(Registrieren)

Westfalen-Blatt: zum Erdbeben in Italien

Geschrieben am 25-08-2016

Bielefeld (ots) - Wenn in Italien die Erde bebt und Hunderte
Menschen zu Tode kommen, ist die Anteilnahme in Deutschland besonders
groß. Denn das beliebte Urlaubsziel weckt in jeder Hinsicht
Emotionen. In diesen Tagen sind die Gefühle Mitleid und Trauer. Das
Land mit dem größten Weltkulturerbe (47 Stätten) befindet sich
geologisch in prekärer Lage. Das ist nicht neu und reicht weit
zurück. Im Jahr 1688 starben in der Region Kampanien etwa 10 000
Menschen bei einem Beben, 1783 waren es 29 000 in Kalabrien und 1908
gar 60 000 nach einem Erdstoß im Süden der Apennin-Halbinsel. Dass
die Anzahl der Opfer im Laufe der Jahrzehnte deutlich gesunken ist,
kann kein Trost sein. Nach den 309 Toten von L'Aquila im Jahr 2009 -
nur 45 Kilometer vom aktuellen Beben entfernt - hätte man, von
nördlich der Alpen betrachtet, nicht noch einmal mit so vielen Opfern
eines Erdstoßes gerechnet. Doch es ist leicht, vom vor Erdbeben
relativ ungefährdeten Deutschland aus mit dem Finger auf Italien zu
zeigen: schleppende Bürokratie, blühende Korruption, schlechte
Bauqualität. Das mag alles stimmen, aber mit Zeigefingern und
Vorurteilen wird man der Gefährdung und den Menschen nicht gerecht.
24 Millionen Italiener (Gesamteinwohnerzahl: 60 Millionen) wohnen in
Gebieten, die von Erdbeben bedroht sind. Die wenigsten Leute können
sich die Umrüstung ihrer Häuser leisten. Bei vielen alten Gebäuden in
mittelalterlichen Ortskernen, durch die Touristen so gerne
schlendern, ist das auch gar nicht möglich. Und der hochverschuldete
Staat hat keine Mittel, um Milliardenprogramme aufzulegen. Deswegen
klingen die vielen jetzt geäußerten Forderungen wohlfeil. Dass sich
etwas ändern muss, steht außer Frage. Aber es wird sich eben nicht so
viel ändern können. Als vor sieben Jahren in L'Aquila auch viele
Neubauten einstürzten, kam heraus, dass die Häuser nicht nach den
Erdbebenstandards errichtet worden waren. Hier gilt es zuerst
anzusetzen und für mehr Kontrolle zu sorgen. Italien ist ein Land,
das sich bei Katastrophen auf einen engen gesellschaftlichen
Zusammenhalt verlassen kann. Diese Solidarität darf aber nicht die
vorhergehenden Versäumnisse sozialromantisch überdecken. Für Matteo
Renzi ist die Krise eine weitere Bewährungsprobe. Die Banken liegen
am Boden, die Wirtschaft lahmt - und dazu liefert ein Erdbeben
symbolisch aufgeladene Bilder vom Zusammenbruch. Natürlich ist der
Ministerpräsident gestern nicht nach Paris zum Treffen der
Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) gereist. Renzi weiß, dass
er in seinem Land bleiben muss. Und er weiß auch, dass er mit dem
Erdbeben nicht so plump umgehen darf wie 2009 sein Vorvorgänger
Silvio Berlusconi. Politiker können in Katastrophenfällen viel falsch
machen - aber auch viel richtig.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

597661

weitere Artikel:
  • Lausitzer Rundschau: Rechte und Pflichten Zur gefährdeten Bundeswehrmission in der Türkei Cottbus (ots) - Das ist schon starker Tobak: Da hilft die Bundeswehr durch Aufklärungsflüge tatkräftig mit, um terroristische Risiken auch für die Türkei zu mindern. Und zum Dank lässt Ankara keine Bundestagsabgeordneten zu den in Incirlik stationierten deutschen Soldaten reisen. Mindestens genauso verwunderlich ist freilich, dass sich der Berliner Politikbetrieb dies schon seit geraumer Zeit gefallen lässt. Offenbar liefen bislang alle diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung für ein Umdenken des türkischen Präsidenten Erdogan mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Theaterdonner öffentlich Zum Cottbuser Staatstheater Cottbus (ots) - Am Sonntag verwandelt sich Pücklers Park in Cottbus-Branitz wieder in eine fantastische Kulisse, in der das Staatstheater Cottbus neugierig macht auf die neue Spielzeit. Im Vorfeld aber gibt es öffentlichen Theaterdonner. Die neue Spielzeit soll nämlich die letzte in Cottbus für Schauspieldirektor Mario Holetzeck sein. Kurz vor der Spielzeitpause erhielt er von der Theaterleitung die Mitteilung, dass nach neun erfolgreichen Jahren sein Vertrag nicht verlängert wird. Sein Schauspielensemble aber will das nicht hinnehmen. mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Kommentar Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zum Erdbeben in Italien Regensburg (ots) - "Der Notstand als Alltag" - von Julius Müller-Meiningen In schwierigen Situationen, so lautet ein Gemeinplatz, seien die Italiener zu besonderen Leistungen in der Lage. Auch nach dem verheerenden Erdbeben in Mittelitalien ist wieder vom besonderen Zusammenhalt des Landes in einer Krise die Rede. Tatsächlich sind Aufopferung und Hilfsbereitschaft der Retter eindrucksvoll. Das romantisierende Lob der Stärke in der Krise lenkt aber auch von einem vorherigen Versagen ab. Italien wird regelmäßig von Erdbeben heimgesucht, mehr...

  • Das Erste, Freitag, 26. August 2016, 5.30 - 9.00 Uhr Gäste im ARD-Morgenmagazin Köln (ots) - 8.05 Uhr, Katja Kipping, Vorsitzende Die Linke, Thema: Incirlik Pressekontakt: WDR Presse und Information, Annette Metzinger, Tel. 0221-220-7120 Agentur Ulrike Boldt, Tel. 02150 - 20 65 62 Original Content von: ARD Das Erste, übermittelt durch news aktuell mehr...

  • WAZ: Politik ohne Weitsicht - Kommentar von Michael Kohlstadt zum Straßenbau Essen (ots) - Es liest sich wie ein schlechter Witz: Endlich erhält NRW gutes Geld für sein marodes Fernstraßennetz, kann die Bundesmittel aber möglicherweise nicht voll abrufen, weil Ingenieure fehlen. Das ruft Erinnerungen wach an den Planungsstreit zwischen NRW-Verkehrsminister Groschek und Bundesverkehrsminister Dobrindt im vergangenen Sommer. Der CSU-Minister hatte seinem SPD-Landeskollegen damals Versäumnisse vorgeworfen. Nicht ohne Ironie nimmt man ebenfalls zur Kenntnis, dass die für den Aufbau Ost gegründete Deutsche mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht