(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Söder gewinnt an Statur / In Äthiopien widerlegt der bayerische Regierungschef Kritiker und riskiert den Konflikt mit Menschen, die nur in bayerischen Grenzen denken. Von Chr

Geschrieben am 17-04-2019

Regensburg (ots) - Seine erste große Auslandsreise als bayerischer
Ministerpräsident sollte Gewicht haben - und Markus Söder hat
geliefert. Der CSU-Chef hat sich aus der Komfortzone der bayerischen
Staatskanzlei hinausbewegt und in Äthiopien deutlich an politischem
Profil gewonnen. Amtsvorgänger Horst Seehofer hat 2010 als Eisbrecher
im Verhältnis zu Tschechien Geschichte geschrieben. Söders
Initiativen in Afrika sind nicht geringer zu werten, sofern er sie
dauerhaft im Blick behält. Das 75-Stunden-Programm in Äthiopien war
klug gestaltet - mit kleinen, aber feinen Anschubfinanzierungen für
Projekte zum Klimaschutz, zur besseren Bildung sowie zur
Flüchtlingshilfe. Söder betätigte sich gleichzeitig als Türöffner für
bayerische Unternehmen, die eben keine Neuauflage unseliger
Kolonialpolitik im Sinn haben, sondern langfristige und ernsthafte
Partnerschaften anstreben. Der Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig
Hartmann, der das Erschließen neuer Absatzmärkte in einem der ärmsten
Länder der Welt vorab scharf kritisiert und eine Einladung in die
Delegation ausgeschlagen hatte, vergaloppierte sich damit
ausnahmsweise einmal kräftig. Seine Vorwürfe passen gut zu brachialen
Offensiven aus China, aber schlecht zu den Investments aus Bayern.
Für die CSU markiert Söders Afrika-Mission ungeachtet der aktuellen
Berliner Debatten um strikte Abschiebungen von abgelehnten
Asylbewerbern einen spürbaren Richtungswechsel. Das behagt sicher
nicht jedem in der Partei. Auch in Teilen der CSU herrscht Skepsis,
ob es eine bayerische Entwicklungspolitik braucht. Der neue Kurs kann
die Partei Wählerstimmen kosten, auf die man vor der Landtagswahl
noch kräftig schielte. Doch das ist in Kauf zu nehmen. Die CSU würde
sich dauerhaft klein machen, wenn sie nicht über bayerische Grenzen
hinausdenkt. Ein krasses Negativ-Beispiel lieferte Söder vor knapp
einem Jahr noch selbst, als er das böse Wort vom Asyltourismus in den
Mund nahm. Dem Shitstorm folgte zügig eine Entschuldigung, Söder
achtete seither sorgsamer auf seine Worte. Doch der Schwachpunkt
blieb in dieser Frage seine Glaubwürdigkeit. In Äthiopien zeigte der
Ministerpräsident nun deutlich, dass bei ihm nicht nur die
Formulierungen neu sind, sondern dass die Einstellung zu zentralen
Fragen der Asylpolitik in einem Wandlungsprozess ist. Auch die
begleitende Södersche PR-Maschinerie lief zwar während der Reise
routiniert, aber dezenter ab. Es ist sehr wohltuend, dass statt von
"Bayern First" nun stärker von den Vernetzungen und Wechselwirkungen
in der "einen Welt" die Rede ist. Wobei Entwicklungshilfe mit
Weitblick sehr wohl im zentralen bayerischem Interesse liegt. Was
passiert, wenn Europa Krisenherde ignoriert, war im Herbst 2015 zu
beobachten, gerade im Freistaat, über dessen Grenzen die Flüchtlinge
in erster Linie nach Deutschland kamen. Äthiopien erscheint nur den
Kurzsichtigen fernab bayerischer Lebenswelten. Es ist ein
hochspannendes Land: Hier lassen sich alle Probleme des afrikanischen
Kontinents studieren - vom riesigen Bevölkerungswachstum bis zur
Landflucht. Hier wächst durch energisches Bemühen des neuen
Premierministers Abiy Ahmed Ali gerade aber auch die Hoffnung auf
Lebensumstände, die nicht dazu zwingen, in höchster Not der eigenen
Heimat den Rücken zu kehren. Äthiopien kann mit Glück und Hilfe zur
Blaupause für andere afrikanische Staaten werden - oder bei einer
Ignoranz des Westens zu einem weiteren Symbol des Scheiterns. Das
Land hat aber nicht nur deshalb jede Unterstützung verdient: Es geht
auf Dauer niemals gut, wenn die Chancen auf der Welt so ungleich und
ungerecht verteilt sind.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

683200

weitere Artikel:
  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zur aktuellen Haltung von Horst Seehofer Stuttgart (ots) - Wie brüchig der aktuelle Frieden innerhalb der Bundesregierung im Blick auf die bevorstehenden Wahlen sein könnte, zeigt der Unmut in der Fraktion darüber, dass nun ausgerechnet Seehofers Flüchtlingspolitik nicht mehr hart genug sein soll. Es stimmt, dass erste Entwürfe entschärft worden sind. Von einem weichgespülten Gesetz, das die Haftgründe für ausreisepflichtige Personen klar ausweitet, kann jedoch keine Rede sein. Gewöhnungsbedürftig ist auch, dass der Innenminister regierungsinterne Kompromisse mit den mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Nachbessern erlaubt = Von Michael Bröcker Düsseldorf (ots) - Der Rechtsstaat kann unbequem sein. Wer keine Chance auf einen Aufenthalt in diesem Land hat, weil sein Asylbegehren negativ beschieden wurde und auch über andere Wege keine Zuwanderung möglich ist, muss dieses Land verlassen. So handhaben es alle Länder in der EU. Auch Deutschland sollte dies tun. Nur sind die rechtlichen Hürden für eine Abschiebung hierzulande sehr hoch. Innenminister Horst Seehofer hat den klaren Auftrag der Koalition, Abschiebungen zu erleichtern. Sein Gesetz setzt deshalb an der richtigen Stelle mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Fördern für Frankreich = Von Florian Rinke Düsseldorf (ots) - Die NRW-Bank leistet wertvolle Arbeit für das Land, zum Beispiel beim Thema Gründerförderung. Und natürlich ist sie ein wichtiges Gestaltungsinstrument der jeweils aktuellen Landesregierung, die mit Hilfe der Förderbank eigene politische Akzente setzen kann. Doch die Frage ist, ob eine Spende in Höhe von 50.000 Euro für die abgebrannte französische Kathedrale von Notre-Dame am Ende wirklich dem Land NRW nutzt - oder nur dem Ministerpräsidenten? Natürlich muss Armin Laschet als deutsch-französischer Kulturbevollmächtigter mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Günstiger Bahn fahren und teurer fliegen = Von Birgit Marschall Düsseldorf (ots) - Die Bahn gegenüber Auto und Flugzeug preislich konkurrenzfähiger zu machen - dieser Vorschlag des beim Klimaschutz stark unter Druck stehenden Verkehrsministers verdient Beifall. Das Ziel ist richtig. Über den Weg lässt sich streiten. Die Bahn ist trotz aller Rabattaktionen im Vergleich zum Auto und zum Flugzeug viel zu teuer. Doch reduzierte der Staat den Mehrwertsteuersatz im Bahnfernverkehr auf sieben Prozent, führte er nur eine weitere Subvention ein. Klüger wäre es, gleichzeitig die Besteuerung der konkurrierenden mehr...

  • Das Erste, Donnerstag, 18. April 2019, 5.30 - 9.00 Uhr Gäste im ARD-Morgenmagazin Köln (ots) - 8.05 Uhr, Oliver Krischer, stellv. Vorsitzender Fraktion Bündnis90/Die Grünen, Thema: Zukunft des Autos Pressekontakt: Weitere Informationen unter www.ard-morgenmagazin.de Redaktion: Martin Hövel Kontakt: WDR Presse und Information, wdrpressedesk@wdr.de, Tel. 0221 220 7100  Agentur Ulrike Boldt, Tel. 0172 - 2439200 Original-Content von: ARD Das Erste, übermittelt durch news aktuell mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht