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Aachener Zeitung: Kommentar: Es gibt ein paar Fragen / Mit den Antworten wüsste man, ob im Fall Linssen aufgebauscht wird

Geschrieben am 04-02-2014

Aachen (ots) - Aufgabe der Medien ist es, zu recherchieren,
Unlauteres aufzudecken und mit Informationen seriös umzugehen,
Gerüchte nicht zu verbreiten, sondern aufzuklären. Gestern gab es
Meldungen über Helmut Linssen, den Bundesschatzmeister der CDU und
früheren NRW-Finanzminister. Es geht um mehr als 800000 D-Mark, die
Linssen angeblich in den 90er Jahren über eine Luxemburger Bank in
Steuerparadiese transferierte, wo er eine sogenannte Briefkastenfirma
gegründet haben soll - eine kaum durchschaubare
Unternehmenskonstruktion mit Scheindirektorin. So berichten
jedenfalls die Süddeutsche Zeitung und das Magazin "Stern". Später
ließ sich Linssen demnach mehr als 140000 Euro in Luxemburg bar
auszahlen. All das ist für einen Politiker, der hauptsächlich mit
Finanzen zu tun hatte und hat - und zwar in höchsten Regierungs- und
Parteiämtern - ein zumindest erklärungsbedürftiges Verhalten. Dessen
gestern verbreitete Stellungnahme "Ich bin aus dem Verfahren makellos
rausgekommen" wird da nicht ausreichen, auch wenn ein Strafverfahren
gegen ihn eingestellt wurde. Juristisch ist er somit aus dem
Schneider - politisch nicht. Ist Linssen nur deshalb kein
Steuerhinterzieher, weil die Sache verjährt war, als sie aufflog? Hat
er das Geld angelegt oder gehortet oder bewusst versteckt? Was hat es
mit jener obskuren Firma auf sich, die zunächst auf den Bahamas,
später in Panama registriert war? Warum bedient sich jemand, der
später als Finanzminister immer wieder auf strenge Steuerehrlichkeit
pochte, solcher windigen Unternehmungen? Vielleicht ist das alles
ganz einfach zu erklären. Dann kann Linssen das ja schnell tun.
Sollten Journalisten "mal wieder" aus einer Mücke einen Elefanten
machen, sollte Linssen das mit klaren Antworten auf klare Fragen
entlarven. Seit dem Wochenende wird immer wieder - von Betroffenen
oder Kommentatoren - behauptet, Leute wie Hoeneß, Schwarzer oder
Zumwinkel (demnächst auch Linssen?) würden an den Pranger gestellt.
Wer sich so äußert, weiß offensichtlich nicht, was ein Pranger war
und wie er gehandhabt wurde. An einem Schandpfahl wurden bis in die
frühe Neuzeit hinein angebliche oder tatsächliche Verbrecher und
Aufrührer - gefesselt und oft genug an Kopf und Händen fixiert - der
Öffentlichkeit auf Markt- und anderen Plätzen preisgegeben. Was heute
prominenten Steuerhinterziehern widerfährt, ist verglichen mit
solchen Methoden ein harmloses Geplänkel. Wenn einzelne Medien über
die Stränge schlagen, aufbauschen, kleinlich aufrechnen oder sich zu
Moralaposteln aufschwingen, ist das zu kritisieren. Da müssen dann
aber konkret Ross und Reiter genannt werden. Dann kann und muss man
sich über ungerechtfertigte Ausfälle auseinandersetzen. Die Aussage
"Prominente Steuerhinterzieher werden an den Pranger gestellt" ist in
dieser Allgemeinheit aber schlicht und einfach falsch. Der Ruf von
Zeitgenossen wie Hoeneß, Schwarzer oder Zumwinkel ist nicht durch
Medien beschädigt worden, sondern von diesen Vermögenden selbst - von
deren Maßlosigkeit und Gutsherrengehabe. Sie praktizierten eine Art
Spätfeudalismus, eine Haltung nach dem Motto: "Was ich der
staatlichen Solidargemeinschaft schuldig bin, bestimme ich selbst."
Wer jeden Monat auf seiner Lohn- oder Gehaltsabrechnung sieht, was an
Steuern und Solidaritätszuschlag abgeht, muss große Zweifel haben, ob
die Genannten noch der Ehren wert sind. Übrigens: Wenn in deutschen
Finanzbehörden das Steuergeheimnis verletzt wird, müssen sie der
Sache nachgehen, aufklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft
ziehen. So einfach ist das. Die Steuerhinterzieher entlastet das
nicht.



Pressekontakt:
Aachener Zeitung
Redaktion Aachener Zeitung
Telefon: 0241 5101-389
az-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de


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