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Wohnungskrise 2020: Schnelle, umfassende und radikale Lösungen notwendig / 12 Forderungen des Deutschen Mieterbundes für eine soziale und nachhaltige Wohnungspolitik

Geschrieben am 21-01-2020

Berlin (ots) - Die Wohnungskrise in Deutschland spitzt sich immer weiter zu.
Etwa 1 Million Wohnungen fehlen, insbesondere in den Großstädten,
Ballungszentren und Universitätsstädten. Die Bestands- und
Wiedervermietungsmieten erreichen Rekordniveau. Fast die Hälfte der Mieter in
Großstädten hat Angst, die Miete künftig nicht mehr zahlen zu können. Der
Wohnungsneubau stagniert und schafft keine Entlastung für die extrem
angespannten städtischen Wohnungsmärkte. Von den knapp 300.000 neu gebauten
Wohnungen im letzten Jahr sind nur etwa ein Drittel klassische Mietwohnungen und
weniger als ein Zehntel bezahlbare Sozialwohnungen.

"Wohnen muss für Mieter bezahlbar sein und bleiben", forderten der Präsident des
Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, und die DMB-Bundesdirektorin
Melanie Weber-Moritz auf einer Pressekonferenz in Berlin. "Notwendig sind jetzt
schnelle, umfassende und auch radikale Lösungen, mit denen die extremen
Mietpreissteigerungen und die Mieterverdrängung gestoppt werden, Spekulationen
mit Grund und Boden verhindert und der Neubau bezahlbarer Wohnungen deutlich
gesteigert werden können. Der Markt - das zeigen die letzten Jahre - kann und
wird die Wohnungs- und Mietenprobleme nicht lösen. Wir brauchen mehr staatliches
Engagement, umfassende öffentliche Förderung und mehr gesetzliche Leitplanken,
das heißt Ordnungsrecht, auf den Wohnungsmärkten."

12 Forderungen für eine sozialgerechte und nachhaltige Wohnungspolitik

1. 2 Millionen Sozialwohnungen bis zum Jahr 2030

Der Bestand an Sozialwohnungen von derzeit 1,2 Millionen muss bis zum Jahr 2030
auf mindestens 2 Millionen aufgestockt werden. Dazu müssen pro Jahr 80.000 neue
Sozialwohnungen gebaut und für 75.000 bestehende Wohnungen Preis- und
Sozialbindungen geschaffen werden. Hierfür müssen Bund und Länder mindestens 6,5
Milliarden Euro an Fördermitteln pro Jahr zur Verfügung stellen.

2. 60.000 neue bezahlbare Mietwohnungen pro Jahr bauen

Neben Sozialwohnungen müssen pro Jahr 60.000 neue, auch für Normalverdiener
erschwingliche Mietwohnungen gebaut werden. Der Staat muss dies durch
Steuererleichterungen im Umfang von 3 Milliarden Euro fördern. Im Gegenzug zur
Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen müssen in diesen Wohnungen
Mietobergrenzen eingehalten werden.

3. Bestand an öffentlichen Wohnungen erhöhen

Der Bestand an öffentlichen Wohnungen, das heißt Wohnungen von Bund, Länder und
Kommunen, muss deutlich erhöht werden. Die Wiedereinführung eines gemeinnützigen
Wohnungssegments mit dauerhaften Sozialbindungen der Wohnungsunternehmen und
damit der Wohnungsbestände muss vorangetrieben werden.

4. Bauland mobilisieren - Bodenspekulation verhindern

Kommunen müssen verstärkt Bauland ausweisen, Bodenvorratspolitik betreiben und
Grundstücke aufkaufen. Öffentlicher Grund und Boden muss dauerhaft öffentlich
bleiben. Bund und Länder sollten Grundstücke und Bauland nur an die Kommunen
verkaufen dürfen. Kommunen dürfen Grundstücke nur noch in Erbpacht vergeben,
vorrangig für den Bau von Sozial- bzw. bezahlbaren Mietwohnungen. Sie müssen ein
gesetzliches Vorkaufsrecht für Grundstücke in ihrer Gemeinde erhalten.
Baugenehmigungen sind zeitlich zu begrenzen, Baugebote auszusprechen,
Spekulationsgewinne abzuschöpfen.

5. Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen stoppen

Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen führen in aller Regel zu einer
Mieterverdrängung bzw. zu enormen Preissteigerungen. Das bisherige
Umwandlungsverbot für Milieuschutzgebiete muss ausgeweitet werden auf alle
angespannten Wohnungsmärkte. Eine Genehmigung für eine Umwandlung darf es nur
noch in engen Ausnahmefällen geben.

6. Kündigungsschutz verbessern

Als Kündigungsgründe für Vermieter dürfen nur Vertragsverletzungen des Mieters,
Eigenbedarf und wirtschaftliche Verwertung in Betracht kommen. Eigenbedarf ist
dahingehend zu konkretisieren, dass der Vermieter nur kündigen darf, wenn er
oder ein naher Familienangehöriger die Wohnung dauerhaft zu Wohnzwecken nutzen
will. Kündigungen wegen Mietschulden (Zahlungsverzug) müssen durch Nachzahlung
der offenstehenden Mieten innerhalb einer Schonfrist abgewendet werden können.
Was heute schon für die fristlose Kündigung gilt, muss auch für die ordentliche
Kündigung mit Kündigungsfrist gelten.

7. Mietenstopp für Bestandsmieten

Mieterhöhungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete müssen wirksam begrenzt
werden, zum Beispiel durch die Absenkung der Kappungsgrenze, wonach
Mieterhöhungen innerhalb von 3 Jahren nur noch um 6 Prozent zulässig sind, oder
durch eine Regelung, dass die Mieten nur noch in Höhe der Inflationsrate steigen
dürfen.

8. Mietpreisbremse scharf stellen

Wiedervermietungsmieten müssen generell bei 10 Prozent oberhalb der ortsüblichen
Vergleichsmiete gedeckelt werden. Die Bestimmung muss bundesweit gelten,
Ausnahmen, wie die Regelung zur Vormiete, sind zu streichen.

9. Mietwucher bestrafen

Vermieter, die eine Miete fordern, die mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen
Vergleichsmiete liegt, begehen eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße
zu ahnden ist. Dieses Gesetz gibt es schon seit Jahren. Für die Praxis ist es
aber unanwendbar, weil weitere Voraussetzung die Ausnutzung einer Zwangslage des
Mieters ist. Der Bundesrat hat auf Initiative Bayerns vorgeschlagen, die
Voraussetzung "Ausnutzen" aus dem Gesetz zu streichen. Der Bundestag muss nur
noch zustimmen.

10. Modernisierungen sozialverträglich gestalten - Mieterhöhungsspielräume
begrenzen

Nach geltendem Recht kann der Vermieter 8 Prozent seiner Modernisierungskosten
zeitlich unbefristet auf die Jahresmiete umlegen, maximal 2 bzw. 3 Euro pro
Quadratmeter und Monat. Die hieraus resultierenden Preissteigerungen sind für
die meisten Mieter nicht bezahlbar. Die Modernisierungsumlage muss auf höchstens
4 Prozent abgesenkt werden bzw. ganz entfallen. Mieterhöhungen aufgrund von
Wohnwertverbesserungen oder gestiegener Energieeffizienz können dann über die
ortsübliche Vergleichsmiete geltend gemacht werden.

11. Öffentliche Förderung bei Modernisierungen umgestalten und aufstocken

Insbesondere die energetische Modernisierung des Gebäudebestandes ist
unverzichtbar. Um Vermietern einen Anreiz zu geben, zu modernisieren, bei
gleichzeitiger Einschränkung der Mieterhöhungsmöglichkeiten, ist eine
Aufstockung und der Umbau des öffentlichen Fördersystems notwendig. Die
öffentliche Förderung sollte direkt an den Vermieter ausgezahlt werden und der
dürfte nicht länger verpflichtet sein, die öffentliche Förderung auf die
Modernisierungskosten anzurechnen. Um die Klimaschutzziele, das heißt einen
nahezu klimaneutralen Gebäudebestand bis zum Jahr 2050, zu erreichen, muss die
jährliche Sanierungsquote auf 2 bis 3 Prozent angehoben werden. Dazu werden
öffentliche Fördermittel von mindestens 10 Milliarden Euro im Jahr notwendig
sein.

12. Wohngeld erhöhen - Energiekosten einbeziehen

Nach der Wohngelderhöhung zum 1.1.2020 erhalten rund 50.000 Eigentümer- und
610.000 Mieterhaushalte Wohngeld, also einen staatlichen Zuschuss zum Wohnen.
Durch Anhebung der Einkommensgrenzen ist die Zahl der Wohngeldbezieher zu
erhöhen. Bei der für die Wohngeldberechnung zu berücksichtigenden Miete sind
Energiekosten für Heizung und Strom mit einzubeziehen.

Pressekontakt:

Ulrich Ropertz, Pressesprecher, Tel.: 030 / 223 23 - 35, Fax: 030 /
223 23 - 100, Email: ulrich.ropertz@mieterbund.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/138829/4497801
OTS: Deutscher Mieterbund e. V.

Original-Content von: Deutscher Mieterbund e. V., übermittelt durch news aktuell


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