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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Trump: Das russische Rätsel von Thomas Spang

Geschrieben am 08-01-2017

Regensburg (ots) - Im Wahlkampf ging der Flirt von Donald Trump
mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin noch als Kuriosität
durch. Wenige Tage vor Einzug in das Oval Office lässt das standfeste
Bestreiten der russischen Cyber-Einmischung in die US-amerikanischen
Präsidentschaftswahlen alle Alarmglocken läuten. Zumal die von den
US-Geheimdiensten vorgelegte Beweislage erdrückend ist. Doch statt
eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe gegen die russischen Hacker
zu fordern, attackiert Trump die Profis in den Sicherheitsbehörden
und die Analysten in den Medien. "Lächerlich" seien die Vorwürfe,
postuliert er, und zitiert als Kronzeugen Julian Assange, den er vor
nicht allzu langer Zeit wegen Verrats noch zu Tode verurteilt sehen
wollte. Widerspruchslos vollziehen die Anhänger des Rechtspopulisten
die Kehrtwende mit. George W. Bushs ehemaliger Redenschreiber Michael
Gerson erkennt dahinter eine "Kinder-Ethik", die Assange und Putin in
den Stand der "Guten" heben, weil sie Trump geholfen hatten. Das mag
ein Ansatzpunkt sein, die Bewunderung Trumps für den russischen
Staatschef zu erklären. Er sieht in Putin einen Verbündeten, der ihm
den Weg zur Macht mit der massiven Einmischung in die inneren
Angelegenheiten ebnen half. Moskau verfolgte in den USA, wie nun auch
vor den Wahlen in Frankreich, Deutschland, Österreich und den
Niederlanden, ein klares Ziel: Es versucht, das Vertrauen der Bürger
in die liberalen Demokratien des Westens zu untergraben. Während das
russische Kalkül hinter der Kombination aus Hackerangriffen,
Falschnachrichten in den sozialen Medien und klassischer Propaganda
via RT News auf der Hand liegt, bleibt rätselhaft, warum sich der
sonst so kraftmeiernde Trump wie ein Streichelkater vor die Füße des
russischen Bären legt. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses
und ehemalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner, John McCain,
warnt vor den Konsequenzen einer solchen Haltung für die nationale
Sicherheit. Demonstrativ besuchte er zur Jahreswende die Ukraine, um
an die Aggression auf der Krim-Halbinsel zu erinnern. Der künftige
US-Präsident scheint seinerseits willens zu sein, die Annexion zu
akzeptieren. Kein Wunder, dass laut abgefangener Kommunikation nach
dem Wahlsieg Trumps im Kreml die (Krimsekt-)Korken knallten. Der
"Washington Post"-Kolumnist Eugene Robinson vermutet den Schlüssel zu
Trumps Liebe zu Russland in der Steuererklärung des Multimilliardärs.
Demnach könnte sein Bauimperium am Tropf russischer Kredite hängen,
die er nicht gefährden will. Andere Analysten spekulieren über einen
großen Strategie-Schwenk in der US-Außenpolitik, deren künftige Säule
ein "Trump-Putin"-Pakt werde. Dieser richte sich gegen die
Volksrepublik China und ginge zulasten West-Europas und speziell
Deutschlands, dessen Wirtschaft vom Außenhandel lebt. Ein solcher
Schwenk käme einem Paradigmenwechsel gleich, der die Stabilität der
Nachkriegsordnung in Europa in bedenklicher Weise aufs Spiel setzte.
Es bleibt zu hoffen, dass der künftige Verteidigungsminister, General
a. D. James N. Mattis, und andere Konservative dem künftigen
Präsidenten die Gefahren einer solchen Politik vor Augen führen.
Gemessen an seinem Umgang mit den Geheimdiensten, die Trump in zwei
Wochen unterstehen werden, gibt es leider wenig Anlass darauf zu
setzen, dieser Präsident werde sich einhegen lassen. Bestenfalls löst
sich das Rätsel hinter Trumps hartnäckiger Ignoranz der russischen
Einmischung mit bloßer Eitelkeit auf. Niemand soll denken, der
Populist habe die Wahlen nur mit russischer Hilfe gewinnen können.
Eitelkeit ist aber, ebenso wie Ignoranz, ein gefährlicher Wesenszug
für einen Mann, der in Kürze die Geschicke der USA lenken wird.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
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