(Registrieren)

Spahns Gesundheitsnetz als verantwortungsfreie Zone

Geschrieben am 26-08-2019

Hamburg (ots) - Welches Unternehmen ist für die
Telematik-Infrastruktur (TI) verantwortlich? Die gematik mbH? Solange
das nicht geklärt ist, gehen Gesundheitsdaten in ein schwarzes Loch -
das kann nicht sein. Zurzeit gibt es keinen datenschutzrechtlich
Verantwortlichen für die Telematik-Infrastruktur der elektronischen
Gesundheitskarte - so, wie es die Datenschutzgrundverordnung fordert.
Mit der elektronischen Gesundheitskarte sollen hunderttausende Arzt-,
Zahnarzt- und Therapeutenpraxen, Krankenhäuser, Apotheken und
Krankenkassen im Gesundheitswesen vernetzt werden. Dazu dient die
Telematik-Infrastruktur. An diesem Netzwerk, die mehrere Plattformen
und Zonen umfasst, sind zahlreiche Unternehmen, Konsortien und
Rechenzentren beteiligt. Unvorstellbare Mengen vertraulicher
Patientendaten soll die TI nach ihrer Fertigstellung übermitteln,
speichern, verarbeiten.

Über datenschutzrechtliche Vorgaben sahen die Konstrukteure des
Netzwerks großzügig hinweg. Die Verarbeitung sensibler Daten in
großem Umfang erforderte bereits nach dem Bundesdatenschutzgesetz
eine "Vorabkontrolle" durch die "verantwortliche Stelle". Diese gab
es jedoch nicht. Seit Inkrafttreten der europäischen
Datenschutzgrundverordnung ist eine noch ausführlichere
Datenschutzfolgenabschätzung (DSFA) vorgeschrieben, die die Risiken
und möglichen Folgen für die persönlichen Rechte und Freiheiten der
Betroffenen bewertet. Die TI wurde jedoch ohne jegliche
datenschutzrechtliche Vorab-Prüfung ausgerollt und bereits als erste
Anwendung der Versichertenstammdatenabgleich in Betrieb genommen.

"Wenn offensichtlich die datenschutzrechtlichen Bedingungen für
die TI nicht erfüllt sind, müsste eine vorübergehende oder endgültige
Beschränkung der Verarbeitung verhängt werden (Art 58 DSGVO)", meint
Dr. Elke Steven von der Digitalen Gesellschaft e.V. "Die
Datenschutzfolgenabschätzung muss von einem unabhängigen,
interdisziplinären Team erstellt werden, das sich um den Schutz der
Grundrechte der Betroffenen kümmert."

Für Ärzte ergäben sich handfeste Probleme, bemerkt Dr. med. Silke
Lüder, Stellvertretende Bundesvorsitzende der Freien Ärzteschaft e.V.
"Wir sind ja gehalten, für unsere Praxen eine
Datenschutzfolgenabschätzung zu machen. Nur: Wie sollen wir
einschätzen, welchen Risiken Patientendaten ausgesetzt sind, wenn wir
sie in die Telematik-Infrastruktur übermitteln? Dafür gibt es ja
gerade keine Datenschutzfolgenabschätzung. Und angesichts der
organisierten Verantwortungslosigkeit seitens der Betreiber können
Ärzte nur zu dem Schluss kommen, ihre Praxen nicht anschließen zu
lassen."

Gesundheitsminister Spahn will nun mit der Brechstange alle
grundsätzlichen Bedenken und Probleme aus dem Weg räumen. Mit dem vom
Kabinett verabschiedeten "Digitale Versorgungs-Gesetz", über das im
Herbst das Parlament entscheiden muss, wird Wirtschaftsförderung auf
Kosten der Versicherten betrieben. Auch daran ist Kritik notwendig.

In Bezug auf die Verantwortlichkeit für die TI fordern die
Datenschutzorganisationen:

- Feststellung der datenschutzrechtlich verantwortlichen Stelle
für die TI zwecks Benennung eines Datenschutzbeauftragten und
Durchführung einer Datenschutzfolgenabschätzung
- Erstellung einer Datenschutzfolgenabschätzung für die TI und
jede ihrer Anwendungen
- Der Bericht dieses Datenschutzbeauftragten sollte veröffentlicht
werden
- Aufhebung von Sanktionen gegen Ärzte, die ihre Praxen aufgrund
von Datenschutzbedenken nicht an die TI angeschlossen haben
- Klare Haftungsregelungen zur Entschädigung Betroffener, deren
Daten aus der TI oder (unter Ausnutzung der TI) aus den
angeschlossenen "Primärsystemen" der Ärzte, Apotheken und
Krankenhäusern entwendet wurden
- Solange die Voraussetzungen für einen rechtskonformen Betrieb
nicht vorliegen, darf die TI nicht betrieben werden

Tätigkeitsbericht 2017 und 2018 zum Datenschutz - 27.
Tätigkeitsbericht - des Bundesbeauftragten durch den
Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit:
http://ots.de/XcpiGp (S. 59)

Unterstützende Organisationen:

Die Aktion "Stoppt die e-Card" www.stoppt-die-e-card.de ist ein
breites Bündnis von mehr als 50 Bürgerrechtsorganisationen,
Datenschützern, Patienten und Ärzteverbänden. Die Bündnispartner
sehen in der elektronischen Gesundheitskarte eine Gefahr für die
ärztliche Schweigepflicht, die informationelle Selbstbestimmung der
Bürger und für eine gute medizinische Versorgung. Das Bündnis ist
seit 2007 aktiv.

Die Digitale Gesellschaft e.V. www.digitalegesellschaft.de ist ein
gemeinnütziger Verein, der sich seit seiner Gründung im Jahr 2010 für
Grundrechte und Verbraucherschutz im digitalen Raum einsetzt. Zum
Erhalt und zur Fortentwicklung einer offenen digitalen Gesellschaft
engagiert sich der Verein gegen den Rückbau von Freiheitsrechten im
Netz und für die Realisierung digitaler Potentiale bei Wissenszugang,
Transparenz, Partizipation und kreativer Entfaltung.

Die Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) www.freie-aerzteschaft.de ist ein
Verband, der den Arztberuf als freien Beruf vertritt. Er wurde 2004
gegründet und zählt mehr als 2.000 Mitglieder: vorwiegend
niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie verschiedene Ärztenetze.
Vorsitzender des Bundesverbandes ist Wieland Dietrich, Dermatologe in
Essen. Ziel der FÄ ist eine unabhängige Medizin, bei der Patient und
Arzt im Mittelpunkt stehen und die ärztliche Schweigepflicht gewahrt
bleibt.

LabourNet Germany: www.labournet.de Treffpunkt für Ungehorsame,
mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch

Der Verein Patientenrechte und Datenschutz e.V. ist ein
Zusammenschluss von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen, der
sich für die Wahrung der Patientenrechte im Zeitalter der
Digitalisierung einsetzt. Dazu analysieren wir die Risiken, die sich
aus der elektronischen Gesundheitskarte in Verbindung mit der
geplanten digitalen Vernetzung im Gesundheitswesen (sog.
"Telematikinfrastruktur") sowie anderen Formen der Verarbeitung und
Verwendung sensibler Patientendaten ergeben. Hieraus entwickeln wir
Ansätze zur Minimierung dieser Risiken.

dieDatenschützer Rhein Main www.ddrm.de - eine lokale Gruppe des
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und Partner der Aktion: Stoppt
die e-Card!. Die aktuellen Arbeitsschwerpunkte sind u. a. die
unzulässige Videoüberwachung des öffentlichen Raums; die
elektronische Gesundheitskarte (eGK) und die Digitalisierung des
Gesundheitswesens, der Sozialdatenschutz, z. B. bei Job-Centern und
die Überwachung durch Geheimdienste und andere staatliche Stellen.



Pressekontakt:
presse@freie-aerzteschaft.de

Original-Content von: Freie Ärzteschaft e.V., übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

699047

weitere Artikel:
  • NRZ: Null-Zinsen: Das beste Mittel ist investieren - von MANFRED LACHNIET Essen (ots) - Eines muss man der CSU lassen: Die eigentlich konservative Partei feilt beständig an ihrem grünen Profil. Dass ausgerechnet Alexander Dobrindt nun eine Staatsanleihe für den Klimaschutz fordert und damit die Sparer umgarnt, ist clever. Zuvor hatte sein Parteifreund Söder ein Verbot von Negativzinsen ins Spiel gebracht. So etwas, so hoffen sie, soll bei den Bürgern gut ankommen. Tatsächlich sorgen sich viele Menschen derzeit um ihr Erspartes. Wer etwas fürs Alter oder für die Kinder zurückgelegt hat, erntet schon mehr...

  • Die Dienstsitze der Ministerien im Klima-Check: Bundesregierung fährt Klimaschutz in Gebäuden an die Wand Berlin (ots) - Deutsche Umwelthilfe vergleicht erstmals Gebäude-Energieausweise der Bundesministerien und bewertet deren Klimaverträglichkeit - Forschungsministerium bereits jetzt mit Klimazielen 2050 vereinbar, Amtssitz von Angela Merkel auf dem vorletzten Platz - Nur vier Ministerien genügen Klimaschutz, alle anderen Bundesgebäude haben erheblichen Sanierungsbedarf - Trotz vollmundiger Versprechungen versagt Bundesregierung seit Jahren beim Klimaschutz in Gebäuden und nimmt lieber Sanktionszahlungen in Kauf, anstatt in Klimaschutz mehr...

  • Rheinische Post: BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter warnt vor Vermögensteuer: "gefährlicher steuerpolitischer Irrweg" Düsseldorf (ots) - Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, hat vor einer Vermögensteuer als "gefährlichem steuerpolitischem Irrweg" gewarnt. "Eine Vermögensteuer würde zu massiven Mehrbelastungen der deutschen Unternehmen führen und ginge zwangsläufig zulasten von Investitionen und damit auf Kosten von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Arbeitsplätzen", sagte Kampeter der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag). "Das wäre ein gefährlicher steuerpolitischer Irrweg." mehr...

  • Wadephul: Ohne Reformen macht die G7 keinen Sinn Berlin (ots) - Einladung des iranischen Außenministers zeigt selbstbewusstes europäisches Handeln Der G7-Gipfel in Biarritz steht vor dem Abschluss. Dazu erklärt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann David Wadephul: "Die Einladung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an den iranischen Außenminister Mohammed Javad Zarif nach Biarritz zeigt, wie eine europäische Außenpolitik aussehen muss: proaktiv und selbstbewusst. Auf diese Weise werden europäische Interessen im Nahen Osten wahr- mehr...

  • Stellungnahme des VPI zum Antrag der Fraktionen der SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, Menschen, Tiere und Gebäude vor Feuerwerksschäden zu schützen Ratingen (ots) - Der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) spricht sich mit Bezug auf den Antrag von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen (Drucksache 18/1526) dagegen aus, den Verkauf sowie das Zünden von Feuerwerk einzuschränken. Laut dem Verband fußt die Debatte um Feuerwerksverbote vor allem auf der Vermittlung fehlerhafter Feinstaubwerte. Zudem gibt es bereits Maßnahmen, Menschen, Tiere und Gebäude vor Feuerwerksschäden zu schützen. Weitere Verbote führten eher zu mehr Ausschreitungen. Der Ausschuss für Wirtschaft, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht