(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Hochwasser/Ehrenamt: Ein ermutigendes Signal Von Katia Meyer-Tien

Geschrieben am 03-06-2016

Regensburg (ots) - Freilassing. Bad Aibling. Simbach. Drei Orte,
die in Erinnerung bleiben werden. Als Orte in Bayern, an denen
Menschen in den vergangenen Monaten mit unfassbarem Leid konfrontiert
wurden. Mit geflüchteten Menschen, die alles verloren haben und die
mit nichts als ihrem Leben nach Deutschland kamen. Mit Toten und
Verletzten nach einem der schlimmsten Zugunglücke in der Geschichte
Bayerns. Mit Männern, Frauen und Kindern, denen ein unscheinbarer
Bach in kürzester Zeit alles nahm, was ihnen wichtig war, und in
dessen Fluten Menschen starben. Es sind aber auch Orte, die als
Symbole grenzenloser Hilfsbereitschaft in Erinnerung bleiben werden -
und damit alle Abgesänge auf das Ehrenamt Lügen strafen. 3,6
Millionen Menschen sind in Bayern ehrenamtlich aktiv, das ist mehr
als ein Drittel der Bevölkerung über 14 Jahre. Diese Zahl ist seit
Jahren weitgehend konstant - obwohl gleichzeitig Sportvereine und
Parteien über Nachwuchssorgen klagen. Vor zwei Jahren schrieb sich
die Staatsregierung als Ergebnis des Volksentscheids bei der
Landtagswahl die Förderung des Ehrenamtes sogar als neues Staatsziel
in die Bayerischen Verfassung: "Staat und Gemeinden fördern den
ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl", heißt es seit dem 1.
Januar 2014 in Artikel 121. Der Satz ergänzt die bisherigen
Bestimmungen in Artikel 121 und 122, die alle Bewohner Bayerns zur
Übernahme von Ehrenämtern und zur gegenseitigen Hilfe im Unglücks-
und Katastrophenfall verpflichten. Vielleicht bräuchte es angesichts
der weitgehend gleichbleibenden Zahlen diese gesetzgeberischen
Vorgaben nicht. Sie sind dennoch ein Signal: Die gegenseitige
Achtung, Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft sind Grundlagen
würdigen menschlichen Zusammenlebens. Der Staat fördert sie, macht
sie zur Bedingung - und die Menschen füllen sie mit Leben. Dass das
Ehrenamt in Bayern eine Tradition bis ins 19. Jahrhundert hat, mag
dabei eine Rolle spielen. Eine Vielzahl von Vereinen wurde gegründet,
darunter Turn-, Gesangs- und Schützenvereine. Mit der Gründung der
Elisabeth- und Vinzenzvereine ab 1841 bzw. 1845 als Vorläufer des
Katholischen Caritasverbandes, den ersten Zügen des Roten Kreuzes und
mit dem Aufkommen der Freiwilligen Feuerwehren ebenfalls Mitte des
19. Jahrhunderts begannen sich die Bürger auch in sozialen und
sicherheitsrelevanten Bereichen zu organisieren, mit den
Arbeitervereinen begann die Zeit der politischen Organisationen. Das
Engagement der Einzelnen füllte hier jene Lücken, die der Staat nicht
zu schließen vermochte, und wurde in unterschiedlichsten Ausprägungen
immer wieder zum Motor des gesellschaftlichen Wandels. Heute hat
allein das Bayerische Rote Kreuz rund 120 000 ehrenamtliche
Mitarbeiter, und diese Zahl ist hat sich in den vergangenen Jahren
kaum geändert. Allein im niederbayerischen Katastrophengebiet halfen
in den vergangenen Tagen rund 500 Einsatzkräfte des BRK, darunter
zahlreiche Ehrenamtler. Hunderte Helfer waren in kürzester Zeit am
Unglücksort in Bad Aibling zur Stelle, tausende halfen im vergangen
Herbst bei der Versorgung der ankommenden Flüchtlinge. Diese
Bereitschaft, anderen zu helfen, ist nicht selbstverständlich, zumal
nicht in Zeiten, wo veränderte Arbeitswelten Menschen weniger
Freiraum lassen. Sie ist ein Zeichen dafür, dass trotz zunehmender
Individualisierungstendenzen, trotz Ellenbogenmentalität ein Kern von
Mitmenschlichkeit den Wandel unserer Gesellschaft überlebt hat. Das
Ehrenamt kann nicht genug gelobt, gewürdigt und gefördert werden. Und
das nicht nur beim Blick in die schlammverschmierten Straßen
Simbachs.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

592317

weitere Artikel:
  • Badische Neueste Nachrichten: zu G 36 Kommentar von Martin Ferber Karlsruhe (ots) - War das ein Schnellschuss - und noch dazu einer, der ins eigene Knie ging? Auch wenn das Landgericht Koblenz erst im September ein Urteil fällen will, deutete der Vorsitzende Richter an, dass er dem Unternehmen Recht gebe. Doch Verteidigungsministerin von der Leyen will nicht klein beigeben. Sie kündigte an, neue Berichte zur Treffsicherheit vorzulegen, weitere Labortests hätten die Defizite der Waffe bestätigt. Längst geht es um mehr als um eine Waffe, für Heckler & Koch wie für Ursula von der Leyen stehen ihr mehr...

  • Westfalenpost: Politik muss doppelt reagieren / Kommentar von Lorenz Redicker zu Klima und Wetter Hagen (ots) - Ist es nur das Wetter, das Kapriolen schlägt? Oder ist das schon der Klimawandel? Diese Frage wird immer wieder gestellt bei Wetterextremen, mithin immer häufiger, denn die Extreme häufen sich, und diese Beobachtung ist keinesfalls Folge gestiegener medialer Aufmerksamkeit. Die Häufung allein beantwortet die Frage eigentlich schon. Dabei ist sie letztlich müßig - es sei denn, man sucht noch letzte Beweise für den Klimawandel. Beweise, derer es nicht mehr bedarf. Der Klimawandel ist Fakt. Kluge Politik muss sich mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Die Wähler sind unzufrieden mit der Regierung Anstrengende Demokratie Thomas Seim Bielefeld (ots) - Die Arbeitslosigkeit verharrt seit Monaten auf einem Tiefstand. Inflation gibt es nicht. Die Lohnabschlüsse in den bisherigen Lohnrunden liegen 2016 höher als in den Vorjahren. Die Industriestaaten-Organisation OECD sieht nach 2015 auch für dieses Jahr stabile Wachstumsraten voraus. Kurz: Deutschland geht es gut. Die Deutschen allerdings fühlen sich nicht gut. Sie sind erkennbar unzufrieden mit ihrer Regierung. Die Koalition aus CDU, CSU und SPD bringt es nur noch knapp auf über 50 Prozent aller Stimmen. Die angebliche mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Inklusion Bielefeld (ots) - Wer sagt, die Umsetzung der Inklusion in Deutschland sei auf einem guten Weg, verschließt die Augen vor der Realität. Die Teilhabe von Menschen mit Behinderung, aber vor allem der gemeinsame Schulunterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern funktioniert alles andere als optimal. Natürlich gibt es Leuchttürme. Die bleiben aber die Ausnahme. Auch wenn sie gerne von der Politik der Öffentlichkeit präsentiert werden. Dennoch: Das Schulsystem ist überfordert mit dieser Herkulesaufgabe. Das liegt nicht mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Gauland und die Nationalmannschaft Bielefeld (ots) - Mit seinen abfälligen Bemerkungen über den dunkelhäutigen Fußballnationalspieler Jérôme Boateng hat AfD-Vize Alexander Gauland ein Eigentor sondergleichen geschossen. Sogar 87 Prozent der im Rahmen der Umfrage für den »Focus« interviewten AfD-Wähler sagten, sie hätten keine Vorbehalte gegen Boateng als Nachbarn. Das ist eine schallende Ohrfeige für den AfD-Verantwortlichen. Nicht nur Politiker und DFB haben ihm widersprochen, auch die Bevölkerung hat es eindrucksvoll getan - erst in Form von Boateng unterstützenden mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht