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BERLINER MORGENPOST: Mehr Bafög zahlt sich aus / Leitartikel von Tim Braune zum Bafög

Geschrieben am 02-08-2018

Berlin (ots) - Kurzform: Die neue Bildungsministerin Anja
Karliczek (CDU), die Kanzlerin Angela Merkel zur Überraschung selbst
vieler Parteifreunde mit dem wichtigen Kabinettsposten betraute, ist
bislang überaus blass geblieben. Dabei ist der Einfluss des Bundes in
der Bildungspolitik, die Sache der Länder ist, trotz des Fortbestands
des unseligen Kooperationsverbotes gewachsen. Karliczek muss jetzt
Tempo machen, damit spätestens zum Wintersemester 2019/20 wieder mehr
Studenten Bafög beziehen können. Dafür müssen Einkommensgrenzen
angepasst, Frei- und Förderbeträge angehoben werden. Das wird einiges
kosten, vielleicht mehr als die veranschlagte eine Milliarde. Aber
jeder Euro mehr Bafög ist gut investiertes Geld für mehr
Bildungsgerechtigkeit.

Der vollständige Leitartikel: Wer nicht das Glück hatte, in eine
gut behütete Akademikerfamilie hineingeboren worden zu sein, weiß,
was das Bafög für ein Segen sein kann. Hunderttausende Arbeiter- und
Migrantenkinder hätten es in den vergangenen Jahrzehnten ohne die
Ausbildungsförderung nicht geschafft, oft als erstes Familienmitglied
überhaupt an die Uni zu gehen. Die Hälfte eines Jahrgangs - Bachelor
und Master sei Dank - studiert an hoffnungslos überfüllten
Hochschulen. Aber nur 18 Prozent der fast 2,9 Millionen Studierenden
bekommen noch Bafög. Das sind so wenige wie seit 15 Jahren nicht
mehr. Aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung mit steigenden
Löhnen können mehr Familien aus eigener Kraft die Ausbildung ihrer
Kinder bezahlen. Auch ist der durchschnittliche Förderbetrag, den ein
Student 2017 erhielt, um 7,5 Prozent auf 499 Euro gestiegen, bei
Schülern etwas weniger stark. Allerdings gab es zwischen 2010 und
2016 Nullrunden. Zum Leben reicht das Bafög-Geld in den allermeisten
Studentenstädten hinten und vorne nicht. Viele Eltern, die knapp über
den Bafög-Einkommensgrenzen liegen, schnallen den Gürtel lieber
enger, als eine Förderung zu beantragen, damit die Tochter oder der
Sohn im Hörsaal sitzen kann. Das führt dazu, dass diese Studenten aus
der Statistik fallen. Aber statt für das nächste Seminar oder die
Diplomarbeit zu büffeln, kellnern sie in der Kneipe oder sitzen an
der Ladenkasse, um über die Runden zu kommen. In Metropolen wie
München, Frankfurt oder Hamburg kostet ein WG-Zimmer mitunter über
500 Euro. Die starre Wohnkostenpauschale beim Bafög deckt das nicht
ab. Hier muss sich dringend etwas ändern. Wie etwa durch eine
regionale Staffelung, denn die Mietpreise sind nicht überall gleich.
Alarmierend bleibt, dass gute Bildung wie in kaum einem anderen
Industrieland so stark vom Geldbeutel und der Herkunft der Eltern
abhängt. Kinder aus nicht akademischen Haushalten haben es viel
schwerer, mit einem Studium einen großen Schritt zu einem gut
bezahlten Beruf zu machen. Statistiken sprechen eine seit Langem
unverändert deutliche Sprache: Von 100 Kindern, deren Eltern nicht
studiert haben, gehen 21 an eine Hochschule, schaffen 15 einen
Bachelor, machen acht den Master - und nur einer promoviert. Von 100
Kindern mit mindestens einem studierten Elternteil erreichen 74 eine
Hochschule, schaffen 63 einen Bachelor, machen 45 den Master und
promovieren zehn. Umso wichtiger sind Bafög und Studienkredite, damit
klugen Arbeiter- und Migrantenkindern nicht der Aufstieg verbaut
wird. Angesichts des Fachkräftemangels kann eine Industrienation,
deren wichtigster Rohstoff gute Bildung ist, auf diese Köpfe nicht
verzichten. Die Koalition hat das nach jahrelangem Stillstand
erkannt. Union und SPD wollen bis 2021 insgesamt eine Milliarde Euro
lockermachen. Das ist ein überfälliger und richtiger Schritt. Die
neue Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU), die Kanzlerin Angela
Merkel zur Überraschung selbst vieler Parteifreunde mit dem wichtigen
Kabinettsposten betraute, ist bislang überaus blass geblieben. Dabei
ist der Einfluss des Bundes in der Bildungspolitik, die Sache der
Länder ist, trotz des Fortbestands des unseligen Kooperationsverbotes
gewachsen. Karliczek muss jetzt Tempo machen, damit spätestens zum
Wintersemester 2019/20 wieder mehr Studenten Bafög beziehen können.
Dafür müssen Einkommensgrenzen angepasst, Frei- und Förderbeträge
angehoben werden. Das wird einiges kosten, vielleicht mehr als die
veranschlagte eine Milliarde. Aber jeder Euro mehr Bafög ist gut
investiertes Geld für mehr Bildungsgerechtigkeit.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell


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