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Südwest Presse: Kommentar zu Afghanistan

Geschrieben am 08-09-2009

Ulm (ots) - Die Bundeswehr - daran muss gelegentlich erinnert
werden - ist eine Parlamentsarmee. Nur mit einem von der Mehrheit des
Bundestages abgesegneten Mandat dürfen deutsche Soldaten zur
Friedensicherung oder Bekämpfung des Terrorismus eingesetzt werden,
wie seit 2002 in Afghanistan. Daher verbietet sich auch die Frage, ob
dieses hochsensible Thema nicht aus dem Wahlkampf herausgehalten
werden sollte. Natürlich gehört die Debatte über den Sinn und das
Ziel der internationalen Militärmission nicht nur auf die
Tagesordnung der letzten Plenarsitzung vor dem Ende dieser
Legislaturperiode, sondern auch auf die Agenda der konkurrierenden
Parteien. Die Wähler wollen schon wissen, wie es nach dem 27.
September weiter geht mit der Bundeswehr am Hindukusch.
Bis vor wenigen Tagen gab es zwischen Union und SPD ein
unausgesprochenes Stillhalteabkommen, mit dem sich die
Koalitionspartner verpflichteten, in diesen Wochen auf den
Marktplätzen der Republik nicht offen darüber zu streiten, wann der
richtige Zeitpunkt für den Abzug unserer Soldaten aus dem Norden
Afghanistans gekommen sei. Dieses wahltaktisch begründete Kalkül ist
durch den Bombenangriff auf die von den Taliban gekaperten Tanklaster
zerstört worden. Dass dabei unschuldige Zivilisten zu Tode kamen, ist
eine Tragödie und erhöht den Druck auf die politisch Verantwortlichen
in Berlin.
Doch auch nach der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin sind die
meisten Fragen nach einem abgestimmten Konzept für das Ende des
militärischen Engagements in Afghanistan offen geblieben. Nun rächt
sich, dass Angela Merkel allzu lange wie eine Katze um den heißen
Brei herumgeschlichen ist, sobald die Folgen des fernen Krieges für
Unruhe an der Heimatfront sorgten. Entweder überließ sie ihrem
Verteidigungsminister das Feld oder wiegte sich in der trügerischen
Sicherheit einer weithin konfliktfreien Zusammenarbeit mit ihrem
Außenminister.
Nach der Eskalation vom vergangenen Freitag aber ist es der Kanzlerin
nicht mehr möglich, sich irgendwie durchzuwursteln, schon wegen der
internationalen Kritik am Einsatzbefehl des Bundeswehr-Kommandeurs.
Hinzu kommt, dass Franz Josef Jung als Selbstverteidigungsminister
eine klägliche Figur abgibt und der Opposition auch gestern im
Parlament wieder eine große Angriffsfläche bot.
Insgesamt entsteht so das Bild einer Regierung, deren Chefin zwar die
Flucht nach vorn ins Ungefähre antritt und zu einer Krisenkonferenz
über Afghanistan aufruft, doch jeden konkreten Hinweis darauf
verweigert, welchen konstruktiven Beitrag für die angestrebte
"Exit-Strategie" die Deutschen dabei leisten wollen.
Mit allgemeinen Erklärungen über die humanitäre Komponente des
Kampfeinsatzes und der abstrakten Formel von der "vernetzten
Sicherheit" lassen sich weder die wachsende Kritik der Bevölkerung am
Krieg gegen die Taliban noch die aggressiver werdenden
Wahlkampf-Parolen der Linkspartei entkräften. "Raus aus Afghanistan"
- diese Losung ist so wohlfeil wie falsch, denn das wäre die
Kapitulation der zivilisierten Welt vor terroristischer Gewalt und
rückwärtsgewandter Ideologie.
Allerdings muss die Alternative dazu mehr bieten als die
gebetsmühlenartig wiederholte Behauptung, Deutschlands Sicherheit
werde auch am Hindukusch verteidigt. Acht Jahre nach Einsatzbeginn
ist es Zeit für einen verantwortbaren Rückzugsplan. Darauf haben die
Bundeswehrsoldaten und ihre Familien ebenso Anspruch wie die
Wahlbürger, die gerade in dieser Frage Klarheit haben wollen, bevor
sie die Parteien mit einem neuen Mandat für die nächsten vier Jahre
ausstatten.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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