(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Die belgische Krankheit - Es gibt unzählige Beispiele dafür, dass die Nachbarn ihre Polizeiarbeit nicht im Griff haben. Von Daniela Weingärtner

Geschrieben am 23-03-2016

Regensburg (ots) - Es sieht so aus, als führten nach den
Anschlägen vom Dienstag wieder viele Spuren in die Brüsseler Vororte
Molenbeek, Schaerbeek und Forest, wo maghrebinische
Parallelgesellschaften weitgehend unbehelligt von den Behörden
existieren. In die Solidaritätsadresse des französischen
Innenministers Bernard Cazeneuve mischte sich Tadel mit dem Tenor,
die Nachbarn hätten ihre Polizeiarbeit nicht im Griff. Daran ist viel
Wahres, denn die verworrenen politischen Strukturen in Belgien
begünstigen Wegschauen, Schlamperei und Fahndungspannen. Es gibt
unzählige Beispiele, wie wichtige Hinweise unbeachtet liegenblieben
und Tragödien deshalb nicht verhindert wurden. Der Fall des
Kindermörders Dutroux steht beispielhaft für das Problem. Achtzehn
Jahre später hat sich viel verbessert. Aber noch immer sind in
Brüssel sechs getrennte Polizeiverwaltungen für 1,4 Millionen Bürger
zuständig. Flandern und die Wallonie streben nach immer mehr
Unabhängigkeit und politische Kompetenzen, was Ansätze einer besseren
Vernetzung des Polizei- und Justizapparats teilweise wieder zunichte
macht. So sind Verfassungsschutz und militärische Aufklärung föderale
Behörden geblieben, während der Unterbau den Regionen übertragen
wurde. Das alles sind Symptome der typisch belgischen Krankheit.
Quarantäne im Sinne von "Grenzen dicht" wird aber trotzdem nicht
helfen. Zum einen finden Verbrecher immer einen Feldweg abseits der
Schlagbäume. Zum anderen gibt es auch in den Pariser oder Straßburger
Vororten Wohnungen, die sich als Rückzugsräume für IS-Terroristen
hervorragend eignen. Auch in der deutschen Provinz können sich
Attentäter sicher fühlen, wie wir seit den Darmstädter "Schläfern"
und dem NSU-Trio wissen. Statt sich weiter abzuschotten, müssen die
Terrorfahnder der EU-Länder viel enger miteinander kooperieren.
Gefordert wurde das seit 2004 nach jedem Anschlag. In den vergangenen
zwölf Jahren ist es zwar gelungen, die Bunkermentalität der
nationalen Sicherheitsbehörden abzubauen, aber das reicht noch nicht.
Solange Geheimdienste europäischer Regierungen sich noch gegenseitig
bespitzeln und Informationen nur dosiert weiterleiten, haben sie ganz
offensichtlich die falschen Prioritäten. Die EU hat seit den Madrider
Anschlägen 2004 einen "Anti-Terror-Koordinator", von dem allerdings
niemand so recht weiß, welche Präventionsleistung er vollbringen
könnte. Laut Jobbeschreibung soll er gewährleisten, dass die EU eine
aktive Rolle bei der Terrorismusbekämpfung spielt. Wie er das
anstellen soll, wird nicht erläutert. Derzeit bekleidet Gilles de
Kerchove das Amt, ausgerechnet ein in Brüssel geborener Belgier. Ab
und an trägt er im Kreis der Regierungschefs Risikoszenarien vor, die
Europol oder das EU-Zentrum für Informationsgewinnung und -analyse
durchgespielt hat. In Interviews sagt er, was jeder Europäer ohnehin
weiß: Dass es kein Allheilmittel gegen den Terror gibt. Auch eine
europäische Antiterrorbehörde wäre keine solche Alllzweckwaffe. Sie
könnte aber immerhin sämtliche Erkenntnisse der nationalen
Ermittlungsbehörden bündeln, abgleichen und so vielleicht aufdecken,
wer die Planer hinter den Anschlägen sind, wo Munition und
Sprengstoff beschafft werden und wie sich die Täter in der EU
bewegen. Der zuständige EU-Kommissar hat sich am Mitwoch für ein
solches EU-Amt ausgesprochen. Doch Mitgliedsstaaten und Europäisches
Parlament müssten das entsprechende Gesetz beschließen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

587693

weitere Artikel:
  • BERLINER MORGENPOST: Überforderung à la Berlin / Kommentar von Jens Anker Berlin (ots) - Allein 60 Fragen prasselten in der ersten Stunde auf den Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning, ein. Fast vier weitere Stunden forderte die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus Auskunft über die Vorwürfe der Vetternwirtschaft. Wie bei solchen politischen Kreuzverhören üblich, stand am Ende die Erkenntnis in umgekehrt proportionalem Verhältnis zum Aufwand: So richtig plausibel wurden die Vorwürfe nicht entkräftet, es wurde aber auch nicht so recht klar, worin sie genau bestehen. Die Sondersitzung des Hauptausschusses mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Eckpunkte für Bundeshaushalt 2017 Die guten Jahre nicht verschlafen Hannes Koch Bielefeld (ots) - Wolfgang Schäuble Knausrigkeit vorzuwerfen, wäre irreführend. Indem er Milliarden Euro für die Flüchtlinge zur Verfügung stellt, macht der Finanzminister eine realistische Politik auf der Höhe der Zeit. Nichtsdestoweniger leidet seine Finanzpolitik unter der Ideologie der Nullverschuldung, die einiges erschwert. In mancher Hinsicht handelt Schäuble durchaus großzügig. Er öffnet seine Kassen und reserviert für den Bundeshaushalt 2017 rund 10 Milliarden Euro, um die Zuwanderung zu bewältigen. Wenn das nicht reichen mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Anschläge von Brüssel Weckruf für Europa Carsten Heil Bielefeld (ots) - Nur selten war Europa wichtiger als heute. Noch wichtiger ist die europaweite Bereitschaft zu absoluter Zusammenarbeit. Bei der Flüchtlingsproblematik können sich einzelne Nationalstaaten noch versuchen herauszuhalten, bei der Terrorabwehr wird das nicht mehr funktionieren. Jedenfalls nicht so, dass diejenigen, die sich zurückhalten, schadlos bleiben. Was in Paris und Brüssel geschehen ist, kann morgen oder in sechs Monaten genauso in Berlin, Warschau, Budapest oder jeder anderen europäischen Großstadt passieren. mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Ende des Brimboriums Bundeskabinett verabschiedet Finanzplanung Cottbus (ots) - Was haben sich SPD und Union gefetzt über diesen Bundeshaushalt. Unter großem medialen Brimborium forderte Obergenosse Sigmar Gabriel ein "neues Solidaritätsprojekt für unsere eigene Bevölkerung" und drohte gar mit einem "Nein" zum anstehenden Zahlenwerk, falls seine Idee darin keine Berücksichtigung fände. Kassenwart Wolfgang Schäuble wiederum ließ Gabriel kalt abblitzen ("erbarmungswürdig"). Das war vor den drei Landtagswahlen. Nun ist wieder Harmonie angesagt. Gabriel bekommt ein paar Milliarden mehr. Und Schäuble mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar: Risiko Sozialausgaben Düsseldorf (ots) - Bundesfinanzminister Schäuble hat einen Haushalt vorgelegt, der alle Wünsche der Koalitionspartner erfüllt: Es ist mehr Geld da für innere und äußere Sicherheit, für Flüchtlinge, Kitas, Arbeitsmarktprogramme, Straßenbau und neue Rentenpläne - und am Ende steht sie trotzdem auf dem Papier: die schwarze Null. Das sieht gut aus, und ist auch gut für Union und SPD, wenn man nur die kurze Frist bis zur Bundestagswahl im Herbst 2017 betrachtet. Mittel- bis langfristig jedoch steht dieser Haushalt auf tönernen Füßen. mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht