(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland

Geschrieben am 19-10-2015

Bielefeld (ots) - Die Sorgen um Griechenland sind nicht wieder da,
sie waren nie weg. Einmal mehr können angesetzte Prüftermine nicht
eingehalten, müssen Auszahlungen der nächsten Raten aus dem
Hilfspaket erkämpft werden. Auch wenn man Premier Alexis Tsipras
zubilligen muss, dass der - von ihm provozierte - Wahlkampf Zeit
kostete, wurde die Reformliste längst nicht so weit abgearbeitet, wie
die Geldgeber dies festgelegt hatten. Da passt die Drohung des
Internationalen Währungsfonds (IWF) ins Bild, aus der Sanierung des
Landes auszusteigen, weil die Euro-Partner sich einem öffentlichen
Schuldenschnitt verweigern. Der Fonds verlangt nicht nur doppelt so
hohe Zinsen für seine Kredite, sondern hat sich vertraglich
zusichern lassen, dass seine Verbindlichkeiten stets zuerst bedient
werden. Das brachte die Kräfteverhältnisse in der Troika aus dem
Gleichgewicht. Trotzdem wurde und wird der Fonds gebraucht - nicht
zuletzt weil er jene drakonische Härte zeigen kann, die für die
Währungsunion gar nicht möglich wäre. Das betrifft auch die Forderung
nach einem Schuldenverzicht, die der IWF zwar erhebt, aber sich
selbst nicht meint. Christine Lagarde hat weniger das gesamte Gefüge
der Rettung Griechenlands im Sinn als ihre eigene Wiederwahl 2016.
Dafür will sie vor den Beitragszahlern des Fonds gut dastehen -
kurioserweise gehören dazu auch jene Länder, auf die sie das Risiko
Athen abwälzen will. Dieses Gezerre bringt weder Hellenen noch die
Geldgeber weiter. Längst hätte man in Brüssel, in Luxemburg und in
den beteiligten Regierungshauptstätden Schritte zur Restrukturierung
der Schulden beschließen können. Ein Schnitt ist politisch fast nicht
durchzusetzen, aber noch längere Laufzeiten und erneut gesenkte
Zinsen hätten einen vergleichbaren Effekt. Damit könnte auch der IWF
leben - und käme vermutlich an Bord. Aber die Euro-Familie reagiert
so, als wolle sie das störrische Mitglied für seinen Ungehorsam
bestrafen. Auch wenn man Auflagen und Bedingungen immer wieder an die
politische Realität anpassen sollte, so darf nicht der Eindruck
entstehen, Europa habe andere Sorgen und sei deshalb bereit, Athen
wieder den bekannten Schlendrian zu erlauben. Es kann und darf keine
Alternative zu dem Prinzip »Reformen vor Geld« geben - das sind die
Mitgliedstaaten ihren Bürgern schuldig, die ohnehin den Glauben an
eine Rettung verloren haben. Mehr noch: Dass Tsipras sogar den Druck
aus Brüssel braucht, haben die Abstimmungen vom Wochenende gezeigt.
Für die beschlossenen Umbauten des Renten- und Steuersystems bekam
der Premier gerade mal vier Stimmen mehr als nötig. Offenbar hat ein
Großteil der Abgeordnetenkammer nicht begriffen, wo das Land
wirklich steht. Die Hellenen täten gut daran, an der Brüchigkeit der
Geldgeber-Allianz nicht zu zweifeln. Ein Grexit ist nicht wirklich
vom Tisch.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

577862

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Kommentar / Saubere Bank-Geschäfte = Von Antje Höning Düsseldorf (ots) - John Cryan greift durch. Der neue Chef der Deutschen Bank stutzt das Investment-Banking, das diese durch Skandale in eine "Rechtsabteilung mit angeschlossenem Bankgeschäft" gemacht hat. Und er tauscht den halben Vorstand aus, um ein Zeichen für den Neuanfang zu setzen. Doch das gelingt nur zum Teil. Der Rauswurf von "Anshus Army", wie die Vertrauten von Ex-Chef Anshu Jain heißen, ist das eine. Ein überzeugender Umbau das andere. Ein zehnköpfiger Vorstand ist so aufgebläht wie die Berufung nur einer Frau bescheiden. mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Kölner Farbenlehre = Von Detlev Hüwel Düsseldorf (ots) - Für den Sieg von Henriette Reker in Köln hatten sich führende Sozialdemokraten am Sonntag schon beizeiten eine Erklärung zurechtgelegt: Der parteilosen Kandidatin, auf die ein Messer-Attentat verübt worden war, sei eine Art Mitleid-Bonus zugutegekommen, hieß es. Daran mag zwar etwas dran sein, doch das erklärt nicht, wieso SPD-Mann Jochen Ott nur auf magere 32 Prozent kam. Schon in den Umfragen vor dem Anschlag hatte Reker die Nase vorn. Dass Ott in der Schlussphase populistisch forderte, die mit Flüchtlingen belegten mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Die Straße ist kein guter Ort für Aufklärung = Von Lothar Schröder Düsseldorf (ots) - Seien wir ehrlich: Die meisten von uns haben Pegida, als der Zuspruch geringer wurde und vereinzelte Demonstrationen abgesagt werden mussten, belächelt - als eine Art rechtspopulistische Folklore, die uns nur noch nervte, weil sie pünktlich zum Feierabend den Straßenverkehr behinderte. Unterschätzt haben wir dabei das Ausmaß der Empörung. Die nämlich ist mit der Zeit nicht geringer geworden, sie war zwischenzeitlich nur wieder etwas mehr unter der Oberfläche verschwunden. Unsere Missachtung schien sogar etwas Gutes mehr...

  • Weser-Kurier: Kommentar von Mirjam Moll über Griechenlands Sanierung Bremen (ots) - Alexis Tsipras provozierte Neuwahlen, um sich ein neues Mandat zur Umsetzung der Sparauflagen zu holen. Mit Erfolg. Dennoch weigert sich immer noch ein großer Teil der hellenischen Volksvertretung, die Notwendigkeit eines echten Umbruchs anzuerkennen. Kein Wunder, dass die europäischen Geldgeber weiter einen Schuldenschnitt - welcher Art auch immer - ablehnen, solange Athen nicht komplett umsetzt, was man in einer Marathonsitzung im Sommer vereinbart hat. Die Drohung aus Washington verschärft die Lage weiter: Denn mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Neue Wagen für die S-Bahn / Kommentar von Thomas Fülling zu Investitionen in die S-Bahn Berlin Berlin (ots) - Die Berliner S-Bahn investiert in ihre Werkstätten. Für die Kunden sind das gute Nachrichten. Viele sind weder mit der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, noch mit der Sauberkeit der Züge zufrieden. Verbesserungen sind da dringend notwendig. Das hat auch S-Bahn-Chef Peter Buchner erkannt. Doch er stößt an Grenzen. Denn alle drei Baureihen, die sich im Fahrzeugbestand befinden, haben konstruktive Schwächen. Das sorgt für eine hohe Ausfallquote. Was die S-Bahn braucht, sind neue, zuverlässige Fahrzeuge. Die wird es jedoch mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht