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Mittelbayerische Zeitung: Gewinner und Verlierer / Leitartikel zum "Fall Wolbergs":

Geschrieben am 01-03-2018

Regensburg (ots) - Es gibt nach diesem Donnerstag klare Gewinner
und einen Verlierer. Letzterer ist die Regensburger
Staatsanwaltschaft. Der Vorwurf der Bestechung und Bestechlichkeit
gegen Joachim Wolbergs, den Bauträger Volker Tretzel, dessen früheren
Mitarbeiter sowie gegen den Stadtrat Norbert Hartl hat das
Landgericht Regensburg als zumindest derzeit nicht haltbar angesehen.
Womit auch die Frage der Gewinner geklärt ist, die sich nun nur noch
wegen des Vorwurfs der Vorteilsannahme und -gewährung sowie wegen
Verstoßes gegen das Parteiengesetz vor Gericht verantworten müssen.
Fest steht aber auch: Der Fall Wolbergs spaltet und wird es weiterhin
tun. Ob die Entscheidung ein Sieg oder eine Niederlage für den
suspendierten Regensburger Oberbürgermeister darstellt, diskutierten
die Nutzer der Sozialen Medien gestern kontrovers. Es gehe doch jetzt
"nur mehr" um Vorteilsannahme und -gewährung, lautet das Argument der
einen. Das der anderen, dass Wolbergs dennoch vor Gericht muss und
Vorteilsannahme auch kein Kavaliersdelikt sei. Beide Seiten haben
Recht. Recht sprechen aber muss nun das Gericht. Nicht die
Öffentlichkeit. Das tat sie schon zu lange. Die wichtigste Nachricht
für alle, auch für den suspendierten Oberbürgermeister, dürfte sein,
dass nun etwas passiert. Wolbergs wartet seit einem Jahr auf eine
Entscheidung. Man muss ihn nicht mögen oder Mitleid mit ihm haben.
Aber ein Jahr des Wartens, in dem sich ein nach eigenem Bekunden
Unschuldiger mit nichts anderem befassen kann als mit dem, was ihn
erwartet, ist ein Zustand, den sich niemand wünschen kann. Doch hat
sich die lange Zeit, die sich das Gericht für die Prüfung der
Unterlagen genommen hat, offenbar gelohnt. Die schwersten Vorwürfe
gegen die Beschuldigten sieht das Gericht zum jetzigen Stand für
nicht mehr haltbar. Zu freien Männern macht es sie dennoch nicht,
auch wenn die Haftbefehle aufgehoben sind: Es wird einen Prozess
geben, in dem vieles ans Licht kommen und an dessen Ende immer noch
eine Schuld festgestellt werden kann. Und eine Haftstrafe drohen; es
geht schließlich nicht um Bagatellen. Wolbergs und seine
Mitangeklagten müssen sich allen Vorwürfen stellen. Der große Vorteil
ist, dass sie das nun auch wirklich tun können. Und dass sie sich im
Gegenzug verteidigen können. Dieser Vorteil gilt aber nicht nur
ihnen. In den vergangenen Monaten fand eine Art Verhandlung bereits
in der Öffentlichkeit statt. Sie wurde unterfüttert von einer
medialen Berichterstattung, auch bei uns, die geprägt war von
Halbwissen. Das bedeutet nicht, dass wir oder andere unwahr berichtet
hätten. Sondern, dass wir immer nur über bestimmte Dinge berichten
konnten. Dass wir nur an bestimmte Informationen kamen, weil die
Gegenseite nicht mit uns sprechen konnte oder wollte - weil wir in
ihren Augen auf eine Vorverurteilung aus waren; das waren wir nicht.
Es war ein Hase-und-Igel-Spiel, bei dem die Rollen wechselten. Es war
auch ein Spießrutenlaufen für uns, weil wir damit rechnen mussten,
Post von den Anwälten zu erhalten, die uns zu Recht oder Unrecht
ermahnten oder versuchten, unsere Berichterstattung zu stoppen.
Festzuhalten ist aber auch, dass es den Anwälten sicher nicht unrecht
war, die öffentliche Stimmung durch diese Art von Berichterstattung
zumindest lenken zu können, dass Zweifel aufkamen. Wer sich privat
über den Fall austauschte, hörte oft, dass ja wohl nichts dran sei,
wenn das alles so lange dauerte, oder, dass diese oder jene Nachricht
ja wohl bedeuten müsse, dass alle Vorwürfe haltlos sind. Oder das
Gegenteil. Regensburg steht nun vor einem Mammutprozess - und das ist
eine gute Nachricht. Es ist Zeit, dass in einem Verfahren alle
Vorwürfe geklärt werden können. Dass ein Urteil gefällt werden kann.
Und die Stadt dieses Kapitel abschließen kann.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

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