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Berliner Morgenpost: Die Kanzlerin muss aus der Deckung und führen - Leitartikel

Geschrieben am 08-01-2010

Berlin (ots) - Wie stolz waren sie auf ihren Rekord. In nur drei
Wochen hatten CDU, CSU und FDP den gemeinsamen Koalitionsvertrag
ausgehandelt. Dass Schnelligkeit nicht immer zum Erfolg führt, hat
die schwarz-gelbe Koalition bestätigt. Selten ist der Start einer
Koalition so vermurkst worden wie jetzt von Angela Merkel, Horst
Seehofer und Guido Westerwelle. Und Besserung ist nach den
Selbstfindungstreffen der Liberalen in Stuttgart und der
Christsozialen in Kreuth nicht in Sicht. Auch deshalb wollen sich am
übernächsten Sonntag die Duzfreunde Horst und Guido zum gemeinsamen
Krisen-Abendessen bei ihrer Duzfreundin Angela im Kanzleramt treffen.
Jetzt rächt sich, dass die Koalitionsverhandlungen einem
Schweinsgalopp glichen. Statt vorab auf Gründlichkeit, damit auf ein
festes Fundament bis 2013 zu setzen, wurden alle wesentlichen
strittigen Punkte - von der Gesundheits- über die Steuerreform bis
zum jetzt auch offenkundigen Disput über den EU-Beitritt der Türkei -
im Vagen gehalten und damit je nach Interessenlage interpretierbar.
Die Politikfelder wurden punktuell abgehakt, ohne sie zu einem
Ganzen, zu einer Zielmarke, zu einem gemeinsamen Projekt für die
erste bürgerliche Koalition nach elf Jahren zusammenzufügen.
Wofür steht diese Koalition eigentlich? Beim Stuttgarter
Dreikönigstreffen hat zumindest Westerwelle für die Liberalen eine
Antwort gegeben. Die FDP strebt eine "geistig-politische Wende" an.
Soll heißen: mehr bürgerliche Entscheidungsfreiheit, aber auch mehr
Selbstverantwortung; weniger Staatsbevormundung und damit weniger
staatliche Rundumversorgung.
Eine Antwort, die die sich noch als Volkspartei fühlende CDU und in
Bayern die CSU schwerlich mittragen wollen. Beide müssen, anders als
die Liberalen, die unverändert vor allem die "Besserverdiener" im
Auge haben, auf Gesamtvolkes Stimme hören. Die ist nach neuen
Umfragen mehrheitlich sogar eindeutig gegen Steuersenkungen. Kein
anderes Ergebnis ist zu erwarten, wenn demnächst bei der
Gesundheitsreform die FDP auf eine größere Selbstbeteiligung der
Patienten pochen wird.
Wo so viel weniger zusammenpasst als vorab vollmundig versprochen,
ist starke Führung gefragt. Die lässt Angela Merkel als Chefin des
Dreierbündnisses vermissen. Sie muss endlich intern wie nach außen
klarmachen, was sie will, wofür sie steht. Ihr Politikansatz der
kleinen Schritte lässt keine klare Richtung erkennen. Zunehmend
ratlos sind deshalb eigene Parteimitglieder wie Wähler. Dieses
Führungsvakuum machen sich andere nutzbar - von Westerwelle über
Seehofer bis zu den CDU-Landesfürsten.
Die Bundeskanzlerin muss aus der Deckung. Sie muss den Konflikt
riskieren. Sie muss dieser Koalition endlich Richtung und Ziel
weisen. Anderenfalls hat die Regierung die Unterstützung der
Deutschen wieder verloren und damit schneller als gedacht die Macht
schon wieder verspielt. Darüber sollten allerdings auch Westerwelle
und Seehofer vor dem gemeinsamen Krisenmahl mit der Kanzlerin noch
einmal gründlich nachdenken.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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