister kaum dass er im Amt war eine
politische Kehrtwende vorführte, die ihresgleichen sucht. Diese
inhaltlich hieb- und stichfest zu begründen, wird Karl Theodor zu
Guttenberg nach Lage der Dinge eher schwer fallen. Die These, dass
sich ein ziemlich forscher Jungminister im vergangenen Herbst
schlicht und ergreifend zu schnell zu weit aus dem Fenster gelehnt
hat, liegt nahe. Ob und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind,
ist derzeit nicht eindeutig abzusehen. Die Tatsache, dass zu
Guttenberg sich selbst öffentlich korrigiert hat, statt seinen Fehler
zu verbrämen, spricht zumindest für ihn. Es ist ja eine Krux der
zeitgenössischen Politik, dass sich die meisten Akteure der Berliner
Bühne lieber hinter nichtssagenden Wortkaskaden verbergen, statt
klare Aussagen zu treffen und diese gegebenenfalls auch zu
korrigieren.
Wichtiger als diese stilistischen Nebensächlichkeiten aber sind die
Fragen, die sich um das Bombardement selbst drehen. Warum der
diensthabende Oberst Klein den Angriff auch gegen den Rat der
Flugzeugbesatzung durchgesetzt hat? Ob er dabei die Einsatzregeln
verletzt hat? Und ob diese Einsatzregeln, die am Ende vom Bundestag
abzusegnen sind, der Lage in Afghanistan überhaupt gerecht werden?
Oder ob wir uns hier etwas vormachen über die Auslandseinsätze
unserer Soldaten? Und mit am Ende unzulänglichen Vorschriften und
Einschränkungen deren Leben, aber auch das unschuldiger Zivilisten
aufs Spiel setzen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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