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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Holger Schellkopf zur Vorratsdatenspeicherung

Geschrieben am 12-06-2015

Regensburg (ots) - Eine humoristische Note kann man der Sache
nicht absprechen. Zu einer Zeit, in der noch immer unbekannte Hacker
im Computersystem des Bundestages machen, wozu sie gerade Lust haben,
just zu dieser Zeit beschäftigen sich die Mitglieder dieses
Bundestages mit einigen ganz entscheidenden digitalen Themen.
Natürlich steht da angesichts der jüngsten Ereignisse das sogenannte
IT-Sicherheitsgesetz im Fokus. Die Herrschaften Abgeordneten erleben
die Bedeutung des Themas aktuell ja aus nächster Nähe. Sicher kann es
auch den einen oder anderen Zweifel an der Kompetenz der
Entscheiderrunde wecken, dass nach Stand der Dinge wohl die
Unbedarftheit einiger Abgeordneter (oder zumindest von deren
Mitarbeitern) das hauseigene Netzwerk-Desaster überhaupt möglich
gemacht hat. Gleichzeitig lässt dieser Umstand aber Schlimmstes
befürchten, blickt man darauf, dass sich die gleichen Kompetenzträger
nur wenig später mit einem wesentlich komplizierteren Thema aus dem
digitalen Lebensbereich auseinandersetzen - und früher oder später
auch darüber entscheiden müssen. Justizminister Heiko Maas hat sich
ohne große Begründung von seiner früheren Überzeugung verabschiedet
und bringt ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, kurz VDS, ein.
Lassen wir mal beiseite, dass selbst Juristen des Bundestages dem
Entwurf wenig Chancen im Falle einer verfassungsrechtlichen
Überprüfung einräumen. Ignorieren wir sogar, dass er ziemlich sicher
nicht dem entspricht, was Bundesverfassungsgericht und Europäischer
Gerichtshof in ihren Urteilen für die verfassungskonforme
Ausgestaltung einer solchen Maßnahme gefordert haben. Handwerkliche
Unsauberheiten sind wir bei den Gesetzen dieser Koalition ja gewohnt.
Wirklich beunruhigend ist jedoch, mit welcher Selbstverständlichkeit
auch der Widerspruch von der Propaganda unverdächtigen Akteuren wie
der Datenschutzbeauftragten der Bundesrepublik einfach ignoriert
wird. Auch dass quasi alle Verbände und Unternehmen der Medienbranche
gemeinsam (was nicht einmal alle Schaltjahre vorkommt) der
Wiedereinführung der in "Höchstspeicherpflicht" umbenannten
Vorratsdatenspeicherung eine klare Absage erteilen, bringt die
Bundesregierung nicht zum Nachdenken. Stattdessen argumentiert man
mit nicht beweisbaren Allgemeinplätzen, deren Begründung selbst dem
dafür engagierten Personal schwerfällt. So musste der Sprecher von
Minister Maas passen, als er jüngst nach konkreten Gefahren gefragt
wurde, die mit dem Verfahren abgewendet werden könnten. Wörtlich:
"Ich hab jetzt hier Ad-hoc keine Gefahren, die ich Ihnen präsentieren
kann, die dadurch abgewendet oder nicht abgewendet wurden." Aha,
trotzdem ist die Gefahrenabwehr die meist genommene Begründung dafür,
dass hinkünftig anhaltslos und flächendeckend Daten gespeichert und
gesammelt werden sollen. Nur noch einmal zur Erläuterung: Übersetzt
auf den analogen Teil unseres Daseins will das Gesetz, dass jedes
Mal, wenn irgendein Bürger dieses Landes mit einem anderen Menschen
spricht, fein säuberlich aufgeschrieben wird, wer da miteinander
parlierte hat und wo das Ganze stattgefunden hat. Möge jeder für sich
selbst entscheiden, ob er das angebracht findet. Alternative zu der
Massenüberwachung würde es sehr wohl geben. So könnte das "Quick
freeze"-Verfahren zum Einsatz kommen, wann immer ein Verdachtsmoment
entsteht. Die Ermittler hätten notwendige Daten damit zur Verfügung.
Bestätigt sich der Verdacht nicht, werden die Einträge wieder
gelöscht. Alles machbar, wenn man es denn will. Aber traurigerweise
ist der Kampf der Abgeordneten mit ihrem Netzwerk ein Symbol für den
Umgang der Politik mit digitalen Themen. Viel zu viel wird hier
falsch abgespeichert. Ganz ähnlich wie bei dem offenbar
verhängnisvollen Mail im Abgeordneten-Postfach.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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