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Mittelbayerische Zeitung: Donald Münchhausen

Geschrieben am 31-01-2018

Regensburg (ots) - Stellen wir uns für einen Moment vor, der
Präsident, der seine "State-of-the-Union" 82 Minuten lang vom
Teleprompter ablas, sei der wahre Donald Trump. Ein Mann, der darauf
verzichtet, andere Länder als "Dreckslöcher", Einwanderer als
"Vergewaltiger" und den Oppositionsführer im Senat als "Schreibaby"
zu denunzieren. Stellen wir uns darüber hinaus vor, dieser Präsident
Trump benutzte seine Ausführungen bloß, seine Politik in etwas
günstigerem Licht erscheinen zu lassen. Nicht einer, dem die
Faktenprüfer im zurückliegenden Jahr mehr als 2000 Halbwahrheiten,
Falschaussagen und glatte Lügen nachgewiesen haben. Stellen wir uns
schließlich vor, der Führer der Vereinigten Staaten von Amerika sei,
wie etwa Abraham Lincoln, wirklich daran interessiert, eine
zerrissene Nation wieder zusammenzubringen. Ein Präsident, der nicht
Religion, Rasse oder Herkunft benutzt, um die Gräben in der
Gesellschaft zu vertiefen. Träfe all dies zu, hätte Donald Trump vor
dem Kongress, eine für seine Standards halbwegs passable Rede
einstudiert. Fast "präsidial", wie ein paar Beobachter hinterher
anmerkten. Doch Stilkritik ist im Fall des 45. Präsidenten der USA
ein absurder Maßstab. Dass Trump einen von seinen Redenschreibern
über Tage vorformulierten Text ohne Abweichungen vorträgt, kann kaum
eine ersthafte Analyse dieses denkwürdigen Auftritts sein. Der echte
Trump, ist der ohne Teleprompter, der morgens Gift an seine
Twitter-Gemeinde versprüht. Ein Präsident der als Versöhnung
versteht, unter den rassistischen Fackelträgern von Charlottesville
anständige Leute auszumachen. Oder der denkt, Amerika werde wieder
großartig, indem er aus dem Pariser Klimaabkommen ausschert, mit
einem Atomschlag kokettiert, die Lunte am Pulverfass des Nahen Osten
anzündet. Mit alldem im Hinterkopf fällt es nicht schwer, Trumps
erste "State of the Union" als Märchenstunde zu begreifen. Geradewegs
abenteuerlich ist die Behauptung, er habe als Präsident das Vertrauen
der Bürger in den Staat wiederhergestellt. Das Gegenteil ist richtig.
Nicht Optimismus durchzieht das Land, sondern Sorge über die
abgrundtiefe Spaltung. Statt Gräben zu überbrücken, riss Trump mit
dieser Rede neue Schluchten auf. Der vorgebliche Versöhner, entpuppt
sich als Spalter, der seinen Zuhörern mit Zucker ummantelte
Giftpillen unterjubelt. Dass Amerikaner auch Träumer sind, klingt
gut. Dies zu benutzen, um die Hoffnungen der 800 000 "Dreamer"-Kinder
zu entwerten, und deren Schicksal zur Verhandlungsmasse für seine
"schöne große Mauer" zu machen, ist infam. Trump schürt auch
Unfrieden, wenn er die allgemeine Krankenversicherung seines
Amtsvorgängers Barack Obama als "desaströs" bezeichnet und mit Blick
auf die Proteste von schwarzen Sportlern sagt, wahre Amerikaner
"stehen stolz bei der Nationalhymne". Auch in der Außenpolitik sucht
Trump nicht den Ausgleich, sondern den Konflikt. Von Iran über
Jerusalem bis Nordkorea: Völlig überflüssiger Weise unterschrieb er
vor seiner Rede ein Dekret, das die Militärs anweist, das Lager in
Guantanamo wieder mit Gefangenen zu füllen. Dass dies ein "neuer
amerikanischer Moment" ist, glauben wohl nur Trumps Claqueure und er
selber. Die wirkliche Lage der Nation ist so schwach wie selten
zuvor. Daheim sind die Amerikaner gespaltener denn je. Im Ausland
fehlt ihnen der Respekt. Und über all dem präsidiert eine Person, die
über 82 Minuten versucht, staatsmännisch zu sein, aber nach einem
Jahr im Amt ziemlich jede Glaubwürdigkeit verloren hat.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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