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Ohne Klimaschutz in Gebäuden kein dauerhaft bezahlbarer Wohnraum: Verbände kritisieren Seehofers einseitig besetzten Wohngipfel

Geschrieben am 21-09-2018

Berlin (ots) - Schlüsselakteure aus der Energieeffizienzbranche
und Umweltverbände bleiben beim Wohngipfel außen vor - Alarmierender
klimapolitischer Stillstand im Gebäudesektor muss jetzt beendet
werden - Energieeffizienzmaßnahmen beim Bauen und Wohnen dürfen nicht
als Sündenbock für steigende Mieten und Baupreise herhalten -
Dringend notwendige Maßnahmen für Energieeffizienz in Neubau und
Sanierung müssen endlich kommen

Anlässlich des heute stattfindenden Wohngipfels von Bauminister
Horst Seehofer kritisieren die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die
Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF), der
Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG), der
Bundesverband Wärmepumpe (BWP) und der Verband für Wärmelieferung
(VfW), dass keine angemessene Diskussion von Klimaschutz- und
Energieeffizienzmaßnahmen stattfindet. Die einseitige Besetzung der
Gipfelteilnehmer spreche dafür, dass die Energieeffizienz in der
aktuellen Diskussion um die Wohnungsbaupolitik im Ministerium nur
geringen Stellenwert hat. Die Verbände appellieren, dass das
Gebäudeenergiegesetz (GEG), wie im Koalitionsvertrag formuliert, am
Prinzip "efficiency first" ausgerichtet werden müsse.

Im Fokus des Wohngipfels sollen die Wohnraumoffensive und die
Sicherstellung von bezahlbarem Wohnraum stehen. Geplant ist der
Neubau von 1,5 Millionen Wohnungen. Die Verbände betonen, dass bei
der Schaffung von Wohnraum zukunftssicher gebaut werden muss.

Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH
kritisiert: "Der kurz vor der Landtagswahl in Bayern angesetzte
Wohngipfel von Horst Seehofer soll in der aufgeheizten Diskussion um
Wohnungsknappheit und drastische Preissteigerungen, vor allem in den
Ballungsgebieten, die Gemüter beruhigen. Es ist zu befürchten, dass
Herr Seehofer auf Kosten einer nachhaltigen Wohnungspolitik Wahlkampf
betreibt - das ist zu kurz gedacht und fällt letztendlich wieder
denjenigen auf die Füße, die aus Kostengründen in nicht ausreichend
energetisch ertüchtigten Wohnungen leben, dafür aber perspektivisch
viel Geld für Heizkosten einplanen müssen. Bezahlbarer Wohnraum und
Energieeffizienz müssen zwingend zusammen gedacht werden."

Doch stattdessen heißt es im aktuellen Entwurf des
Mietrechtsanpassungsgesetzes, dass eine geringere energetische
Sanierungsquote im Namen der Sozialverträglichkeit "hinzunehmen" sei.
Klimaschutz- und Mieterschutz dürfen jedoch nicht gegeneinander
ausgespielt werden.

Dazu Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der DENEFF:
"Energieeffizienz senkt die Heizkosten, entlastet die Bürger damit
dauerhaft und ist somit ein Schlüssel für bezahlbares Wohnen. Und
nicht nur das: wenn die Bundesregierung beim Bauen und Sanieren die
Energieeffizienz nicht endlich voranbringt, sind sämtliche Energie-
und Klimaziele 2030 Makulatur. Deshalb müssen lange versprochene
Maßnahmen wie die Steuerförderung für Eigenheimsanierer endlich
kommen. Investoren brauchen verlässliche politische
Rahmenbedingungen."

"Nur auf den Neubau zu schauen, ist nicht zielführend. Um 1,5
Millionen Wohnungen zu schaffen, und dabei gleichzeitig die
Klimaschutzziele der Bundesregierung im Blick zu behalten, ist das
Augenmerk auf die Sanierung des Bestands und die Nachverdichtung zu
richten. Derzeit ist die Sanierung von Bestandsgebäuden die größte
Baustelle. Hier muss die Bundesregierung schnellstmöglich ansetzen -
es muss neben attraktiveren Anreizen eine langfristige
Planungssicherheit für Investitionen geben", ergänzt Jan Peter
Hinrichs, Geschäftsführer des BuVEG.

Der Gebäudesektor ist entscheidend, um die nationalen und
internationalen Klimaschutzvereinbarungen zu erfüllen. 35 Prozent des
Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der Treibhausgasemissionen
fallen im Gebäudebereich an. Bis 2050 muss der Gebäudesektor
weitestgehend klimaneutral sein. Um diese Ziele zu erreichen, dürfen
die geltenden Standards aus der Energieeinsparverordnung im
Gebäudeenergiegesetz auf keinen Fall aufgeweicht werden.

"Von dem Versprechen, die Klimaschutzziele 2030 auf jeden Fall
erreichen zu wollen, hatte ich mir ehrlich gesagt ein engagierteres
und mutigeres Handeln erwartet. 2030 ist nicht mehr so weit weg.
Leider bleibt es hier bisher bei einem Lippenbekenntnis - obwohl es
seit Unterzeichnung des Koalitionsvertrages zahlreiche Möglichkeiten
zu einer beherzten Klimaschutz- und Energiepolitik gegeben hat. Der
Wohngipfel ist eine davon. Entscheidende Akteure hierzu nicht
einzuladen und womöglich Anforderungen aufzuweichen oder
abzuschaffen, ist der falsche Weg. Der Schutz der natürlichen
Lebensgrundlagen - und darum geht es beim Klimaschutz letztlich - ist
zwar Staatsziel, aber nach allem, was nach außen sichtbar wird, kein
dringendes Anliegen dieser Bundesregierung", kritisiert Tobias
Dworschak, Geschäftsführer VfW.

In der Kritik stehen vor allem die verantwortlichen Minister Horst
Seehofer, Peter Altmaier und Olaf Scholz. Die steuerliche
Absetzbarkeit energetischer Sanierung ist trotz Vereinbarung im
Koalitionsvertrag erneut gescheitert. Darüber hinaus wurde
beschlossen, die aktuellen Effizienzanforderungen an Gebäude nicht
weiter anzuheben. Auch in der EU tritt Deutschland als Bremser auf,
zuletzt bei den Verhandlungen zur Energieeffizienzrichtlinie, der
Erneuerbare-Energien-Richtlinie und der Governance-Verordnung.

Die Verbände befürchten daher, dass die energetischen Standards im
Neubau im neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) weiter vernachlässigt und
möglicherweise sogar aufgeweicht werden. Als fadenscheinigen Grund
führen daran interessierte Kreise an, dass
Energieeffizienzanforderungen die größten Kostentreiber im
Wohnungsbau seien. Studien zeigen jedoch, dass nur ein kleiner Anteil
der Gestehungskosten auf Energieeffizienzanforderungen fallen.
Ausschlaggebend sind viel mehr die stark gestiegenen
Grundstückspreise sowie die Planungskosten.

Dazu Martin Sabel Geschäftsführer des BWP: "Bezahlbarkeit und
Nachhaltigkeit von Wohnraum sind kein Widerspruch, sondern gehen Hand
in Hand. Wir dürfen die energetischen Standards nicht aufweichen und
heute die Sanierungsfälle von morgen bauen. Maßnahmen zur Senkung der
CO2-Emission und zum Klimaschutz im Gebäudebereich, die wir heute
nicht ergreifen, holen uns früher oder später ein und führen dann zu
deutlich höheren Kosten durch umfangreiche Sanierungsmaßnahmen".
Werden im Gebäudesektor nicht die in der EU vereinbarten
CO2-Emissionen eingespart, wird der Kauf von Emissionsrechten teuer.
Eine aktuelle Studie der Denkfabrik Agora Energiewende beziffert die
Kosten auf 30 bis 60 Milliarden Euro bis 2030.

Die Verbände betonen, dass Klimaschutz und Sozialverträglichkeit
nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen, sondern viel mehr in
Einklang gebracht werden müssen. Ein Absenken der
Energieeffizienzanforderungen führe nicht zu mehr bezahlbarem
Wohnraum, vielmehr könne ein energetisch ertüchtigter Gebäudebestand
durch verringerte Heizkosten sogar einen Beitrag zu bezahlbarem
Wohnraum leisten.

Die steuerliche Förderung für Eigenheimbesitzer darf nicht mehr
auf die lange Bank geschoben werden. Eine Verbesserung der
Rahmenbedingungen für Energieeffizienz und Erneuerbare Energien im
Neubau und Bestand schafft zudem Planungssicherheit- und
Investitionssicherheit, so die Meinung der Verbände.

Die Verbände fordern, dass in der angekündigten Gebäudekommission
alle beteiligten Akteure am Tisch sitzen und Klimaschutz und
Energieeinsparziele im Blick behalten werden.



Pressekontakt:
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin DUH, 0170
7686923, metz@duh.de

Christian Noll, geschäftsführender Vorstand DENEFF, 030 36409701,
christian.noll@deneff.org, www.deneff.org

Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer BuVEG, 030 31011090,
janpeter.hinrichs@buveg.de www.buveg.de

Tobias Dworschak, Geschäftsführer VfW, 0511 365900,
tobias.dworschak@vfw.de, www.vfw.de

Katja Weinhold, Pressesprecherin BWP, 030 208799716,
weinhold@waermepumpe.de, https://www.waermepumpe.de/

DUH-Pressestelle:

Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de

www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe

+++ Doppelsendungen bitten wir zu entschuldigen +++

Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell


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