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Geschäft mit Fragezeichen / Leitartikel von Dominik Bath zum Berliner Stromnetz

Geschrieben am 23-10-2020

Berlin (ots) - Kurzform: Rot-Rot-Grün verspricht zwar, dass für den Kauf des Energienetzes keine Haushaltsmittel aufgewendet werden müssen. In jedem Fall sollte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) vor der Zusage an Vattenfall genaue Kalkulationen vorlegen. Auch für den Fall, dass sich Rahmenbedingungen auf den Finanz- und Kapitalmärkten verändern, muss das dann landeseigene Stromnetz-Unternehmen in der Lage sein, die fälligen Kredite zu bedienen. Denn, wenn am Ende der Steuerzahler in Mithaftung für die Rekommunalisierung genommen werden müsste, wäre der Deal schlecht für alle Berliner. Nirgendwo steht darüber hinaus geschrieben, dass eine Stromnetzinfrastruktur beständig Gewinne abwerfen muss. Ob das auch in den kommenden Jahrzehnten stets der Fall sein wird, ist zumindest fraglich.

Der vollständige Leitartikel: Geht alles gut, kann das Land Berlin sich selbst ein Weihnachtsgeschenk unter den Tannenbaum legen: Denn der Energiekonzern Vattenfall will einen Schlussstrich unter den jahrelangen Rechtsstreit mit dem Senat um das Stromnetz der Hauptstadt ziehen. Überraschend hatte er am Freitag dem Land angeboten, sämtliche Anteile an der Infrastruktur zu erwerben. Der Deal - wenn er denn zustande kommt - soll im neuen Jahr rückwirkend zum 1. Januar gelten. Eine Einigung scheint also nah zu sein. Vattenfall-Chef Magnus Hall sprach davon, "einen Ausweg aus der verfahrenen Situation finden" zu müssen. Das juristische Tauziehen um das Netz hat Nerven und viel Geld gekostet. Dass in dieser Hinsicht ein Ende greifbar ist, ist eine gute Nachricht, allerdings auch eine teure. Einen niedrigen einstelligen Milliardenbetrag dürfte es Berlin kosten, das Stromnetz ganz zu übernehmen. Gerade in Zeiten der durch die Corona-Krise ungeplanten Ausgaben sollte der Senat die Finanzierung daher nicht auf die leichte Schulter nehmen. Rot-Rot-Grün verspricht zwar, dass für den Kauf des Energienetzes keine Haushaltsmittel aufgewendet werden müssen. Zumindest die Opposition bezweifelt aber, dass diese Rechnung aufgeht. Sie befürchtet Mehrkosten für den Steuerzahler. In jedem Fall sollte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) vor der Zusage an Vattenfall daher genaue Kalkulationen vorlegen. Auch für den Fall, dass sich Rahmenbedingungen auf den Finanz- und Kapitalmärkten verändern, muss das dann landeseigene Stromnetz-Unternehmen in der Lage sein, die fälligen Kredite zu bedienen. Denn, wenn am Ende der Steuerzahler in Mithaftung für die Rekommunalisierung genommen werden müsste, wäre der Deal schlecht für alle Berliner. Nirgendwo steht darüber hinaus geschrieben, dass eine Stromnetzinfrastruktur beständig Gewinne abwerfen muss. Ob das auch in den kommenden Jahrzehnten stets der Fall sein wird, ist zumindest fraglich. In jedem Fall kommt auf ein landeseigenes Stromnetzunternehmen ein gewisser Spagat zu: Einerseits muss der Kaufpreis jahrzehntelang abgestottert, andererseits muss gleichzeitig das Netz fit für die steigenden Anforderungen gemacht werden. Denn in Zeiten, in denen der Strom vor allem dezentral, also an vielen Orten und aus unterschiedlichen Quellen erzeugt wird, steigen die Belastungen auf die Stromnetz-Infrastruktur. Nur schwer lässt sich die Wirtschaftlichkeit dabei über etwaige Preiserhöhungen sicherstellen. Denn die Stromnetze unterliegen in Deutschland der Regulierung durch die Bundesnetzagentur. Als ein Trugschluss könnte sich daher auch die Erwartung erweisen, dank einer landeseigenen Stromnetzinfrastruktur große Schritte in den Bereichen Energiewende und Umweltschutz unternehmen zu können. Regulatorisch denkbar ist es zwar, Netz und Vertrieb durch die Stadtwerke unter einem Dach zu vereinen. Beide Teile müssen aber getrennt und unabhängig voneinander arbeiten. Die Antwort, inwieweit ein landeseigenes Stromnetz zu einer beschleunigten Energiewende führen soll, ist der Senat zudem bislang schuldig geblieben. Auch nach einem Stromnetz-Deal mit Vattenfall wird Berlin daher weiter in Solardächer auf Häusern, Dämmung in Gebäuden, das Umrüsten von Heizungen oder Windparks investieren müssen. Hiermit hat die Landesregierung erst in den vergangenen Jahren verstärkt begonnen. Doch der Weg zu einer CO2-ärmeren Gesellschaft ist noch weit. Berlin muss daher darauf achten, bei künftigen Entscheidungen die richtigen Prioritäten zu setzen. Dazu gehört auch, bei einem Stromnetz-Kauf Kosten und Nutzen genau abzuwägen.

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