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Mittelbayerische Zeitung: Die EU fährt Achterbahn / Nach der Pleite mit Trump beschwört Merkel Europas Stärke. Doch erst muss die EU ihre Hausaufgaben machen.

Geschrieben am 29-05-2017

Regensburg (ots) - Nach der diplomatischen Achterbahnfahrt des
europäisch-amerikanischen Gipfel-Wochenendes will sich Europa in
Zukunft mehr auf sich selbst verlassen. Das hat Angela Merkel, die
derzeit mächtigste Frau in der EU, recht unverblümt erklärt. Die
französische Zeitung "Liberation" will im Zusammenspiel Merkels mit
dem neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron gar ein neues
"Powerpaar" auf europäischer Bühne entdeckt haben. Aber kommt der
viel beschworene deutsch-französische Motor wirklich wieder in Gang?
Und kann die EU in ihrer heutigen Struktur und inneren Befindlichkeit
tatsächlich eine eigenständige, selbstbewusste Rolle auf der
Weltbühne spielen? Geht man die Bereiche, wo die Zusammenarbeit mit
den USA nicht mehr oder nur schlecht funktioniert, der Reihe nach
durch, ist die Bilanz ernüchternd. Ein Beispiel ist die
geheimdienstliche Kooperation. Natürlich ist es zutiefst verstörend,
dass als vertraulich eingestufte Erkenntnisse befreundeter
Geheimdienste wohl schon mehrfach vom neuen amerikanischen
Präsidenten gegenüber russischen Gesprächspartnern ausgeplaudert
wurden. Doch auf Hinweise amerikanischer Quellen sind die Europäer
auch in Zukunft angewiesen. Ihre eigenen Ressourcen sind nicht groß
genug. Und es hapert an der Kooperation. Oft klappt der Austausch mit
Washington deutlich besser als untereinander. Auch beim heiklen Thema
Freihandel ist in der EU nicht alles eitel Sonnenschein. Erste Ideen
des neuen französischen Präsidenten darüber, wie er heimische Firmen
und soziale Besitzstände französischer Arbeitnehmer gegen
ausländische Konkurrenz verteidigen will, tragen deutlich
protektionistische Züge. Von Trumps "America first" oder den forschen
Reden der britischen Premierministerin über einen "harten Brexit" ist
das gar nicht so weit entfernt. Wenn aber Großbritannien der EU den
Rücken kehrt, im extremsten Fall sogar ohne Handelsabkommen, und
Frankreich den schrankenlosen Binnenmarkt infrage stellt, was bleibt
dann vom innereuropäischen Freihandel noch übrig? Wenig besser sieht
es bei einem Thema aus, auf das sich Europa in Kontrast zu Trump
besonders viel zugutehält: Bei den freiheitlich-demokratischen
Grundwerten. In Ungarn und Polen ist der Umbau zu autoritären
Nationalstaaten in vollem Gange. Die Pressefreiheit wird demontiert,
das Verfassungsgericht geknebelt und die EU-Kommission als
zentralistische Kontrollbehörde dämonisiert. Hier steckt die EU in
einem teuflischen Dilemma: Eigentlich müsste sie, um ihre Substanz zu
retten, Abweichlern die Rote Karte zeigen. Gleichzeitig kann sie eine
Austrittswelle im Schlepptau des Brexit überhaupt nicht gebrauchen.
Nur eine bevölkerungsreiche und ökonomisch gewichtige EU kann
glaubwürdig das Ziel verfolgen, sich auf die eigene Stärke zu
besinnen. Ob das gelingt, wird entscheidend vom Ausgang des
britischen Experiments, von einem möglichen Aufschwung in Frankreich
und von den Wählern in Osteuropa abhängen. Bislang sagen die Experten
dem Vereinigten Königreich nach dem Austritt aus der EU einen
dramatischen wirtschaftlichen Einbruch voraus. Macron wird den von
den Franzosen herbeigesehnten ökonomischen Schub nur erreichen, wenn
er seinen Landsleuten die von der EU geforderten unpopulären
Strukturreformen abringt. In Polen und Ungarn muss den Menschen klar
werden, dass die dringend benötigten EU-Subventionen ausbleiben, wenn
sie antieuropäischen Parteien ihre Stimme geben. Die Botschaft muss
lauten: Wer zur EU gehören will, muss sich an die gemeinsam
vereinbarten Spielregeln halten. Und das zahlt sich am Ende aus.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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