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Weltgrößtes F&I-Förderprogramm: EU-Milliarden für Innovationen, nicht für Autobahnen

Geschrieben am 28-02-2018

Berlin (ots) -

Sperrfrist: 28.02.2018 12:00
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Zentrale Aufgabe deutscher Europa-Politik - Unübersichtliche
Förderlandschaft vereinfachen - Gründung einer "Agentur für radikale
Innovationen" außerhalb der EU-Strukturen notwendig - Trotz Brexit:
Großbritannien bei F&I eng an EU binden

Im neuen Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und
Innovation (EFI), das der Bundeskanzlerin in Berlin übergeben wurde,
gehen die Wissenschaftler auf die Herausforderungen der europäischen
Forschungs- und Innovationspolitik ein. "Mit einem Fördervolumen von
knapp 75 Milliarden Euro für den Zeitraum von 2014 bis 2020 ist das
EU-Forschungsrahmenprogramm mit Namen Horizont 2020 das weltweit
größte, in sich geschlossene Forschungs- und Innovationsprogramm. Die
deutsche Europapolitik muss die Innovationsorientierung der
EU-Rahmenprogramme auch in Zukunft entschieden weiterentwickeln",
fordert der Vorsitzende der Expertenkommission, Prof. Dietmar Harhoff
vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb.

Die europäische F&I-Politik finanziere und organisiere Forschungs-
und Innovationsaktivitäten mittels verschiedener Programme und
Instrumente. Horizont 2020 sei primär auf die Förderung von
exzellenter Forschung ausgerichtet. Das unterstützt die Kommission
nachdrücklich: "Diese Orientierung sollte bei der Gestaltung des 9.
Forschungsrahmenprogramms beibehalten und nicht durch Aufnahme
zusätzlicher Elemente verwässert werden." Gleichzeitig müssten die
Mittel der Struktur- und Investitionsfonds von den nationalen
Regierungen zielgerechter und effektiver als bisher zur Förderung von
Forschung und Innovation (F&I) eingesetzt werden. Dafür bedürfe es
einer entsprechend starken Steuerung (Governance). So sollte
beispielsweise bereits bei der operativen Planung der jeweiligen
nationalen Förderung ein EU-Gremium mit einbezogen werden. Prof.
Harhoff: "Wir wünschen uns, dass hier eine stärkere Kontrolle seitens
der EU etabliert wird, um die Mittel zielgerichtet für Innovationen
und nicht etwa für Autobahnen einzusetzen."

Die Förderung von F&I zur Überwindung von Entwicklungsrückständen
in innovations-schwächeren Regionen, ebenfalls eine EU-Aufgabe, müsse
viel stärker auf Beiträge zu Forschung und Innovation fokussiert
werden.

Die Expertenkommission verweist zugleich darauf, dass "die
F&I-Politik der EU ein noch relativ junger Politikbereich ist,
gekennzeichnet durch ausgesprochen ambitionierte Zielformulierungen".
Bereits im Jahr 2000 formulierte der Europäische Rat in Lissabon die
Absicht, Europa bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten
wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. In diesem
Zusammenhang äußerte die EU auch das Ziel, die Ausgaben für Forschung
und Entwicklung (FuE) bis 2010 in allen EU-Ländern auf 3 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu steigern. Wenige Jahre später wurde
dann das European Institute of Technology (EIT) mit der Absicht
gegründet, eine europäische Antwort auf das US-amerikanische
Massachusetts Institute of Technology (MIT) zu schaffen. Prof.
Cantner von der Universität Jena und Mitglied der Expertenkommission
dazu kritisch: "Alle drei Ziele verbindet, dass ihre Realisierung
wohl bereits zum Zeitpunkt ihrer Formulierung weit jenseits des
Machbaren lag. Die aktuelle Diskussion um das European Innovation
Council (EIC) weist hierzu Parallelen auf. Die hier formulierten
Erwartungen sind derart ambitioniert und vielfältig, dass sie kaum zu
erfüllen sind." Die Expertenkommission ist besorgt, dass das
wiederholte deutliche Zurückbleiben hinter selbst gesetzten Zielen
die Glaubwürdigkeit der europäischen F&I-Politik untergräbt.

Da die Strukturen der europäischen F&I-Politik sehr komplex seien
und die Zuständigkeiten fragmentiert, sieht die Expertenkommission
"in der Konsolidierung und Vereinfachung der europäischen
F&I-Strukturen eine zentrale Aufgabe nationaler und europäischer
Politik", so Prof. Cantner. "Diese Aufgabe muss Vorrang vor der
Einrichtung neuer Institutionen und der Entwicklung zusätzlicher
Förderinstrumente haben."

Die Expertenkommission kritisiert die Einrichtung des European
Innovation Council auf Basis des aktuellen Pilotprojektes, da die
Einbindung des EIC in das institutionelle Gefüge der europäischen
F&I-Politik unklar und die inhaltliche Ausrichtung unzureichend
begründet ist. Die Expertenkommission ist zudem "skeptisch, ob die
Schaffung einer neuen EU-Institution der beste Weg ist, um radikale
Innovationen effektiv zu fördern". Die dafür notwendigen kurzen
Entscheidungswege und flexiblen Strukturen seien innerhalb der auf
Interessenausgleich und Länderproporz ausgerichteten EU-Strukturen
nur schwer zu realisieren. Prof. Cantner: "Die Expertenkommission
empfiehlt den Aufbau einer Institution zur Förderung radikaler
Innovationen außerhalb der EU-Strukturen. Mit dem Konzept zur
Einrichtung einer Agentur für radikale Innovationen in Deutschland
sowie der französischen Joint European Disruptive Initiative (JEDI)
liegen hierzu zwei inhaltlich unterschiedlich strukturierte
Vorschläge bereits auf dem Tisch."

Abschließend verweist Prof. Harhoff noch auf die Problematik des
Brexit in punkto F&I: "Großbritannien hat eines der
leistungsfähigsten F&I-Systeme Europas. Wir raten dringend zu einer
möglichst engen Anbindung des Landes an die europäischen Strukturen.
Idealerweise würde sich die Einbindung am norwegischen Modell
orientieren. Ratsam ist also ein sanfter Brexit mit möglichst wenigen
Änderungen des Status quo. Die Briten werden hoffentlich die Vorzüge
sehen und dieses Modell wählen." In diesem Fall wären die Fortführung
bewährter Kooperationen im Rahmenprogramm, die Mobilität von
Forscherinnen und Forschern zwischen britischen und
kontinentaleuropäischen Einrichtungen sowie der ungehinderte
Wissensaustausch weiterhin leicht möglich.

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit Sitz in
Berlin leistet seit über zehn Jahren wissenschaftliche
Politikberatung für die Bundesregierung und legt jährlich ein
Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer
Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Wesentliche Aufgabe der EFI ist
es dabei, die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems
im internationalen und zeitlichen Vergleich zu analysieren und die
Perspektiven des Forschungs- und Innovationsstandorts Deutschland zu
bewerten. Auf dieser Basis entwickelt die EFI Vorschläge für die
nationale Forschungs- und Innovationspolitik.



Pressekontakt:
Dr. Helge Dauchert (Leiter der EFI-Geschäftsstelle)
E-Mail: helge.dauchert@e-fi.de
Tel: 030 / 322 982 562
www.e-fi.de

Original-Content von: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, übermittelt durch news aktuell


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