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LVZ: Schwarzer Freitag

Geschrieben am 13-06-2008

Leipzig (ots) - Von Knut Pries
Mit dem Scheitern des irischen Referendums über den Lissabon-Vertrag
steckt die Europäische Union in einer noch größeren Krise als 2005
nach der Ablehnung der Verfassung durch die Franzosen und Holländer.
Es ist sowohl eine Vermittlungs- wie eine Gestaltungskrise. Die
politischen Führungen der Mitgliedstaaten sind nicht mehr in der
Lage, ihren Bürgern zu vermitteln, was sie - zu Recht - für einen
Fortschritt halten. Und ihnen fällt nicht mehr ein, wie sie die
gemeinsame Organisation modernisieren, das heißt veränderten
politischen Erfordernissen anpassen können. Sie sind an diesem
schwarzen Freitag in Europa mit ihrem Latein am Ende.
Natürlich handelt es sich auch um ein irisches Problem. Die Insel ist
der einzige EU-Staat, der per Verfassung gehalten ist, EU-Verträge
den Bürgern vorzulegen. Von denen dann weniger als die Hälfte von
ihrem Stimmrecht Gebrauch macht, während ein gut Teil der anderen
nicht wirklich weiß, worum es geht, oder sich darum nicht schert,
sondern die Gelegenheit nutzt, dies oder jenes Hühnchen mit der
Regierung zu rupfen. Was beim Hühnchen-Rupfen heraus kommt, bestimmt
wesentlich, wie durchschlagskräftig der politische Verbund einer
halben Milliarde Menschen ist. Wirksamer kann man der Demokratie
keinen Rufschaden verpassen.
Eingeschränkte Demokratietüchtigkeit und Führungsversagen der
politischen Klasse sind aber nicht auf Dublin beschränkt. Paris und
Den Haag haben sich 2005 nicht geschickter angestellt, und die
Vermutung ist nur zu berechtigt, dass auch in anderen Ländern bei
einer Volksabstimmung über einen neuen Grundvertrag die Kritiker
siegen würden.
Dass es sich nicht um eine, wenn auch besonders peinliche, punktuelle
Panne, sondern um einen grundsätzlichen Mangel handelt, ergibt sich
aus der Vorgeschichte. Die gleicht einer Serie von Fehlschlägen. Erst
kam der Nizza-Vertrag, der ebenfalls die irische Hürde im ersten
Anlauf riss und schon bei der Verabschiedung erkennbar
nachbesserungsbedürftig war. Es folgte die Verfassung, die in
Frankreich und den Niederlanden durchfiel. Und jetzt ist der irische
Schlamassel perfekt.
Dabei haben es die Iren mit der Regierungskonferenz versucht und mit
einem Referendum, an dem sich alle Bürger beteiligen können. Einmal
hatten sie die Verfassung mit Goldkante im Angebot, dann die
Sparversion mit dem Lissabonner Mini-Vertrag. Nichts davon hat
funktioniert.
Insofern geht es nicht mehr um Plan B oder Plan C - die haben wir
schon gehabt. Auch eine Schadensbegrenzung durch den Abschluss der
Ratifizierung in den 26 anderen EU-Staaten reicht nicht. Nötig ist
zudem eine Generalrevision der Verfahren. Die institutionelle
Fortentwicklung der EU muss davon unabhängig gemacht werden, wie hoch
zufällig gerade der Verdrossenheitspegel in einem Mitgliedstaat ist.
Jenseits der Geschäftsordnungsfragen müssen hingegen die Bürger
stärker an der politischen Ausrichtung ihrer Union beteiligt werden.
Ob beides noch im Großverbund aus 27 Ländern möglich ist oder nur
mehr in einer Kerneuropa-Koalition der Willigen, ist seit diesem
schwarzen Freitag mehr denn je eine offene Frage.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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