(Registrieren)

Einfach mal Kasse machen/Nicht nur die SPD hat Ärger mit ihren Altvorderen, die auf lukrative Posten wechseln. Das kann den Frust über Politiker gewaltig schüren. Von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 24-01-2020

Regensburg (ots) - Es ist richtig, der einstige Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar
Gabriel verstößt mit seinem Eintritt in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank
nicht gegen das Gesetz. Der Niedersachse, der vielleicht der letzte
Parteivorsitzende von Format der vergangenen Jahre war, hat sich an die
vorgeschriebene Karenzzeit gehalten, bevor er demnächst auf den lukrativen
Posten wechseln wird. Doch politisch wie moralisch ist Gabriels Seitenwechsel
ziemlich verheerend. Denn er bedient in beinahe exemplarischer Weise das
Vorurteil von den Raffkes in der Politik, die nach der Karriere endlich mal
Kasse machen wollen. Gabriel, der auch ohne den Bankposten nicht zum Sozialfall
werden würde, hat seiner Partei und dem Ansehen der politischen Klasse insgesamt
einen schlechten Dienst erwiesen. Natürlich denkt in diesem Zusammenhang jeder
sofort an Gerhard Schröder. Der Ex-Kanzler bessert seine nicht unbeachtlichen
Altersbezüge als Regierungschef durch satte Zuwendungen der russischen
Gasindustrie auf. Allerdings auch Schröders Wechsel in die Gasindustrie war
seinerzeit legal. Ein Gesetz, dass einem solchen Übergang in die Wirtschaft
strengeren Regeln unterwarf, etwa eine Art Abkling- oder Karenzzeit, gab es
damals noch nicht. Doch bei aller berechtigter Entrüstung sollte man nicht
vergessen, auch Politiker und Politikerinnen sind keine barmherzigen,
altruistischen Samariter. Statt den letzten Mantel zu teilen, ergreifen sie
häufig die Gelegenheit beim Schopfe, wenn irgendwo so richtig viel Geld verdient
werden kann. Darin unterscheiden sie sich freilich kaum von Managern,
Fußballprofis, Anwälten - nun ja, von ganz normalen Menschen. Verzicht und
Askese sind nicht jedermanns Sache. Vor allem dann nicht, wenn, wie viele
glauben, von der Höhe des Bankkontos die Wertschätzung des jeweiligen Menschen
abhinge, was falsch ist. Der unter dem neuen Führungsduo Walter-Borjans/Esken
weit nach links gerückten SPD fallen Wechsel von Altvorderen auf lukrative
Posten in der Wirtschaft jedenfalls besonders auf die Füße. Noch dazu klebt
ihnen der selbsternannte Islam-Kritiker Thilo Sarrazin wie Kaugummi unter den
Schuhsohlen. Doch selbst wenn die Fälle Schröder, Gabriel, aber auch andere
Wechsel von SPD-Größen aus der Politik in andere Bereiche wie ein Problem der
gebeutelten Sozialdemokraten erscheinen, ist dieses Phänomen nicht auf diese
Partei beschränkt. Die ehemalige CDU-Staatsministerin im Kanzleramt Hildegard
Müller wird bald Präsidentin des mächtigen Automobilverbandes. An der Spitze der
Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände steht Ex-Finanzstaatssekretär Steffen
Kampeter, ebenfalls CDU. Der frühere Außenminister Joschka Fischer berät seit
Jahren den Autobauer BMW. Überhaupt werden Grünen-Politiker, die offenbar vom
derzeitigen Aufwind ihrer Partei und der Erwartung profitieren, sie würden in
absehbarer Zeit in die Regierung kommen, von Wirtschaft und Verbänden gesucht,
teilweise sogar hofiert. Dabei gehen Grüne nicht nur, wie man vermuten könnte,
in Verbände und Unternehmen, die für Umweltschutz, für Ökoenergie - wie die
Ex-Parteichefin Simone Peter - eintreten. Erst jüngst hat der Postdienstleister
DHL mit dem grünen Staatssekretär Volker Ratzmann aus Baden-Württemberg einen
neuen Cheflobbyisten angeheuert. Nicht überraschend sind dagegen Abgeordnete von
der FDP und erst Recht von Linken und von der AfD kaum oder gar nicht für
Lobbyposten gefragt. Wechsel in die Wirtschaft haben also immer zwei Seiten. Es
muss auch ein Bedarf bei Unternehmen und Verbänden bestehen, solche bestens
vernetzten Leute auf die Gehaltsliste zu nehmen.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62544/4502052
OTS: Mittelbayerische Zeitung

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

718871

weitere Artikel:
  • Mitteldeutsche Zeitung zu Deutsche Bank und Sigmar Gabriel Halle (ots) - Darf er das? Politikern wird oft vorgeworfen, dass sie außer Politik nichts können und später auf öffentliche Versorgungsjobs angewiesen sind. Ein Leben auf Kosten der Steuerzahler. Gabriel geht den anderen Weg. Seine Übergangsgelder aus Ministeramt und Abgeordnetenmandat werden mit seinen privaten Einnahmen verrechnet. Der Ex-Vizekanzler lebt künftig auf Kosten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, wo er einen Beiratsposten hat, eines Großverlages, für den er Kolumnen schreibt und eben eines Geldhauses, in dessen Aufsichtsrat mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung zu Nazi-Bier Halle (ots) - Es gibt kein einfaches Mittel gegen Hass und Hetze. Und auch keine schnellen Erfolge. Nazis und ihre Helfershelfer und Wegbereiter haben in den vergangenen Jahren geschickt Vorbehalte und Ängste genutzt und geschürt und planvoll immer weiter die Grenzen des Sagbaren und gesellschaftlich Akzeptierten nach rechts verschoben. Ihr größter Erfolg ist wohl, dass Nazis nun Rechtspopulisten oder Wutbürger heißen und damit verschleiert wird, wes Geistes Kind sie sind. Deshalb hier zu Schock und Scham noch kleine, praktische Vorschläge mehr...

  • Merkel-Besuch bei Erdogan: "Eine außenpolitische Bankrotterklärung" Frankfurt/Main (ots) - Bundeskanzlerin Merkel hat nach ihrem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan erklärt, die Türkei bei der Versorgung von Flüchtlingen in Nordsyrien zu unterstützen und darüber hinaus die türkische Küstenwache stärken zu wollen, die erst vor wenigen Tagen mit dem Rammen eines Flüchtlingsbootes für Schlagzeilen sorgte. Anita Starosta, Referentin für Syrien und Türkei bei der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international, bezeichnete Merkels Erklärung als "einen Tabubruch, der sich lange angekündigt mehr...

  • Daueraufreger Schulreinigung / Kommentar von Susanne Leinemann Berlin (ots) - In den Berliner Verwaltungen gibt es inzwischen ein Bewusstsein dafür, dass bei der Schulreinigung etwas gründlich schief gelaufen ist. Zu lange hieß das Motto: Hauptsache billig. Der Preis dafür war viel zu hoch: Schüler ekeln sich vor den Toiletten, Lehrer fühlen sich in ihrer Arbeit nicht wertgeschätzt, weil alles so schmutzig ist, und Reinigungskräfte verrichten lieblos ihre Arbeit, weil sie extrem schlecht bezahlt sind und oft kein Verhältnis zur Schule haben. Die Senatsverwaltung empfiehlt den Bezirken nun die "Einführung mehr...

  • Neustart mit Erdogan / Leitartikel von Michael Backfisch Berlin (ots) - In den deutsch-türkischen Beziehungen ist ein neues Kapitel aufgeschlagen worden. Beim Treffen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag in Istanbul war wenig von Schärfe und viel von Kooperation zu spüren. Erdogan bezeichnete Merkel als "geschätzte Freundin" - ein ungewohnter Zungenschlag. Die Kanzlerin revanchierte sich mit einem breit gefächerten Angebot der Zusammenarbeit. Auf den Konferenztischen lag der Samthandschuh. Dies alles ändert nichts an den großen sachlichen mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht