(Registrieren)

NOZ: Interview mit Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland

Geschrieben am 23-05-2015

Osnabrück (ots) - Bootsflüchtlinge in Lebensgefahr:
Diakonie-Präsident fordert Ausweitung der EU-Seenotrettung

Lilie: EU-Programm Triton bis in die libyschen Küstengewässer -
"Humanitäre und politische Katastrophe"

Osnabrück.- Angesichts der dramatischen Lage möglicherweise
Tausender Bootsflüchtlinge im Mittelmeer fordert Ulrich Lilie,
Präsident der Diakonie Deutschland, eine Ausweitung des
EU-Seenotrettungsprogramms Triton. In einem Interview mit der "Neuen
Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte er: "Es ist nach wie vor unklar,
wie weit Triton den Radius ausweitet. Das aber muss unbedingt
passieren, und zwar bis in die libyschen Küstengewässer." Bereits im
Jahr 2014 habe es einen "traurigen Rekord von 3500 Toten" gegeben, so
Lilie weiter, 2015 seien es "nach vorsichtigen Schätzungen schon 1500
Menschen, die gestorben sind". Es gebe "erschreckende Nachrichten von
Kühlhäusern in Italien, wo die Ertrunkenen gar nicht mehr bestattet,
sondern gekühlt werden", sagte der Diakonie-Präsident. Dies sei eine
humanitäre, aber auch eine politische Katastrophe. Die Rettung von
Flüchtlingen sei kein Problem des Geldes, sondern ein Problem des
Radius, betonte der Diakonie-Chef.

Um die geflüchteten Menschen adäquat unterzubringen, müsse die EU
ein Verteilsystem finden, welches sich an den Realitäten der Länder
orientiere, forderte Lilie. "Die leistungsstarken Länder müssen mehr
Flüchtlinge aufnehmen als die, die selbst gerade ums wirtschaftliche
Überleben kämpfen." Außerdem benötigten die EU-Länder "halbwegs
vergleichbare Standards", sagte der Diakonie-Präsident und verwies
auf schwerste Menschenrechtsverletzungen "bis hin zur Folter" an
Flüchtlingen in Bulgarien. "Es kann und darf in der Europäischen
Union solche gravierenden Unterschiede nicht geben", sagte er.

Auch Deutschland müsse sich in der Flüchtlingspolitik neu
aufstellen und ein von einem breiten Konsens getragenes Konzept
entwickeln, schlug Lilie vor. Er hätte es daher "vernünftig"
gefunden, wenn beim jüngsten Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt auch die
Diakonie vertreten gewesen wäre, sagte er. "Es ist Zeit, dass wir
wirklich eine gemeinsame Strategie entwickeln. Die Diakonie
Deutschland möchte ein konstruktiver Teil einer Willkommenskultur
sein", sagte Lilie. Dafür biete man alle Kompetenzen des
Wohlfahrtsverbandes an.

Diakonie-Präsident kritisiert unzureichende Versorgungsstruktur
von Hochbetagten und Schwerstkranken

Lilie: Mindestens 400 Millionen Euro zusätzlich für ambulante und
stationäre Einrichtungen notwendig - Warnung vor Neuregelung der
Sterbehilfe

Osnabrück.- Diakonie-Präsident Ulrich Lilie kritisiert eine
unzureichende Versorgungsstruktur hochbetagter und schwerstkranker
Menschen in Deutschland. In einem Interview mit der "Neuen
Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte er: "Viele dieser alten Menschen
müssen in ihren letzten Lebensjahren völlig überflüssige
Krankenhausaufenthalte über sich ergehen lassen, nur weil eine
angemessene Versorgung in den Einrichtungen vor Ort nicht
gewährleistet ist." Auch die Durchlässigkeit zwischen den stationären
und ambulanten Einrichtungen sei unzureichend, kritisierte Lilie.
Daher sei es dringend geboten, in der medizinischen und pflegerischen
Versorgung von sehr alten Menschen deutlich mehr Geld in die Hand zu
nehmen und es in ambulante sowie stationäre Einrichtungen fließen
lassen, forderte er. "Wir sagen: Es müssten mindestens noch einmal
400 Millionen Euro mehr sein."

Die Mängel in der Versorgungsstruktur schürten überdies Ängste,
warnte Lilie. "Wenn man heute Menschen fragt, warum sie für einen
assistierten Suizid sind, sagen viele: Weil ich auf keinen Fall so
alt und so pflegebedürftig werden will." Hier müsse man mit guten
Modellen gegensteuern, sagte der Diakonie-Präsident. Vor einer
Gesetzesnovelle, die den ärztlich assistierten Suizid unter
bestimmten Bedingungen erlauben würde, warnte Lilie: "Eine neue
gesetzliche Regelung des assistierten Suizids würde einen
Kulturwandel in Gang setzen, den wir nicht mehr einholen könnten."
Mehr als 80 Prozent der Menschen hätten schon heute Angst, anderen
zur Last zu fallen, und befürworteten darum eine Sterbehilfe,
erläuterte Lilie. "Wenn solche Motive entscheidend werden, dann
verändert sich etwas in diesem immer älter werdenden Land, und zwar
nicht zum Guten", gab er zu bedenken. Es gebe schon jetzt gute
palliativ-medizinische Möglichkeiten, nur werde zu wenig darüber
gesprochen und aufgeklärt, sagte der Diakonie-Chef. Doch auch die
Gesellschaft müsse sich des Themas annehmen, forderte Lilie: "Wir
brauchen eine neue Kultur der Achtung und der Liebe zum Alter, nicht
zuletzt, weil wir die Alten von morgen sind."



Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: +49(0)541/310 207


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

567838

weitere Artikel:
  • NOZ: Gespräch mit Lüder Gerken, Leiter des Centrums für Europäische Politik (CEP) Osnabrück (ots) - Ökonom Gerken: EU-Verbleib der Briten wichtig Leiter des Centrums für Europäische Politik: England wichtigster Verbündeter Deutschlands - "Sonst würde südeuropäisches Politikkonzept Oberhand gewinnen" Osnabrück.- Nach Ansicht des Freiburger Wirtschaftswissenschaftlers Lüder Gerken hat der Verbleib der Briten in der Europäischen Union große Bedeutung für Deutschland. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte der Leiter des Centrums für Europäische Politik (CEP): "Bei einem Austritt mehr...

  • Focus: Reform der Erbschaftsteuer belastet Unternehmen - DIHK wirft Union Steuererhöhung vor München (ots) - Unternehmen werden durch die von Bund und Ländern geplante kleine Reform der Erbschaftsteuer zum Teil stärker belastet als bisher. Der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) sagte dem Nachrichtenmagazin Focus, Ziel sei eine insgesamt "möglichst aufkommensneutrale" Reform. Er räumte aber zugleich ein: "Es wird in einigen Fallkonstellationen deutliche Mehrbelastungen geben." Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, sagte dem Magazin, die von Bundesfinanzminister mehr...

  • SPD-Linke Mattheis fordert 35-Stunden-Woche als Ziel Hamburg (ots) - Die Chefin der SPD-Linken, Hilde Mattheis, fordert weiter reichende Reformen von der Bundesregierung und ihrer Partei in der Familien- und Arbeitszeitpolitik. Zwar kümmere sich Bundesfamilienministerin Monika Schwesig "um die so genannte gehetzte Generation", etwa mit ihrem Konzept der "Familienarbeitszeit". Aber "das reicht noch nicht aus", schreibt Mattheis in einem Gastbeitrag auf ZEIT ONLINE. So müsste künftig auch "die Pflege perspektivisch wie Kindererziehung ein Anspruch auf Familienarbeitszeit darstellen". mehr...

  • WAZ: Ministerin fordert schnelle Lösung bei Kita-Streiks Düsseldorf (ots) - Der unbefristete Streik der Erzieher in kommunalen Kindertagesstätten bringt Eltern, Großeltern und Arbeitgeber zunehmend an die Grenzen der Belastbarkeit. Vor der dritten Streikwoche schlug NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) angesichts der Notlage vieler Familien Alarm. "Ich appelliere dringend an beide Seiten, jetzt schnell zu weiteren Gesprächen zusammenzukommen - im Interesse einer guten Lösung für die Erzieher sowie für Eltern und Kinder", erklärte Schäfer den Zeitungen der Funke Mediengruppe (WAZ, mehr...

  • WAZ: Hellmich: Affäre um G36 wird wohl nie ganz aufgeklärt Berlin (ots) - Der neue Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD), hat Zweifel, ob die Affäre um das Gewehr G36 restlos aufgeklärt wird. "Eine Frage werden wir wahrscheinlich nie klären können: Die Motive, warum sich jemand bei den Verhandlungen so und nicht anders verhalten hat", sagte Hellmich der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ, Dienstagausgabe). Die Instrumente der Abgeordneten seien im Vergleich zu einem Untersuchungsausschuss begrenzt. "Wir können niemanden vorladen. Wir können einladen. Sie mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht