(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Die Achillesferse des Papstes / Franziskus gibt sich als Vorkämpfer gegen Missbrauch. Seine Vergangenheit erzählt eine andere Geschichte. Von Julius Müller-Meiningen

Geschrieben am 19-09-2018

Regensburg (ots) - Papst Franziskus ist ein Reformer. Er hat den
Schutz der Umwelt ganz oben auf die Agenda der katholischen Kirche
gesetzt. Er versucht, starre Traditionen aufzubrechen. Im Zentrum
seiner Aufmerksamkeit stehen nicht die besonders eifrigen oder
vorbildlichen Christen, sondern arme, kranke oder an den Rand
gedrängte Menschen. Aus diesen und anderen Gründen setzten viele
Menschen zu Recht Hoffnungen auf den Papst. Auch beim Thema
Missbrauch macht Franziskus vieles richtig. Er hat bald nach
Amtsantritt eine Kommission zum Kinderschutz eingesetzt, die
Präventionsmaßnahmen erarbeitet. Der Papst hat Vorschriften
verschärft, er trifft regelmäßig Betroffene, die von Mitgliedern des
Klerus missbraucht wurden. Immer wieder spricht Franziskus von "null
Toleranz" gegenüber Tätern und denjenigen, die Missbrauch vertuschen.
Die Vertuschung, also die jahrzehntelang gepflegte Kultur in der
Kirche, das Ansehen der Institution und ihrer Mitglieder höher zu
bewerten als das Interesse an Aufklärung und Heilung, ist bis heute
das eigentliche Problem. Hier zeigt Franziskus große Schwächen. Die
Kultur der Vertuschung ist die Achillesferse des Papstes. Das gilt
nicht erst, seit ein ehemaliger vatikanischer Nuntius vor Wochen ein
Dossier veröffentlicht hat, demzufolge er den Papst bereits vor fünf
Jahren von den Missetaten des ehemaligen Erzbischofs von Washington,
Theodore McCarrick, informiert habe. Franziskus erkannte McCarrick,
der offenbar mehrere Seminaristen missbraucht hat, erst im Juli die
Kardinalswürde ab. Viel zu spät, sollten die Vorwürfe des Nuntius
zutreffen. Der Papst hat sich seit Beginn seines Pontifikats mit
Männern umgeben, die in Sachen Missbrauch keineswegs über jeden
Zweifel erhaben waren. Am Abend des Konklave durfte etwa der
belgische Kardinal Gottfried Danneels, einer der Regisseure der Wahl,
in unmittelbarer Nähe des neu gewählten Papstes auf der Mittelloggia
des Petersdoms stehen, eine eindeutige Ehrerweisung für den Prälaten.
Der hatte allerdings nur drei Jahre zuvor ein Missbrauchsopfer
aufgefordert, die Vorwürfe gegen seinen Onkel, einen Bischof, der ihn
jahrelang sexuell missbraucht hatte, erst einmal nicht öffentlich zu
machen. Das hinderte Franziskus nicht, Danneels auch als Sondergast
zur Familiensynode einzuladen. In seinen neunköpfigen Kardinalsrat
(K9) berief der Papst mindestens zwei Kandidaten, die inzwischen
entlarvt sind. Kardinal George Pell, den Franziskus mit den
Finanzreformen im Vatikan betraute, steht in Australien vor Gericht,
weil er in den 70er Jahren mehrere Jugendliche selbst missbraucht
haben soll. Auch der Chilene Javier Francisco Errázuriz, ein enger
Weggefährte Bergoglios aus Südamerika, hat nachweislich einen Täter
gedeckt. Pell und Errázuriz sollen im K9 demnächst ersetzt werden. Im
Februar hat Franziskus nun einen Krisengipfel im Vatikan einberufen,
die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen sollen zum Thema beraten.
Doch der Termin und seine Beschlüsse bleiben Makulatur, solange sie
von Kirchenmännern gefasst werden, die drängende Fragen zu ihrer
eigenen Vergangenheit nicht beantwortet haben. Das gilt auch für
Franziskus, der als Erzbischof von Buenos Aires 15 Jahre
Verantwortung in der Diözese trug. Nach Angaben der Organisation
BishopAccountability, die Daten über kirchliche Missbrauchstäter oder
Vertuscher sammelt, entsprach das Verhalten Jorge Bergoglios in
mindestens fünf Fällen nicht seinen heutigen Imperativen. In Fall des
2009 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu 15 Jahren Haft
verurteilten Priesters Julio César Grassi stellte Bergoglio sogar
nachweislich das Wohl der Kirche über das der Opfer. Als Vorsitzender
der argentinischen Bischofskonferenz ließ der heutige Papst eine
vierbändige Studie zur Entlastung des Priesters anfertigen und
leitete diese an die Berufungsrichter weiter, um diese zu
beeinflussen. Das ist erst acht Jahre her. Solange Franziskus sich
seiner Vergangenheit nicht stellt, bleibt er unglaubwürdig.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

654833

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Kommentar: Offenheit bewahren Düsseldorf (ots) - Dass der Hunger chinesischer Staats-Investoren nach deutscher Technologie groß ist, beweisen die Zahlen: Im vergangenen Jahr kauften Chinesen 100 Prozent mehr Beteiligungen in Deutschland als ein Jahr zuvor. Die Bundesregierung ist zu Recht alarmiert, denn nicht selten geht es hier nicht um ein rein unternehmerisches Interesse, sondern um das Interesse des chinesischen Staatskapitalismus, westliche Zukunftstechnologien nach China zu holen und Konkurrenten auszuschalten. Wirtschaftsminister Altmaier tut gut daran, mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar: Konsequente Absage Düsseldorf (ots) - Es ist eine richtige Entscheidung, dass Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet nicht zusammen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die Kölner Ditib-Moschee eröffnen wird. Wie hätte er wohl vermitteln wollen, dass die Landesregierung ihre Beziehungen zu dem Moscheeverband einerseits auf Eis legt wegen dessen zu großer Nähe zur staatlichen Religionsbehörde Diyanet und andererseits deren Kölner Moschee einweiht? Damit wäre der Ministerpräsident seinen eigenen Leuten in den Rücken gefallen. mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar: Karneval der hohen Tiere Düsseldorf (ots) - Ja, ist im politischen Berlin der Karneval ausgebrochen? So viel Narretei ist doch wirklich erstaunlich. Das Konjunkturprogramm für Politikverdrossenheit läuft auf Hochtouren, und keiner bekleckert sich mit Ruhm. Der Kanzlerin ist offenbar jeder politische Instinkt abhanden gekommen, um frühzeitig vernünftige Kompromisse auszuloten. Der CSU-Vorsitzende befördert einen Geheimdienstchef, der öffentlich über angebliche Falschinformationen spekuliert statt echte Verfassungsfeinde zu bekämpfen. Und die SPD-Chefin widersetzt mehr...

  • Badische Zeitung: Gute-Kita-Gesetz: Giffeys Gesellenstück / Kommentar von Bernhard Walkler Freiburg (ots) - Okay, der Name ist ein bisschen kitschig. Aber dafür kann sich der Inhalt des "Gute-Kita-Gesetzes" von Franziska Giffey sehen lassen. Damit legt die Familienministerin, die auch sonst mit Bürgernähe und Vernunft punktet, ein gelungenes Gesellenstück ab. Für die Kita-Förderung hat die Sozialdemokratin zusätzlich zwei Milliarden Euro herausgeholt. Deshalb ist es seltsam, wenn nun von den Grünen und anderen die Klage laut wird, dass Berlin zu kurzatmig und ungenau handele. Nur zur Erinnerung: Die Kitas sind originär mehr...

  • Rheinische Post: Brinkhaus für Wegfall der Grunderwerbsteuer bei Erstkauf eines Eigenheims Düsseldorf (ots) - Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus hat sich vor dem Wohnungsgipfel der Bundesregierung an diesem Freitag für Entlastungen der Bürger bei der Grunderwerbsteuer ausgesprochen. "Ich fände es angemessen, wenn für den ersten Kauf einer selbstgenutzten Immobilie gar keine Grunderwerbsteuer anfiele", sagte Brinkhaus der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Donnerstag). Der Finanzexperte tritt am Dienstag bei der Wahl für den Fraktionsvorsitz gegen Amtsinhaber Volker Kauder an. Die Bundesländer sollten sich bei der Grunderwerbsteuer mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht