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WAZ: Europa und "Brüssel". Kommentar von Ulrich Reitz

Geschrieben am 26-05-2014

Essen (ots) - Europa mögen die Menschen. Das oft gebrauchte
Ersatzwort dafür steht dagegen für alles, was an Europa unsympathisch
ist: "Brüssel" mag niemand. Weshalb eigentlich konnten Europa und
"Brüssel" zum Gegensatzpaar werden? Ganz einfach - die Vision ist
voller Licht, deren Realisierung voller Dunkelheit. Vieles, was als
"Brüssel" in die europäischen Mitgliedsländer herüber weht, riecht
streng: nach Bürgerferne, Vetternwirtschaft, Geldverschwendung usw.
Das liegt an einer liebevoll von den nationalen Beteiligten
gepflegten Arbeitsteilung: Ist etwas gut, war es die nationale
Regierung, war etwas schlecht, kommt es aus "Brüssel". Die
Europa-Eliten in der belgischen Hauptstadt haben weder Kraft noch Mut
und Möglichkeit, sich grundsätzlich zu wehren. Montags müssten sie
die nationalen Politiker beschimpfen, mit denen sie dienstags wieder
verhandeln. Es herrscht eine kommunikative Asymmetrie: In ihren
Ländern haben die nationalen Regierungen die Deutungshoheit,
"Brüssel" ist weit und hat sich als Feindbild schließlich bewährt.
Bei der Europawahl hat keine Partei nicht Wahlkampf gegen das
institutionalisierte Europa gemacht, den Radikalen von links bis
rechts alleine darf man das nicht in die Schuhe schieben. Was man
denen indes anlasten muss, ist die heraufziehende neue Spaltung
Europas. Früher, als es noch Sowjets gab, verlief Europas Grenze
politisch, finanziell und kulturell zwischen West und Ost, heute
zwischen Nord und Süd. Nord will nicht zahlen, Süd nicht betteln.
Niemand sollte die zerstörerische Kraft dieser Arbeitsteilung
unterschätzen. Herr Hollande verweigert seinen zweifelnden, aber
immer noch stolzen Franzosen die Wahrheit, ohne so etwas wie
Schröders Agenda am Ende zu sein, wobei die es ahnen und sich
betrogen fühlen. Frau Le Pen tröstet, wie noch jeder schlaue
Diktator, mit importierten Sündenböcken über das ramponierte
Nationalgefühl hinweg. Wie soll eigentlich der deutsch-französische
Motor wieder ans Laufen kommen? Zumal Urteil und Vorurteil sich an
einem Punkt kreuzen: Der Fortschritt kommt nicht aus "Brüssel".



Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de


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