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Europäischer Gerichtshof verhandelt am 3. September öffentlich über Zwangshaft für Ministerpräsident Söder

Geschrieben am 12-07-2019

Berlin (ots) - Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs
klärt bereits wenige Monate nach Vorlageanfrage, ob Zwangshaft gegen
hochrangige Politiker anzuwenden ist - Grund ist andauernde Weigerung
der bayerischen Staatsregierung, ein von der Deutschen Umwelthilfe
erstrittenes und bereits seit 2014 rechtskräftiges Urteil für
"Saubere Luft" in München umzusetzen - Mittlerweile sieht nicht nur
der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Rechtsstaat in Gefahr,
sondern auch der Verwaltungsgerichtshof Mannheim im Verfahren für
"Saubere Luft" in Stuttgart

Im Zwangsvollstreckungsverfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH)
gegen die Bayerische Staatsregierung (AZ: 22 C 18.1718) für die
"Saubere Luft" in München verhandelt der Europäischen Gerichtshof
(EuGH) am 3. September 2019 ab 14:30 Uhr über die Frage, ob eine
Zwangshaft gegenüber den für den Luftreinhalteplan München
verantwortlichen Amtsträgern zulässig und notwendig ist.
Vorangegangen war ein Beschluss des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) von November 2018. Dass der
Verhandlungstermin so kurze Zeit nach Vorlageanfrage behandelt wird,
ist unüblich. Der Präsident des EuGH hat das Verfahren als
vordringlich zu entscheiden eingestuft. Die DUH wertet dies als
deutliches Signal für die Relevanz dieser Rechtsfrage, die auch
Auswirkungen haben wird auf die weiteren 35 Verfahren der DUH für die
"Saubere Luft" in Städten, aber auch grundsätzlich in allen anderen
sich derzeit häufenden Fällen, in denen Regierungsvertreter Gesetze
und rechtskräftige Urteile missachten.

Dass sich der EuGH mit dieser Frage auseinandersetzen muss, ist
zurückzuführen auf die Weigerung der Bayerischen Staatsregierung, das
bereits seit 2014 rechtskräftige Urteil für "Saubere Luft" in München
umzusetzen und Diesel-Fahrverbote in den Luftreinhalteplan der
bayerischen Landeshauptstadt aufzunehmen. In dem vorherigen Beschluss
von November 2018 wirft der BayVGH der Staatsregierung und seinem
Ministerpräsidenten Markus Söder evidente Amtspflichtverletzungen,
eine gezielte Missachtung des Gerichts sowie die Bedrohung des
Fortbestands des Rechtsstaats vor.

Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Die Weigerung,
rechtskräftige Urteile umzusetzen, betrifft mittlerweile nicht nur
den Freistaat Bayern. Im Verfahren für die 'Saubere Luft' in
Stuttgart wirft seit wenigen Tagen auch das höchste
Verwaltungsgericht in Baden-Württemberg der Landesregierung in
Stuttgart vor, sich in einer 'dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit
widersprechenden Weise' zu weigern, ein rechtskräftiges Urteil
umzusetzen. Die Verhandlung ist von immenser Bedeutung für unseren
Rechtsstaat. Wir hoffen, dass die Richter am EuGH es den nationalen
Gerichten in der zunehmend von großen Industriekonzernen
fremdgesteuerten Lobbyrepublik Deutschland erlaubt, gegen Politiker,
die Entscheidungen von Gerichten ignorieren, wirkungsvoll vorzugehen.
Bisher machen sich die CSU-Spitzenpolitiker Seehofer, Söder und
Dobrindt darüber lustig, dass die Bayerische Landesregierung als
höchste Strafe 10.000 Euro Zwangsgeld an sich selbst zahlen muss. Wir
sind zuversichtlich, dass der Europäische Gerichtshof mit dieser
Grundsatzentscheidung dazu beitragen wird, dass sich zukünftig
Politiker sowie Wirtschaftskonzerne wieder an Recht und Gesetz
gebunden fühlen und die Bürgerinnen und Bürger endlich zu ihrem Recht
auf 'Saubere Luft' kommen."

Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in dem Verfahren vertritt,
ergänzt: "Dass sich der Europäische Gerichtshof vor der Großen Kammer
mit dem Fall befasst, ist selten und zeigt die Relevanz dieses
einmaligen Verfahrens. Wenn deutsche Politiker der Annahme sind, sie
stünden über der Justiz, muss das europäische Rechtssystem eine
angemessene Antwort finden. Andernfalls erodiert der Rechtsstaat."

Wird die Zwangshaft vom EuGH als anwendbar bewertet, kündigte der
BayVGH in seinem Beschluss von November an, unmittelbar Haft
gegenüber dem Ministerpräsidenten, dem Staatsminister für Umwelt und
Verbraucherschutz, dem Präsidenten der Regierung von Oberbayern, dem
Regierungsvizepräsidenten, dem Leiter der Abteilung der Regierung von
Oberbayern sowie allen Mitarbeitern in der Regierung von Oberbayern,
die für die Aufstellung des Luftreinhalteplans verantwortlich sind,
anzuordnen. Die Haft wird aufgehoben, sobald sich die
Verantwortlichen dazu bereiterklären, das rechtskräftige Urteil für
die "Saubere Luft" in München von 2014 umzusetzen.

Hintergrund:

Die DUH hat am 29. Februar 2012 Klage gegen den Freistaat wegen
Überschreitung des Stickstoffdioxid (NO2)-Grenzwertes erhoben. Mit
Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 wurde der
Freistaat Bayern antragsmäßig verurteilt, den Luftreinhalteplan mit
allen Maßnahmen fortzuschreiben, die erforderlich sind, um den
Grenzwert für NO2 einzuhalten. Das Urteil ist seit 2014
rechtskräftig. Mit der aktuell 6. Fortschreibung des Plans werden die
Grenzwerte für NO2 im Jahresmittel erst nach 2030 eingehalten werden
können. Da trotz anhaltender Luftverschmutzung keine kurzfristig
wirksamen Maßnahmen für eine schnellstmögliche Grenzwerteinhaltung
ergriffen werden, hat die DUH das Zwangsvollstreckungsverfahren
eingeleitet. Nachdem bereits mehrere Zwangsgelder verhängt wurden,
ist die Zwangshaft die verwaltungsrechtlich nächste Konsequenz.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat durch einen am
20. November 2018 bekanntgegebenen Beschluss vom 9. November 2018
entschieden, die Frage der Zulässigkeit einer Zwangshaft gegenüber
den für den Luftreinhalteplan München verantwortlichen Amtsträgern
dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Der BayVGH, als das für diese Fragen letztinstanzlich zuständige
Gericht, stellt in seinem Beschluss von November 2018 fest, dass man
zu Fragen der Notwendigkeit von Diesel-Fahrverboten zwar eine andere
Meinung haben könne, die Pflicht zur Einführung solcher Fahrverbote
in München hingegen feststehe (Beschluss, Rn. 67). Das Gericht
widerlegt überdies die Auffassung der Landesregierung, nach der die
Luftqualität in den letzten Jahren grundlegend besser geworden sei.
Dies ist vielmehr nicht festzustellen, so das Gericht, teilweise im
Gegenteil (Beschluss, Rn. 88). Die Haltung der Landesregierung zeige
ein für den Fortbestand des Rechtsstaats bedrohliches Rechts- und
Politikverständnis, bei dem man nicht erst in anderen Mitgliedstaaten
der EU suchen muss, um den Rechtsstaat in Gefahr zu sehen (Beschluss,
Rn. 120).

Nach der Rechtsauffassung des BayVGH ist im nationalen Recht nicht
mit abschließender Klarheit geregelt, ob in einer solchen Situation
auch zum Mittel der Zwangshaft gegriffen werden dürfe. Diese Klarheit
könnte sich aber dadurch ergeben, dass das Recht der Europäischen
Union dazu verpflichte, im Zweifel zur Anwendung dieses Mittels zu
greifen, wenn sich andernfalls das Unionsrecht nicht effektiv
durchsetzen ließe.

Links: Beschluss BayVGH vom 9. November 2018:
http://l.duh.de/p181121



Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de

Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt, Geulen & Klinger Rechtsanwälte
030 8847280, 0171 2435458, klinger@geulen.com

DUH-Pressestelle:
Ann-Kathrin Marggraf, Marlen Bachmann
030 2400867-20, presse@duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe,
www.facebook.com/umwelthilfe, www.instagram.com/umwelthilfe

Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell


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