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Mittelbayerische Zeitung: Katastrophen in Zeitlupe / Der Regierungsstillstand in den USA und der Brexit-Konflikt in Großbritannien fallen nicht zufällig zusammen. Leitartikel von Thomas Spang

Geschrieben am 21-01-2019

Regensburg (ots) - Margaret Thatcher und Ronald Reagan bereiteten
mit ihrer Privatisierungs-Offensive vor mehr als drei Jahrzehnten den
Boden für die globale Entfesselung der Märkte. Sie begannen die
sozialen Netze ihrer Gesellschaften ausgerechnet zu einer Zeit zu
zerschneiden, in der diese am meisten benötigt wurden. Es lag an
ihren Nachfolgern Tony Blair und Bill Clinton, die Globalisierung
durch Kapitalmarktreformen und Freihandelsabkommen zu vollenden.
Blair und George W. Bush fügten dem mit dem Irak-Krieg ein
idealistisches Interventions-Projekt hinzu. Demokratie in der Heimat
Saddam Husseins werde in der ganzen Region die Dominos in die
richtige Richtung fallen lassen. Es kam anders. Und einmal mehr
zahlten die Briten und Amerikaner den Preis, die von den
versprochenen Segnungen des Marktes nicht profitierten. Nachdem
Billionen (engl. Trillion) im Wüstensand Iraks versickert oder als
Steuergeschenke in den Taschen der Spitzenverdiener verschwunden
waren, hörten sie von ihren Regierungen, es sei leider kein Geld für
die Bildung, das Gesundheitssystem oder die Infrastruktur da. Die
große Rezession ließ dann in den USA und Großbritannien Millionen
Menschen mit dem Gefühl zurück, selber nur noch einen Schritt weit
vom Abgrund entfernt zu sein. Weil sich in beiden Ländern die Eliten
früher, schneller und umfassender vom Rest der Bevölkerung
entsolidarisiert hatten, traf sie nun die Rache des Populismus
zuerst. In Großbritannien kam der Bumerang unerwartet in Form des
Brexit, in den USA in der Gestalt Donald Trumps. In beiden Fällen
hatten die russischen Geheimdienste ihre Finger im Spiel. Sie
erkannten glasklar, wie leicht sich die inneren Gegensätze der
angelsächsischen Gesellschaften ausbeuten ließen, um Chaos und
Unfrieden zu verbreiten. Wladimir Putin kann sein Glück kaum fassen,
wie Theresa May und Donald Trump alles daran setzen, die einstmals
mächtigen Säulen der westlichen Nachkriegsordnung zu verzwergen. Die
innere Lähmung Großbritanniens und der USA, die Unfähigkeit ihrer
Führer, gesellschaftliche Gräben zu überwinden, bietet keinen Anlass
zur Schadenfreude. Mangels Kompromissfähigkeit zeichnen sich
Katastrophen in Zeitlupe ab. Mit einem No-Deal-Brexit, also dem
unabgefederten Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union,
schaden sich die Briten mindestens so sehr wie die Amerikaner sich
mit einem fortgesetzten Regierungsstillstand. May und Trump
verwechseln dumpfen Starrsinn mit Prinzipientreue. Beide führen die
großen Demokratien zurück zu einer insularen Politik, die dem
Aufstieg beider Länder zu Weltmächten vorherging. Der Rückzug ins
populistische Schneckenhaus schafft ein Vakuum, das aufstrebende
Mächte wie China und zynische Regime wie das in Russland nur zu gerne
ausfüllen. Noch ist es nicht zu spät, das Richtige zu tun. Vielleicht
befinden sich die Briten in einer besseren Position, die Notbremse zu
ziehen, bevor der Brexit-Zug mit voller Geschwindigkeit in den
Abgrund rast und das Land mitreißt. Ob die Amerikaner Trump noch
rechtzeitig stoppen können, ist weniger gewiss. Der Kongress versucht
es. Immerhin. Er will dem Präsidenten den Austritt aus der Nato
verbieten. Für eine Amtsenthebung dürfte es mangels Unterstützung der
Republikaner im Senat dagegen nicht reichen. Es bleibt also nur zu
hoffen, dass sich Trump in der zweiten Halbzeit seiner
Präsidentschaft selber zu einer lahmen Ente macht.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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