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BERLINER MORGENPOST: Tanz der Autokraten / Michael Backfisch zum G20-Gipfel

Geschrieben am 28-06-2019

Berlin (ots) - a)Kurzform:

Es ist ein Tanz der autokratisch angehauchten Alphatiere. Es geht
vor allem um Ego-Show. Grundsätzliche Fragen wie Freihandel und
Klimapolitik rangieren hinten. Trumps Charmeoffensive gegenüber
Angela Merkel war ungewöhnlich. Bei den ausstehenden Streitpunkten
wird der Präsident jedoch um keinen Deut konzilianter werden.
Auffällig auch die Klimaaufhellung zwischen Trump und Putin. Hatte
der Amerikaner beim letzten G20-Gipfel das Treffen mit dem Russen in
letzter Minute abgesagt, hagelte es in Japan gegenseitige
Freundlichkeiten. Doch an den Positionen beider Länder ändert dies
nichts. Insbesondere im Iran-Konflikt hält der Kremlchef an dem
Schulterschluss mit den Mullahs fest. Eines der wichtigsten Themen in
Japan war die Gefahr eines amerikanisch-chinesischen Handelskriegs.
Die Chinesen sind zunehmend selbstbewusst und werden nicht klein
beigeben. Zudem lässt der Präsident gelegentlich ökonomische
Grundweisheiten außer Acht. Importsteuern auf chinesische Produkte
träfen zuallererst US-Firmen.

b) Der vollständige Leitartikel:

Die Großen und Mächtigen bestimmen zunehmend die Bühne der
internationalen Politik. US-Präsident Donald Trump, sein russischer
Amtskollege Wladimir Putin sowie der chinesische Staats- und
Parteichef Xi Jinping sind die Schlüsselfiguren der neuen Zeit. Das
zeigt sich auch beim G20-Gipfel der größten Industrieländer in Japan.
Es ist ein Tanz der autokratisch angehauchten Alphatiere. Bei der
Gründung des Forums auf Spitzenebene im Jahr 2008 hatte noch eine
weltweit koordinierte Antwort auf die Finanzkrise im Vordergrund
gestanden. Heute geht es vor allem um Ego-Show und
Machtdemonstration. Grundsätzliche Fragen wie Freihandel und
Klimapolitik rangieren hinten. Trumps Charmeoffensive gegenüber
Angela Merkel war ungewöhnlich. In der Vergangenheit hatte der
Präsident immer wieder verbal auf die Kanzlerin eingedroschen.
Auslöser waren die seiner Ansicht nach zu geringen deutschen
Verteidigungsausgaben, die Exportüberschüsse von Daimler und Co, die
Teilnahme am von Russland angestoßenen Erdgas-Pipelineprojekt Nord
Stream 2. Doch dahinter steckten auch Trumps Ressentiments gegen
Merkel, die von einigen US-Medien als "letzte Führerin der freien
Welt" gefeiert wurde. Die Kanzlerin wies dies zwar sofort zurück.
Doch ihr offensives Eintreten für eine multilaterale Weltordnung -
zuletzt bei ihrer Rede Ende Mai an der Elite-Uni Harvard - wurde als
Spitze gegen den Bulldozer-Kurs des Präsidenten gewertet. In Osaka
gab sich Trump hingegen großmütig. Ob ihn Merkels jüngste
Zitteranfälle milde stimmten, weiß nur er. Ein testosterongesteuerter
Politiker wie Trump hat ein feines Gespür für die Stärken und
Schwächen seiner Kontrahenten. Bei den ausstehenden Streitpunkten
wird der Präsident jedoch um keinen Deut konzilianter werden.
Auffällig auch die atmosphärische Klimaaufhellung zwischen Trump und
Putin. Hatte der Amerikaner beim letzten G20-Gipfel in Buenos Aires
das Treffen mit dem Russen in letzter Minute abgesagt, hagelte es in
Japan gegenseitige Freundlichkeiten. Vor allem hinter Putins
Lobeshymnen für Trumps eisenharte Migrationspolitik stand
offensichtlich der Versuch, gut Wetter zu machen. Doch an den
gegensätzlichen Positionen beider Länder ändert dies nichts.
Insbesondere im Iran-Konflikt hält der Kremlchef an dem
Schulterschluss mit den Mullahs fest. Trumps Parforceritt gegen
Teheran stößt bei ihm auf scharfe Kritik. Russland sieht sich als
Hüterin des Status quo im Nahen Osten. Regimewechsel kommen für Putin
im Iran ebenso wenig in Frage wie in Syrien. Die amerikanischen
Militärinterventionen im Irak (2003) und in Libyen (2011) werden in
Moskau als Auslöser von Instabilität und Chaos gewertet. Eines der
wichtigsten Themen in Japan war die Gefahr eines
amerikanisch-chinesischen Handelskriegs. Trump hatte vor dem
G20-Gipfel schwere Geschütze aufgefahren. Mit der Drohung einer
Mega-Zollkeule will er Peking zu Zugeständnissen zwingen. Doch die
Chinesen sind zunehmend selbstbewusst und werden nicht klein
beigeben. Die Wirtschaftsmacht in Fernost ist nicht nur der größte
Gläubiger der Vereinigten Staaten, der am Geldhahn drehen könnte.
Zudem lässt der Präsident gelegentlich ökonomische Grundweisheiten
außer Acht. Importsteuern auf chinesische Produkte träfen zuallererst
US-Firmen, die die höheren Preise wohl an die Verbraucher weitergeben
würden. Abgesehen davon, dass viele US-Betriebe auf Zulieferungen aus
China angewiesen sind. Trump vollführt einen Tanz auf der
Rasierklinge: Einerseits betreibt er verbale Kraftmeierei,
andererseits steckt er in einengenden Sachzwängen.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/8872-77888
wolfgang.merkel@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell


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