(Registrieren)

Westfalen-Blatt: das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum deutschen WM-Aus

Geschrieben am 28-06-2018

Bielefeld (ots) - Auf der Anklagebank saß Joachim Löw gar nicht,
es kam ihm vielleicht so vor. Die Rechtfertigung, die der
Fußball-Bundestrainer vorzubringen hatte, war mit einem Unterton
versehen, der nach Entschuldigung klang: Er habe nach »bestem Wissen
und Gewissen« aufgestellt. Beides musste ihm also die Namen von Özil
und Khedira eingeflüstert haben, die er trotz unzureichender
WM-Darbietung überraschend wieder zurück ins Spiel nahm gegen
Südkorea. Ein »Impuls« hätte das sein sollen, sagte der
DFB-Chefcoach, von seinem Instinkt ist Löw in diesem Fall leider
verlassen worden.

Nun bleibt der Schwarzwälder immer noch der Weltmeistertrainer von
2014. 2018 ist er allerdings ein Trainer, der nicht einmal mehr die
Vorrunde überstand. Einen Waschgang, der diesen Fleck von der Weste
beseitigt, gibt es nicht. So was bleibt. Der Deutsche Fußball-Bund
wird Löw nicht vom Hof jagen deswegen, und ob er sich selbst
entlässt, weiß der 58-Jährige, der erst 46 war, als er anfing, so
kurz nach dem Desaster auch noch nicht so genau.

Einige seiner Entscheidungen sind zu hinterfragen, mit der
Nibelungentreue zu seinen behäbigen Weltmeistern machte Löw in
Russland gemessen am Confed Cup vor einem Jahr einen Schritt zurück.
Legte die siegreiche und motivierte Alternativformation damals die
Absicht zur Runderneuerung nah, so stellt sich das nun anders dar.
Löw wollte das Vermögen der amtierenden Champions-Generation
offenkundig ein letztes Mal ausreizen, es ging grandios schief. Vom
hohen Ross sind sie gefallen.

Mit dem von schlaffer Körpersprache kongenial unterstützten
Baldrian-Fußball war ein Weiterkommen schlechterdings unmöglich,
zumal der typische Reflex der vermeintlich Kleinen, Angst vor dem
Titelverteidiger zu haben, schlicht nicht mehr vorhanden ist.
Zwischendurch wollte Löw zeigen, dass er in sich ruht und die Dinge
sich schon richten lassen, da posierte er an einem Laternenpfahl in
Sotschi, und die Fotografen schossen ihn nur allzu bereitwillig ab
bei dieser gestelzten Geste. Den Gegenentwurf gab's dann später, als
ein hibbeliger Bundestrainer hypernervös an der Seitenlinie
herumfuchtelte. Geholfen hat es nicht. Und nun? Soll er bleiben? Muss
Löw weg? So einfach ist das nicht, es schwimmen kaum Fische im
Kandidaten-Pool. Wichtigste Frage daher: Hätte er überhaupt die
Inspiration und das Interesse, den Job sozusagen noch einmal neu zu
beginnen?

Auch das Verhältnis zum Team-Manager Oliver Bierhoff spielt eine
Rolle. Der Quartier-Zwist Watutinki vs. Sotschi (zugespitzt: Karo
einfach gegen Fünf Sterne) ist zu nennen, wobei es natürlich komplett
lächerlich wäre, den spröden Sportschulencharme verantwortlich zu
machen für das Dahinscheiden. Die - zugegeben subjektive -
Beobachtung ist, dass dieser ausschließlich selbst eingebrockte und
von Störfeuern wie der Erdogan-Gündogan-Özil-Entgleisung mit
heraufbeschworene K.o. wenig bis gar kein Mitgefühl auslöst.

Das liegt auch daran, dass die Nationalmannschaft längst über der
Basis schwebt und sich als trendy Lifestyle-Einrichtung anbiedert.
Slogans wie »Best never rest«, das erst recht unsägliche #zsmmn oder
das bewusst kommerziell komponierte »Fanclub der Nationalmannschaft
powered by CocaCola« lösen das Team immer noch weiter vom
Traditionellen und deuten an, dass die Marketing-Maschine auf weit
höherer Drehzahl läuft als der gerade entthronte Weltmeister.

Aber bitte: Deutschland hat wirklich andere Sorgen im Augenblick,
und mehr als Fußball ist es dann auch wieder nicht.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

644372

weitere Artikel:
  • Das Erste, Freitag, 29. Juni 2018, 5.30 - 9.00 Uhr Gäste im ARD-Morgenmagazin Köln (ots) - 8.05 Uhr, Hans Michelbach, stell. Vorsitzender CSU-Landesgruppe, Thema: EU-Gipfel Pressekontakt: Weitere Informationen unter www.ard-morgenmagazin.de Redaktion: Martin Hövel Kontakt: WDR Presse und Information, wdrpressedesk@wdr.de, Tel. 0221 220 7100  Agentur Ulrike Boldt, Tel. 02150 - 20 65 62 Original-Content von: ARD Das Erste, übermittelt durch news aktuell mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Tschechien: Demokratie geht anders von Ulrich Krökel Regensburg (ots) - Nach 1989 galten die jungen Demokratien im östlichen Mitteleuropa lange als Reform-Musterknaben und Hoffnungsträger für das zusammenwachsende Europa. Die Polen, die Ungarn, die Tschechen und Slowaken hatten in friedlichen Revolutionen siegreich für die Freiheit gekämpft. Das machte sie, so dachte man damals weiter westlich, quasi automatisch zu vorbildlichen Demokraten. Der Lohn war die EU-Osterweiterung 2004, von der Kritiker später sagten, sie sei viel zu früh gekommen. Die Musterknaben seien noch längst nicht mehr...

  • Badische Zeitung: Gipfel in Helsinki: Misstrauen ist angesagt / Kommentar von Thomas Fricker Freiburg (ots) - Ex-Geheimdienstmann Putin wird Trump zu umgarnen wissen. Gut möglich, dass in dessen beschränkter Weltsicht die Toten in Syrien oder der russische Völkerrechtsbruch auf der Krim dann spontan zu Petitessen schrumpfen. Eine Kostprobe davon hat Trump auf dem G7-Gipfel geliefert, als er die Rückkehr Russlands in diesen Kreis forderte, ohne darüber nachzudenken, warum Moskau daraus verbannt worden war. Auf die Europäer, die derzeit fürwahr Probleme genug haben, kommt womöglich ein neues hinzu: der Umstand, dass Trump mit mehr...

  • Rheinische Post: KOMMENTAR Deutsche Tugend Düsseldorf (ots) - VON MARTIN KESSLER Wenigstens beim Sparen sind die Deutschen weiterhin Weltmeister. Mit einer Sparquote 2018 von über zehn Prozent des verfügbaren Einkommens gehören die Menschen hierzulande zur Spitzengruppe der Sparer in den Industrieländern, getoppt nur noch von der Schweiz. Insgesamt haben die Deutschen 6,6 Billionen Euro auf der hohen Kante, das Doppelte des Bruttoinlandsprodukts, also des Wertes aller in diesem Jahr produzierten Waren und Dienstleistungen. Die Sparquote ist wieder so hoch wie vor der mehr...

  • Rheinische Post: KOMMENTAR Jetzt geht es um alles Düsseldorf (ots) - VON EVA QUADBECK In diesen Tagen geht es für die Bundeskanzlerin um weit mehr als um einen Machtkampf mit der CSU. Es geht um ihre Überzeugungen, um ihr Amt und um ihr Erbe. Sie kennt natürlich die Planspiele ihrer Gegner. Sie weiß, wer den Dolch im Gewand trägt. All das lässt sie sich nicht anmerken. Mit dieser demonstrativen äußeren Gelassenheit hat sie 13 Jahre Deutschland regiert. Ob sie sich mit dem Prinzip der kleinen Schritte und der Konzentration auf die Sachfragen noch einmal retten kann, entscheidet mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht