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Vorwürfe gegen Ermittler: Neue Wendung in der sogenannten BAMF-Affäre

Geschrieben am 10-11-2020

Hamburg (ots) - In der sogenannten Bremer BAMF-Affäre steht jetzt der Verdacht im Raum, dass Ermittlungsbeamte das Verfahren unzulässig aufgebauscht und nicht objektiv geführt haben. Ein anonymer Hinweisgeber hat sich nach Informationen von NDR und Süddeutscher Zeitung (SZ) im Juni 2020 an das Landgericht in Bremen gewandt. Er habe zur Ermittlergruppe in der "BAMF-Affäre" gehört, teilt er darin mit und erhebt schwere Vorwürfe gegen seine Kollegen. Die Ermittlungen seien einseitig geführt und entlastende Dokumente nicht berücksichtigt worden, soll es in dem Schreiben heißen. Gegenüber NDR und SZ bestätigte die Staatsanwaltschaft Bremen, dass sie deswegen ein Verfahren gegen Unbekannt wegen Urkundenunterdrückung eingeleitet habe.

Bei den Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Bremen ging es um den Vorwurf, dass Ulrike B., die ehemalige Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), gemeinsam mit mehreren Anwälten Hunderten Asylsuchenden - zumeist Jesiden aus Syrien - zu Unrecht positive Asylbescheide ausgestellt haben solle. Zu Spitzenzeiten waren mehr als 40 Beamte in der Ermittlergruppe tätig. Nach Informationen von NDR und SZ behauptet der anonyme Hinweisgeber, entlastende Emails der Beschuldigten Ulrike B. seien absichtlich nicht zu den Akten genommen worden. Als sich im Laufe der Ermittlungen herausgestellt habe, dass die allermeisten der untersuchten Fälle rechtlich nicht zu beanstanden gewesen seien, habe sich in der Ermittlungsgruppe "Verzweiflung" breit gemacht, soll es in dem Schreiben wörtlich heißen. Die Ergebnisse hätten nicht zu den erhobenen Vorwürfen gepasst.

Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft sei man daher dazu übergegangen, ehemalige Asylsuchende persönlich zu befragen, um möglicherweise dadurch zu "belastenden Sachverhalten zu kommen". Der Hinweisgeber soll zudem den Verdacht äußern, dass sich die Ermittlungen gezielt auf türkischstämmige Anwälte konzentriert hätten. In dem Schreiben soll er fragen, ob Rassismus dafür ein Grund gewesen seien könnte.

Die sogenannte BAMF-Affäre hatte im Sommer 2018 bundesweit Schlagzeilen gemacht. Damals hatte die Staatsanwaltschaft Bremen Ermittlungen gegen Ulrike B. sowie mehrere Anwälte wegen bandenmäßiger Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung in rund 1200 Fällen eingeleitet. Die Beschuldigten sollen Asylsuchende gezielt zum BAMF nach Bremen gebracht haben. Mit Hilfe der Amtsleiterin hätten sie dort dann zu Unrecht positive Asylbescheide erhalten. Recherchen von NDR und SZ zeigten später, dass die Ermittlungen unter anderem auf fehlerhaften Berichten der internen Revision der BAMF-Zentrale in Nürnberg beruhten

Im September 2019 hatte die Staatsanwaltschaft Bremen von den ursprünglich in Rede stehenden rund 1200 Verfahren 121 zur Anklage gebracht. Das Landgericht Bremen lehnte am vergangenen Freitag, 6. November, eine Hauptverhandlung gegen die ehemalige Leiterin des BAMF Bremen sowie einen der Anwälte in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle ab. Das Gericht ließ lediglich einige wenige Punkte zu. Gegen einen weiteren Anwalt konnte das Gericht keinen hinreichenden Tatverdacht feststellen und hat die Anklage gegen ihn insgesamt abgelehnt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. In dem Beschluss sei das etwaige anonyme Schreiben nicht thematisiert worden, teilte das Landgericht mit.

Lea Voigt, die Verteidigerin von Ulrike B., fordert, die Vorwürfe aus dem anonymen Schreiben müssten aufgeklärt werden. "Problematisch ist, dass bis heute aus der genauen Zusammensetzung der Ermittlungsgruppe ein Geheimnis gemacht wird. Es muss jetzt offen gelegt werden, wer ihr angehört hat, und alle beamteten Mitarbeiter des BAMF und polizeilichen Mitglieder und die Sachbearbeiter der Bremer Staatsanwaltschaft müssen zu dem Schreiben und den darin beschriebenen Missständen befragt und zur Abgabe dienstlicher Erklärungen veranlasst werden", so Voigt.

Henning Sonnenberg, der Verteidiger des beschuldigten Anwalts, kritisiert die Ermittlungsarbeit der Bremer Staatsanwaltschaft scharf. "Was in dem anonymen Schreiben geschildert wird, entspricht genau den Befürchtungen, die ich gegenüber der Generalstaatsanwältin Bremen im Mai 2019 bereits vorgetragen habe. Da habe ich nämlich geschrieben, dass ich davon ausgehe, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in höchstem Maße unfair sind, dass im Vorfeld Täter markiert worden sind und anschließend die Taten gesucht werden, die man den Leuten anhängen kann", so Sonnenberg.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Bremen, Frank Passade, teilte zum neuen Ermittlungsverfahren mit, es seien bereits erste Zeugen dazu vernommen worden. Zum Stand der Ermittlungen könne sich die Staatsanwaltschaft nicht weiter äußern, da noch viele Befragungen ausstünden. Die Tatsache, dass ausgerechnet die Staatsanwaltschaft Bremen nun gegen ihre eigene Ermittlungsgruppe und deren Vorgehensweise ermittelt, kritisieren die Anwälte der Beschuldigten. Es "versteht sich von selbst", , dass "die Bremer Staatsanwaltschaft aufgrund ihrer Beteiligung an den Ermittlungen dafür denkbar ungeeignet ist", so Lea Voigt.

Die 2018 begonnenen Ermittlungen gegen die BAMF-Mitarbeiterin hatten auch deshalb für großes Aufsehen gesorgt, weil sie vor dem Hintergrund des Streits um die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung geführt wurden. In der Folge entließ Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die BAMF-Präsidentin, Jutta Cordt.

Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) hatte BAMF-Mitarbeitern vorgeworfen, "hochkriminell und bandenmäßig" gehandelt zu haben. Das Bremer Verwaltungsgericht untersagte dem Politiker später, diese Behauptung zu wiederholen.

Im Zuge der sogenannten BAMF-Affäre ließ das Bundesinnenministerium 18.000 positiv entschiedene Asylverfahren aus Bremen überprüfen, ohne auf besondere Auffälligkeiten zu stoßen. Die Anzahl der widerrufenen oder zurückgenommenen Bescheide lag in Bremen auf einem ähnlichen Niveau wie die Zahl der insgesamt bundesweit widerrufenen Verfahren.

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