(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Erdogans neuer Türkei

Geschrieben am 12-08-2016

Bielefeld (ots) - Der Putschversuch in der Türkei dauerte nur ein
paar Stunden. Das Netz der Putschisten war zu klein, zu dünn, zu
elitär. Die Säuberungswelle Erdogans aber dauert nun schon vier
Wochen. Sie reicht weit über die Kreise der Putschisten hinaus.
Schwarze Listen, die in den Schubladen der Regierungspartei AKP
schlummerten, werden abgearbeitet. Darauf stehen nicht nur
Offiziere der Armee, sondern auch Lehrer, Erzieher, Polizisten,
Banker, Beamte, Diplomaten, Anwälte, Richter, Journalisten, Ärzte -
alle, die irgendwann sich mal gegen den Despoten geäußert oder
religiös, politisch und sozial irgendwie in Opposition zu ihm stehen.
Der Despot vom Bosporus nutzt das »Geschenk Allahs«, wie seine
Anhänger und er selbst den Putschversuch nennen, um aus der Türkei
ein islamisch geprägtes Kalifat mit demokratischem Schleier zu
schnitzen. Es ist in der Tat mehr als ein Rachefeldzug. Seit
Montesquieu, Locke, Hobbes, Milton und anderen wissen wir: Die
Herrschaft des Volkes ruht auf der Teilung der Gewalten in Exekutive,
Legislative und Judikative. Seit der Unabhängigkeit der Vereinigten
Staaten von Amerika, der Französischen Revolution oder auch der
Paulskirchenverfassung wissen wir, dass Pressefreiheit zur Demokratie
gehört. Mehr noch: Diese vierte Gewalt übt zusammen mit der dritten
Gewalt (Justiz) die eigentliche Kontrolle in der parlamentarischen
Demokratie aus. Denn das Parlament stützt in der Regel mit seinen
Mehrheiten die erste Gewalt. Entscheidend sind freie Wahlen und dafür
entscheidend sind die vierte und dritte Gewalt. Gerade gegen diese
tragenden Pfeiler der freiheitlichen Demokratie aber geht Erdogan mit
brutalen Mitteln vor. Das Primat des Rechts gilt nicht mehr in
Erdogans Gesinnungsdiktatur. Er kann Wahlen abhalten und
international überwachen lassen - die Entscheidungen fallen im
Vorfeld gleichgeschalteter Meinungen und vor den Tribunalen gelenkter
Roben. Es ist ein kalter Staatsstreich. Aber die Wende gilt auch für
die Außenpolitik. Erdogan orientiert den AKP-Staat in Richtung
Moskau. Das hat handfeste wirtschaftliche Interessen. Die Türkei,
jetzt schon nach Deutschland zweitgrößter Abnehmer russischen Gases,
soll noch stärker beliefert werden und auch als Durchgangsland für
eine Pipeline nach Südeuropa dienen. Damit würde Russland
unabhängiger von einem Transit durch die Ukraine, und die Türkei zur
Drehscheibe für den Öl-und Gashandel. Im großen Spiel um die
Energieversorgung Europas verschieben sich die Gewichte. In Brüssel,
Berlin, Paris oder auch London und Washington schaut man gebannt weg,
wie eine Demokratie untergeht. Europa und die Nato sollten sich aber
darauf einstellen, dass die Türkei zu den unsicheren und instabilen
Kantonisten zählen wird.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

596869

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Kuba Bielefeld (ots) - Kuba war über viele Jahre Spielball der USA. Erst Fidel Castro war es gelungen, seinen Landsleuten ihre Würde zurückzugeben. Der Revolutionär sorgte dafür, dass seine Landsleute kostenfreie Bildung bekamen und er baute die angeblich beste Gesundheitsversorgung Lateinamerikas auf. Noch heute soll etwa die Kindersterblichkeit zu den niedrigsten weltweit gehören. Castro hat sich zweifellos Verdienste erworben. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass Meinungsfreiheit und Opposition tabu sind. Zudem hat Castro mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Berlin muss in die Welt hinaus - Kommentar von Andreas Abel Berlin (ots) - Berlin ist beliebt, nicht nur bei Touristen, auch bei Investoren. Wir erleben eine sehr gute wirtschaftliche Entwicklung. Aber niemand kann garantieren, dass das in zehn oder 15 Jahren noch genauso ist. Deshalb liegt der Gedanke nahe, dass Berlin verstärkt seine Interessen im Ausland vertreten sollte, damit der Schwung nicht vorzeitig gebremst wird. Der SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, wirbt seit Langem für Wirtschaftsrepräsentanzen. Alles nur Wahlkampfgeklapper? Das würde zu kurz greifen. Berlin mehr...

  • Der Tagesspiegel: De Maizière will mit Facebook über Herausgabe von Nutzerdaten von Terrorverdächtigen reden Berlin (ots) - Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will mit Facebook über die Herausgabe von Nutzerdaten von Terrorverdächtigen sprechen. "Die anlassbezogene Kooperation der Bundessicherheitsbehörden mit Facebook in den Bereichen Islamismus und Extremismus bewerte ich als durchaus positiv. Ich werde mich aber demnächst mit Vertretern von Facebook zusammensetzen, um die Vorwürfe der Länder zu erörtern", sagte de Maizière dem Berliner "Tagesspiegel" (Sonntagausgabe). Es gelte der Grundsatz: Wenn Gefahr in Verzug sei, wenn Straftäter mehr...

  • neues deutschland: Wirtschaftswissenschaftlerin Christa Luft warnt vor Folgen des Freihandels für Kommunen Berlin (ots) - Die Ergebnisse der kommenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin werden auch Auswirkungen auf die Ratifizierung des Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) im Bundesrat haben. Dennoch spiele CETA im Wahlkampf kaum eine Rolle, kritisiert die Wirtschaftswissenschaftlerin Christa Luft in der in Berlin erscheinenden Tageszeitung "neues deutschland" (Montagsausgabe). Dabei könnten sich die dort verhandelten Sonderklagerechte für Konzerne nicht nur gegen die Bundesrepublik, sondern auch gegen mehr...

  • neues deutschland: Sieben von acht Ausschreibungen für Asylheim-Betreiberverträge in Berlin liegen auf Eis Berlin (ots) - Sieben von acht Ausschreibungen für Betreiberverträge für neue Flüchtlingsheime in Berlin liegen auf Eis. Das bestätigte Regina Kneiding, Sprecherin von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), auf eine Anfrage der Tageszeitung »neues deutschland«. Die Ausschreibungen mussten gestoppt werden, weil Bieter Nachprüfanträge gestellt haben. Bis dahin ruhen die Ausschreibungen. Damit die neuen Unterkünfte nicht leer stehen und Flüchtlinge stattdessen in Turnhallen wohnen müssen, werden diese Unterkünfte so lange an Interimsbetreiber mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht