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Türkei: Staatsanwaltschaft fordert Verurteilung von ROG-Korrespondenten

Geschrieben am 27-02-2019

Berlin (ots) - Im Prozess gegen den ROG-Türkei-Korrespondenten hat
die Staatsanwaltschaft heute (27.02.) die Verurteilung von Erol
Önderoglu gefordert, ohne sich auf eine konkrete Strafmaßforderung
festzulegen. Wegen der Teilnahme an einer Solidaritätsaktion für die
mittlerweile verbotene pro-kurdische Zeitung Özgür Gündem wirft sie
ihm unter anderem "Propaganda für eine terroristische Organisation"
vor. Bei einer Verurteilung drohen Önderoglu bis zu vierzehneinhalb
Jahre Haft. Reporter ohne Grenzen kritisiert die Forderung der
Staatsanwaltschaft aufs Schärfste und fordert die Justiz auf, alle
Anschuldigungen sofort fallenzulassen. Ein Urteil wird am 15. April
erwartet.

"Die Forderung der Staatsanwaltschaft ist ein Schlag gegen die
Pressefreiheit", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr, der den
Prozess vor Ort beobachtet hat. "Erol Önderoglu verteidigt seit
Jahrzehnten verfolgte Journalistinnen und Journalisten. Wenn er ins
Gefängnis muss, wäre das ein verheerendes Signal für die türkische
Zivilgesellschaft. Das Gericht muss die Justiz-Farce beenden und Erol
Önderoglu und die Mitangeklagten freisprechen."

Zusammen mit ROG-Korrespondent Önderoglu sind die
Menschenrechtsverteidigerin Sebnem Korur Fincanci und der Journalist
Ahmet Nesin angeklagt, der inzwischen aus der Türkei geflohen ist.
Die Staatsanwaltschaft forderte am Mittwoch, die beiden ebenfalls zu
verurteilen. Auch ihnen drohen jeweils bis zu vierzehneinhalb Jahre
Haft.

TERROR-VORWURF NACH KAMPAGNE FÜR MEDIENPLURALISMUS

Önderoglu, Fincanci und Nesin hatten Mitte 2016 zusammen mit mehr
als 50 Journalisten und Prominenten jeweils für einen Tag symbolisch
den Posten des Chefredakteurs von Özgür Gündem übernommen, um ihre
Solidarität mit der Zeitung zu demonstrieren, die bereits unter
wachsendem Druck der Behörden stand. Im August 2016 wurde das Blatt
per Regierungsdekret geschlossen (http://ogy.de/ry86). Önderoglu
werden drei Artikel zur Last gelegt, die am 18. Mai 2016 in Özgür
Gündem veröffentlicht wurden. Sie berichteten unter anderem über
Machtkämpfe innerhalb der türkischen Sicherheitskräfte.

Weil sie an der Solidaritätsaktion teilgenommen hatten, waren
Önderoglu, Fincanci und Nesin im Juni 2016 zehn Tage lang in
Untersuchungshaft, bevor sie nach internationalen Protesten
freigelassen wurden. Ihr Prozess wurde im November 2016 eröffnet.
Wiederholt hat Reporter ohne Grenzen die einschüchternde Wirkung des
seit fast zweieinhalb Jahren dauernden Prozesses kritisiert, der
immer wieder vertagt wurde. (http://ogy.de/aws2).

Önderoglu ist seit 1996 Türkei-Korrespondent von Reporter ohne
Grenzen. Daneben verfasst er die Quartalsberichte der alternativen
türkischen Nachrichtenagentur Bianet zum Stand der Meinungsfreiheit
in der Türkei.

BEISPIELLOSE VERFOLGUNG KRITISCHER JOURNALISTINNEN UND
JOURNALISTEN

Durch den Missbrauch der vage formulierten Terrorgesetze versucht
die türkische Justiz, kritische Journalistinnen und Journalisten in
oft kafkaesken Verfahren zum Schweigen zu bringen. Am 19. Februar
bestätigte ein Istanbuler Berufungsgericht die Haftstrafen von bis zu
acht Jahren gegen 14 ehemalige Mitarbeiter der Zeitung Cumhuriyet.
Ihnen wird "Terrorpropaganda" und die "Unterstützung terroristischer
Organisationen" vorgeworfen (http://ogy.de/knp1).

Seit dem Putschversuch im Juli 2016 liegt die Pressefreiheit in
der Türkei am Boden und der Medienpluralismus ist weitgehend
zerstört. Auch nach der Freilassung des deutsch-türkischen
WELT-Korrespondenten Deniz Yücel Mitte Februar 2018
(http://ogy.de/8c43) und der Ausreise der deutschen Journalistin
Mesale Tolu im August 2018 (http://ogy.de/283q) hat sich die
Situation im Land nicht verbessert. Die Türkei gehört neben China,
Ägypten, Iran und Saudi-Arabien zu den Ländern, in denen weltweit die
meisten Medienschaffenden im Gefängnis sitzen (http://ogy.de/ivnb).

Von den mehr als 100 inhaftierten Journalistinnen und Journalisten
sitzen nach ROG-Informationen mindestens 31 in direktem Zusammenhang
mit ihrer journalistischen Tätigkeit im Gefängnis. In Dutzenden
weiteren Fällen ist ein direkter Zusammenhang wahrscheinlich, lässt
sich aber derzeit nicht nachweisen, da die türkische Justiz die
Betroffenen und ihre Anwälte oft für längere Zeit über die genauen
Anschuldigungen im Unklaren lässt. Bei Deniz Yücel etwa lag die
Anklageschrift erst ein Jahr nach seiner Festnahme vor.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Türkei auf Platz
157 von 180 Staaten.

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN

- ROG-Protestmail-Aktion: Vorwürfe gegen Erol Önderoglu
fallenlassen:
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/mitmachen/freeerol/

- Weiter Informationen zur Lage der Pressefreiheit in der Türkei:
www.reporter-ohne-grenzen.de/türkei

- Recherchen des Projekts Media Ownership Monitor in der Türkei:
http://turkey.mom-rsf.org/



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer / Anne Renzenbrink / Juliane Matthey
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29

Original-Content von: Reporter ohne Grenzen e.V., übermittelt durch news aktuell


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