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Mittelbayerische Zeitung: Merkel-Effekt in Hamburg - Olaf Scholz ist wie die Kanzlerin solide, verlässlich und eher wortkarg. Sein Erfolg lässt Spekulationen zu.

Geschrieben am 15-02-2015

Regensburg (ots) - Das gediegene Hamburg tickt etwas anders als
der Rest der Republik. Es ist eher hanseatisch kühl als
überschäumend. Und Veränderungen kommen nicht im Galopp, sondern
Schritt für Schritt daher. Der Sozialdemokrat Olaf Scholz, der vor
vier Jahren eine, für die Stadt eher untypische, zehnjährige
Unions-Dominanz ablöste, wiederholte fast sein Wahlergebnis von 2011.
Der einstige Bundesarbeitsminister wird die Hansestadt weiter
regieren können, wenngleich er diesmal wahrscheinlich einen Partner
brauchen wird. Die Grünen dienen sich bereits an. Besonders
bemerkenswert an dem Erfolg von Scholz ist, dass er ihn gewissermaßen
per Merkel-Effekt einfuhr. Der Hamburger ist solide, verlässlich und
eher wortkarg, genau wie die Kanzlerin auch. Politische Experimente
sind Scholz' Sache nicht. Der einstige Anwalt vermittelt den Menschen
dagegen ein Gefühl von Sicherheit und Verständnis. Er ist
wirtschaftsfreundlich und in gutem Sinne sozial-liberal. Mit solchen
Qualitäten wurde man früher in der SPD zum Kanzlerkandidaten
auserkoren. Und wer weiß, wenn Parteichef Sigmar Gabriel 2017 nicht
gegen Angela Merkel antreten mag, dann kommt die SPD eigentlich nicht
an Scholz vorbei. Zudem macht Scholz ein unternehmensfreundliche,
pragmatische Politik, wie man sie zuletzt etwa von Gerhard Schröder
erlebt hat. Der Hamburger Wahlsieger steht klar für die Ausrichtung
seiner Partei auf die Mitte der Gesellschaft - und hatte damit schon
zum zweiten Mal Erfolg. Auch das werden die Parteifreunde im Berliner
Willy-Brandt-Haus aufmerksam registriert haben. Ins Bild des
Hamburger Wahlergebnisses passt auch die wiedererwachte FDP. Seit der
historischen Watsche der Bundestagswahl 2013 sind die Liberalen von
Niederlage zu Niederlage geeilt. Der Absturz der Freidemokraten in
die politische Bedeutungslosigkeit wurde von vielen Beobachtern
bereits mit viel Häme und Schadenfreude vorausgesagt. Doch Hamburg
hat gezeigt, Totgesagte leben offenbar länger. Aus der Malaise ist
die Lindner-Partei damit zwar noch lange nicht heraus, doch es könnte
sich der Trend verfestigen, dass in Deutschland, im Bundestag Platz
ist für eine verlässliche Partei, die Marktwirtschaft und
Freiheitsrechte des einzelnen hoch hält. Bei der Euro-kritischen
Alternative für Deutschland ist dies offenkundig nicht der Fall, auch
wenn der bald allein bestimmende Parteichef Bernd Lucke versucht, der
AfD ein seriöses und bürgerliches Mäntelchen umzuhängen. Anders als
in den ostdeutschen Ländern, Brandenburg, Sachsen und Thüringen, wo
die Rechtspopulisten sogar zweistellige Ergebnisse einfuhren,
schafften sie in Hamburg den Einzug in die Bürgerschaft nur sehr
knapp. Aber die Stadt hat dort schon ganz andere Gruppen gesehen,
etwa die Schill-Partei, die längst von der Bildfläche verschwunden
ist. Das desaströse Abschneiden der Hamburger CDU wiederum wird der
Union insgesamt Kopfzerbrechen bereiten. Von einigen wenigen
Ausnahmen abgesehen, bekommen CDU und auch CSU in großen Städten
keine regierungsfähigen Mehrheiten mehr zustande. An der Elbe sind
die Grünen, die offenbar gut in städtischen Milieus zurecht kommen,
fast in Schlagweite. Gegen die Schwäche der Union in urbanen Zentren
haben die Strategen bei CDU und CSU noch immer kein Mittel gefunden.
Und sollte irgendwann einmal die Wahlkampflokomotive Angela Merkel
ausfallen, könnte es ein ganz böses Erwachen geben. Hamburg tickt
etwas anders als der Rest der Republik. Ein paar wichtige Fingerzeige
für ganz Deutschland hat es bei der Wahl gestern dennoch gegeben.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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