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Luxushotel und Oldtimer-Rallye: Toll Collect rechnete beim Bund systematisch zu viel ab

Geschrieben am 09-08-2018

Hamburg (ots) - Der Betreiber der Lkw-Maut, das
Toll-Collect-Konsortium, hat Hunderte von Millionen Euro zu viel beim
Bund abgerechnet. Das Unternehmen rechnete außer den vereinbarten
Betreiberkosten auch Posten ab, die nichts mit der Lkw-Maut zu tun
hatten, darunter eine Oldtimer-Rallye und das soziale Engagement für
ein Kinderheim. Das geht aus Recherchen des NDR Politikmagazins
"Panorama" im Ersten, der ZEIT und ZEIT-Online hervor.

Nach vertraulichen Dokumenten, die "Panorama", ZEIT und
ZEIT-Online einsehen konnten, stellte Toll Collect dem Bund das
Sponsoring der Oldtimer-Rallye Hamburg-Berlin-Klassik, einen Ausflug
der Toll Collect-Chefs ins Brandenburger Luxushotel "Zur Bleiche"
sowie die Unterstützung des Berliner Kinderheims Elisabethstift in
Rechnung. In allen drei Fällen rechnete der Mautbetreiber die
Ausgaben als "Marketingkosten" für die Maut ab, was der vertraglichen
Regelung mit dem Bund widerspricht. Dabei handelt es sich nicht um
Einzelfälle. Laut einem Gutachten der Prüfungsgesellschaft Mazars hat
Toll Collect in nur drei stichprobenhaft untersuchten Jahren
mindestens 298 Millionen Euro zu viel abgerechnet. Ein früherer
Mitarbeiter von Toll Collect, der bis 2012 für die Vergütung durch
den Bund zuständig war und sich nun erstmals öffentlich äußert, nennt
das Abrechnungssystem eine "Einladung zum Betrug". Er hatte 2016
anonym Anzeige erstattet. Dabei ging es um Abrechnungen bei der Maut
auf Bundesstraßen.

Das Verkehrsministerium versuchte offenbar, die Ermittlungen
zugunsten von Toll Collect zu beeinflussen. Nach den vorliegenden
Dokumenten sagte der heutige Verkehrsstaatssekretär Gerhard Schulz
dem zuständigen Berliner Oberstaatsanwalt Wolfgang Kirstein, er könne
sich einen Betrug nicht vorstellen. Außerdem sei das Verfahren "zu
einem sensiblen Zeitpunkt" anhängig. Im Falle "nachgewiesenen
betrügerischen Handelns" dürfte eine Übernahme von Toll Collect
"politisch nicht mehr in Betracht zu ziehen sein". So hielt es der
Staatsanwalt in einer Aktennotiz fest. Schulz war damals noch Leiter
der Abteilung Grundsatzangelegenheiten im Verkehrsministerium.
Gerhard Strate, einer der angesehensten Strafverteidiger
Deutschlands, spricht von einer "Grenzüberschreitung". "Das ist
inakzeptabel und hat mit der Gewaltenteilung in unserem Rechtsstaat
nichts zu tun." Später stellte der Staatsanwalt das Verfahren ein.

Zum Ende des Monats will der Bund Toll Collect für eine
Übergangsphase übernehmen, anschließend soll der Auftrag wieder an
Konzerne vergeben werden. Diese Pläne sah das Ministerium offenbar
gefährdet. Auf Anfrage wollte es zu diesem Vorgang keine Stellung
nehmen.

Zu den überhöhten Abrechnungen teilten das Verkehrsministerium und
Toll Collect mit, es würden nur solche Aufwendungen erstattet, die
vergütungsfähig seien. Eine Oldtimer-Rallye und ein Meeting im Hotel
"Zur Bleiche", so das Verkehrsministerium, seien nicht erstattet
worden. Dass aber abgerechnet wurde, bestreiten weder das Ministerium
noch Toll Collect.

Auch die Prüfer von Mazars stellten fest, dass der Mautbetreiber
das Sponsoring der Oldtimer-Rallye über mehrere Jahre abgerechnet
hatte. Bezogen auf die "Teilnahme an der Rallye
Hamburg-Berlin-Klassik 2012" etwa ergebe sich, zusammen mit
einheitlichen Geschäftsvorfällen, ein Betrag von 79.910,90 Euro, "den
wir in voller Höhe als nicht vergütungsrelevant eingeschätzt haben",
schreiben die Prüfer in ihrem Gutachten.



Pressekontakt:
NDR / Das Erste
Presse und Information
Ralf Pleßmann
Telefon: 040 / 4156 - 2333
Fax: 040 / 4156 - 2199
r.plessmann@ndr.de
http://www.ndr.de

Original-Content von: NDR / Das Erste, übermittelt durch news aktuell


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