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Mittelbayerische Zeitung: Kein Weltuntergang / Die Premiere für Rot-Rot-Grün könnte die politische Landschaft durcheinanderwirbeln. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 21-10-2014

Regensburg (ots) - Für Opfer der SED-Diktatur dürfte die Wahl
eines Linken zum Thüringer Regierungschef unzumutbar sein. Der
Untergang des Abendlandes wäre dies jedoch nicht. Der Freistaat
Thüringen sieht sich selbst als das "grüne Herz" Deutschlands.
Politisch gesehen jedoch schickt sich das Land zwischen Werra und
Saale an, ein Tabu zu brechen. Es könnte rot-rot-grün werden. Alles
deutet daraufhin, dass der neu gewählte Erfurter Landtag den Roten
Bodo Ramelow zum neuen Ministerpräsidenten wählt. Für die Opfer der
SED-Diktatur in Thüringen und anderswo dürfte die Wahl des
Linken-Politikers unzumutbar sein. 25 Jahre nachdem die
DDR-Staatspartei von mutigen Bürgern auf den Straßen davon gejagt
wurde, feiert die SED-Nachfolgerin die Rückkehr in die erste Reihe
der Macht. Freilich wäre Ramelows Wahl, die wegen der hauchdünnen
Mehrheit noch gar nicht in trockenen Tüchern ist, nicht das Ende der
Demokratie. Der Untergang des christlichen Abendlandes wäre ebenfalls
nicht zu befürchten. Schon deshalb nicht, weil es sich bei dem
geschmeidigen Hessen Ramelow um einen praktizierenden evangelischen
Christen handelt. Der einstige Gewerkschaftsfunktionär aus dem
Westen, der 1990 in den Osten ging, taugt nicht als Adresse für
Protest gegen das SED-Regime. Dass er es mit ehemaligen Mitarbeitern
des DDR-Geheimdienstes in seiner Fraktion nicht so genau nimmt, ist
schon eher kritikwürdig. Für die Links-Partei, die sich
bundespolitisch 25 Jahre lang als Fundamental-Opposition gerierte,
wäre der Chefposten in Thüringen zweifellos eine enorme Aufwertung.
Nach den Gastspielen als Juniorpartner in Mecklenburg-Vorpommern,
Berlin und zurzeit wieder in Brandenburg bekäme die Linke endlich
einmal selbst das Zepter in die Hand. Das könnte wiederum auf die
Bundesebene 2017 ausstrahlen., was allerdings von SPD wie Grünen
heftig abgestritten wird. Dennoch: Will SPD-Chef Sigmar Gabriel
wirklich Kanzler werden, dann wäre er nach Lage der Dinge auch auf
die ungeliebten Linken angewiesen. Die jetzige Empörung bei der Union
ist verständlich, weil sich für die SPD auch auf Bundesebene eine
neue Machtoption eröffnete, jenseits der Großen Koalition und immer
wieder nur als der kleine Partner von Angela Merkel als der großen
Chefin. Die Rolle des kleinen Beifahrers im Unions-Wagen ist den
Sozialdemokraten bislang fast immer schlecht bekommen. In Thüringen
wie in Berlin. Es ist nun auch völlig offen, ob die ohnehin arg
gerupfte Thüringen-SPD als kleiner Linken-Partner nicht weiter an
Boden verliert. Das gilt genau so für die Grünen, die einst aus
oppositionellen Bürgerrechtsgruppen in der DDR entstanden sind. Erst
Recht würde dies auf Bundesebene gelten, sollte sich Gabriel 2017
wirklich auf eine Koalition mit den SED-Nachfolgern einlassen. Wofür
zurzeit freilich nur wenig spricht. Zu groß sind die politischen
Gräben zwischen Roten und Tiefroten. Und sollte Gabriel dies wirklich
vorhaben, käme es vermutlich zu einem harten Lagerwahlkampf. Die
Union würde genüsslich in diese Flanke stoßen. Dass die CDU im Osten
einst ohne viel Federlesens zwei mit der SED verbundene Blockparteien
aufnahm, ist längst vergessen. Gleichwohl muss man anerkennen, dass
sich die Linke auf dem Boden der Verfassung bewegt, von
linkssektiererischen Kreisen einmal abgesehen. In der Kommunalpolitik
spielen Linke eine pragmatische, an Sachfragen orientierte Rolle.
Nach der zuletzt zerrütteten schwarz-roten Koalition in Thüringen hat
Ramelow einen politischen Neunanfang versprochen. Man wird ihn und
seine rot-rot-grüne Regierung, wenn sie denn zustande kommt, an ihren
Taten messen müssen - nicht an ihren vollmundigen Versprechen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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