(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur vermissten Boeing: Der schöne Schein von Christian Kucznierz

Geschrieben am 10-03-2014

Regensburg (ots) - Die Tragödie des Flugs MH 370 wirft Fragen auf,
die sich eigentlich nicht mehr stellen sollten.

Als am 11. September 2001 die Zwillingstürme des World Trade
Centers einstürzten, war das eine Zeitenwende. Es war der
Anfangspunkt einer Kontrollwut der Geheimdienste, der nackte Angst
zugrunde lag - Angst davor, nicht zu wissen, welche Terrorgruppen was
planten, Angst, zu spät zu kommen. Um diese Angst zu besiegen, waren
die westlichen Staaten, allen voran die USA, bereit, alles zu opfern.
Wie weit das geführt hat, wissen wir seit den Snowden-Enthüllungen.
Wie wenig aber die ganze Sicherheitsparanoia hilft, zeigt sich daran,
dass es am Wochenende zwei Männern offenbar gelang, völlig
unbehelligt mit gestohlenen Reisepässen an Bord eines Flugzeugs zu
kommen. Noch ist nicht klar, was genau mit dem Flug Nummer MH 370
geschehen ist. Ob es sich um einen tragischen Unfall handelt, um
menschliches Versagen im Cockpit, um technische Probleme - oder eben
doch um einen Terrorakt oder eine Entführung. Und selbst wenn es ein
Verbrechen war, ist noch lange nicht gesagt, dass die beiden
Personen, die mit den gestohlenen Papieren reisten, etwas mit dem
Anschlag zu tun gehabt haben. Diese Fragen werden vielleicht auch nie
geklärt werden. Eine grundlegende aber muss schleunigst beantwortet
werden: Warum kann heute noch irgendwo auf der Welt ein Mensch in ein
Flugzeug kommen, dessen Gesicht eindeutig nicht das auf dem Passfoto
ist? Und warum wird der Ausweis eines wenige Monate alten Kindes am
Flughafen durch ein System geschickt, wenn am anderen Ende der Welt
auf einem großen internationalen Flughafen die Kontrolleure es nicht
einmal für nötig halten, die vorgelegten Dokumente mit einer
Datenbank abzugleichen, in der gestohlen gemeldete Pässe registriert
sind? Nicht einmal am 11. September reisten die Attentäter mit
falschen Identitäten. Weil das Risiko zu hoch ist, aufgrund dessen
entdeckt zu werden. Noch dazu in Zeiten der biometrischen Passbilder.
Und selbst wenn die Ähnlichkeit groß ist: Es bleiben Unterschiede,
die zumindest zu einer intensiveren Prüfung vor dem Boarding führen
müssen. Warum also diese vielleicht fatale Panne geschah, muss
unbedingt geklärt werden, weil durch sie alle anderen
Sicherheitsmaßnahmen, die Flugreisende auf aller Welt seit 2001
erdulden müssen, ad absurdum geführt werden. Auf der anderen Seite
aber zeigt dieser Fall auch, wie fragil unser Wunsch nach Sicherheit
und totaler Kontrolle ist. Ein menschlicher Fehler kann auf dem Flug
MH 370 vielleicht dazu geführt haben, dass hunderte Menschen ihr
Leben verloren. Was alles kann noch geschehen, wenn an anderer Stelle
ein Mensch Fehler macht? Oder, andersherum: Was alles kann geschehen,
wenn alle glauben, alles richtig zu machen, aber den Falschen
erwischen? Das gilt überall, in allen Bereichen. Wie viele Tote gehen
auf das Konto des vermeintlich "sauberen" Drohnenkriegs der USA im
Grenzegebiet zwischen Afghanistan und Pakistan, die gar keine
Terroristen waren? Wie viele Namen landeten auf irgendwelchen Listen,
nur weil jemand einen Fehler machte oder einfach nicht genau genug
hinsah? Murat Kurnaz ist der bekannteste Name, aber er ist nur einer
von vielen. Am heutigen Dienstag sind es zehn Jahre, als Terroristen
Bomben in Madrider Pendlerzügen zündeten und 191 Menschen dafür mit
ihrem Leben bezahlten, dass Polizei und Geheimdienste eben nicht
genau hinsahen und nicht miteinander redeten. Es sind derartige
Katastrophen, die klar gemacht haben, warum eine vernetzte
Sicherheitsarchitektur Sinn macht. Aber am Ende ist es immer nur eine
gefühlte Sicherheit, in der wir leben. Und eine sehr zerbrechliche
dazu.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

516272

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Krise am Schwarzen Meer Bielefeld (ots) - Wer ist der Souverän in der Ukraine und vor allem auf der Krim? Nach einer alten Definition ist souverän, wer über den Ausnahmezustand entscheidet. Das ist de facto in der Krim-Krise nicht die ukrainische Regierung, auch nicht das Krim-Parlament und ebenso wenig die EU. Es ist, wenn überhaupt, Russland. Und zwar nicht nur wegen der Macht- und Kräfteverhältnisse auf der Halbinsel, sondern auch wegen der Geschichte und des Völkerrechts. Die Krim gehört seit 1954 zur Ukraine, davor war sie mehrere hundert Jahre russisch. mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Was der Hoeneß-Prozess mit Finanzämtern in Brandenburg zu tun hat / Nicht ganz dicht Cottbus (ots) - Natürlich ist es kein Zufall, dass der Prozess gegen den geständigen Steuersünder Uli Hoeneß solche Wellen schlägt. Es geht um Betrug im ganz großen Stil, es geht um versteckte Konten, es geht um das große Drama mit einem reuigen Sünder, der glaubt, in die Hölle geblickt zu haben, nur weil ein Staatsanwalt vor seiner Tür stand. Es geht aber auch noch um etwas anderes: um Menschen, die Geheimnisse verraten, die sie von Berufswegen für sich behalten müssten. Ortswechsel: Brandenburg und Sachsen verzeichneten im vergangenen mehr...

  • Westfalenpost: Steuerprozess gegen Hoeneß Hagen (ots) - Das sind Zahlen, die einen normalen Steuerzahler schwindlig machen: Mehr als 50 000 Transaktionen hat Uli Hoeneß von 2001 bis 2010 getätigt, 70 000 Blatt Papier hat das Gericht von einer seiner Banken erhalten, 33 526 614 Euro Gewinn soll er verschwiegen und somit 3 545 939,70 Euro Steuern hinterzogen haben. Sagt die Anklage. Und dann setzt der Bayern-Präsident einen drauf: Es seien 15 Millionen Euro mehr gewesen. Steuerschulden. Wie hoch müssen dann erst die mehr...

  • Rheinische Post: Hoeneß' gigantischer Steuerbetrug Düsseldorf (ots) - Je mehr Details des spekulationsbesessenen Steuerhinterziehers Hoeneß ans Licht kommen, desto schwieriger wird es für ihn, mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen. Handelt es sich bei der zusätzlichen Summe von 15 Millionen Euro um nicht verjährte Steuervergehen, so muss sich der Bayern-Präsident auf eine Gefängnisstrafe einstellen. Will er damit zeigen, dass er auch verjährte Sünden bereut, könnte er sich vielleicht retten. So oder so - der Fall Hoeneß hat den Steuerbetrug aus der trüben Zone der Kavaliersdelikte mehr...

  • Rheinische Post: Versicherers Lobby-Sieg Düsseldorf (ots) - Sparer, Selbstständige, Erblasser - alle, die Geld anzulegen haben, leiden unter der Niedrigzins-Phase. Nur einer soll nicht mehr leiden und das ist die deutsche Versicherungswirtschaft. In einem Akt dreister Lobbyarbeit hat sie der Regierung ein Hilfspaket abgepresst, das ihr allein in diesem Jahr zwei Milliarden Euro bringen soll. Entzogen wird das Geld den Kunden, deren Lebensversicherungs-Police ausläuft. Bislang mussten die Versicherer diese Kunden an den Bewertungsreserven (den Kursgewinnen ihrer alten Wertpapiere) mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht