 Westdeutsche Zeitung: Wir werden Brasilien = Von Michael Hammes
Geschrieben am 21-06-2006 |
Düsseldorf (ots) - Deutschland trägt Schwarz-Rot-Gold - die
"Vereinsfarben" der Nationalmannschaft. Das Land ist euphorisch.
Alles dreht sich um den Fußball. Da sind wir mittlerweile so schön
irrational-verrückt wie die Menschen in Brasilien oder Argentinien:
Wir verehren unsere Helden in kurzen Hosen, feiern überschwänglich
den Sieg über die B-Auswahl eines Andenstaates und bekommen nicht
mit, dass sich Deutschland auf einem ganz gefährlichen Weg befindet.
Im Euphorie-Schatten der WM hat sich die gierige schwarz-rote
Equipe daran gemacht, die Menschen nach allen Regeln der Kunst
auszuplündern: Nach der größten Steuererhöhung aller Zeiten droht
jetzt mit einer Einheitskrankenkasse die teuerste Gesundheitsreform,
die die Welt je gesehen hat: ein achtprozentiger Soli-Zuschlag auf
die Einkommenssteuer oder drei zusätzliche Prozentpunkte auf die
Einkommenssteuersätze unter Einbeziehung aller Einkünfte wie Mieten
und Zinsen; eine Beitragserhöhung um fast 50 Prozent für viele
Angestellte durch eine massive Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze
für die Krankenversicherung - dadurch eine blitzartige Verteuerung
der Personalkosten um bis zu 30 Prozent; erheblich höhere Beiträge
für Privatversicherte. Am liebsten würde die Regierung auf ihrem
Raubzug auch noch die fast 90 Milliarden Altersrücklagen der
Privatkassen einsacken.
Weil das interessierte Publikum vom Fußball geradezu betäubt ist,
lässt es Merkel, Schmidt und Co. beim Total-Umbau Deutschlands
gewähren, der uns als "Modernisierung" verkauft wird. Fast scheint's,
als wären auch hier Brasilien und Argentinien das Vorbild: Immer mehr
Menschen mit immer weniger Geld, dazu ein paar Superreiche, die das
Leben im Ausland genießen - und dazwischen nichts.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung
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