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Mittelbayerische Zeitung: Europa lebt - Zehn Jahre Osterweiterung am 1. Mai: Das ist - trotz aller EU-Skepsis vor allem im "alten Europa" - Anlass zur Freude. Von Ulrich Krökel

Geschrieben am 27-12-2013

Regensburg (ots) - Im Osten geht bekanntlich die Sonne auf. In
gewisser Weise gilt das auch für die Europäische Union. Die
Euro-Revolution in der Ukraine ist zwar ins Stocken geraten. Doch der
Aufstand in Kiew hat gezeigt, welche Anziehungskraft die EU noch
immer ausüben kann. Mehr noch: Das wirtschaftlich über ein Jahrzehnt
hinweg enorm erfolgreiche Polen hat vorgemacht, wie man mit Brüsseler
Hilfe den Sprung in die Moderne schaffen kann. Und da sind die
baltischen Staaten, die sich mit unglaublicher Kraft aus dem Sumpf
der Wirtschafts- und Finanzkrise gezogen haben. Estland im Norden der
Region ist mit dem Euro-Beitritt 2011 vorangeschritten und glänzt
seither mit starken ökonomischen Kerndaten. Nun folgt am 1. Januar
Lettland. Innerhalb der EU wurde die baltische "Sandwichrepublik" von
der Krise am härtesten getroffen - weit schlimmer als Griechenland
oder Spanien. Vier Jahre später sind die Letten wieder da und führen
den Euro ein. Sie haben Spanien, Griechenland und viele andere weit
hinter sich gelassen. Litauen im Süden des Baltikums lässt sich etwas
mehr Zeit. 2016 will man sich der Währungsunion anschließen. Aber die
langsamste der drei ehemaligen Sowjetrepubliken hat im abgelaufenen
Halbjahr mit ihrer Ratspräsidentschaft gezeigt, dass man politisch so
etwas wie das Luxemburg des Ostens ist: klein, aber einflussreich.
Der Euro-Beitritt Lettlands und die erfolgreiche Ratspräsidentschaft
der Litauer zeigen, dass Europa im Osten zehn Jahre nach der großen
Erweiterungsrunde lebt. Selbstverständlich ist auch dort nicht alles
Gold, was glänzt. Polen steht wirtschaftlich am Scheideweg zwischen
Krise und neuem Aufschwung. Die Euro-Einführung musste verschoben
werden. In anderen Ländern sind die Probleme sogar schlimmer. Ungarn
hat eklatante Demokratiedefizite, in Bulgarien und Rumänien blüht die
Korruption, und Tschechien taumelt von einer Polit-Groteske in die
nächste. Dennoch: Verglichen mit der Stimmungslage in vielen Staaten
der alten EU sind die Erweiterungsländer von 2004 und 2007 im Kommen.
Von der anstehenden Europawahl im Mai erwarten viele Beobachter einen
regelrechten Durchmarsch populistischer und vor allem euroskeptischer
Parteien. Allerdings gilt das fast ausschließlich für das "alte
Europa". Die Achse reicht von den Wahren Finnen im Norden über die
britische UKIP, Geert Wilders in den Niederlanden und Marie Le Pen in
Frankreich bis hin zur Lega Nord in Italien. Im Osten des Kontinents
sind dagegen mit Europahass nur wenige Stimmen zu gewinnen. Viktor
Orban in Ungarn profiliert sich gern gegen "die da in Brüssel". Sein
Erfolg hat aber vornehmlich andere, innenpolitische Gründe. Jaroslaw
Kaczynski in Polen versucht Ähnliches - ohne sichtbaren Effekt. Im
Baltikum würde vermutlich fast niemand sein Kreuz bei einer
Anti-EU-Partei machen. Das Argument liegt nahe, dass die Nehmerländer
im Osten weniger Grund zur Kritik an der EU haben als die Geberländer
im Westen. Das mag so sein. Allerdings gilt auch: Von neuen
Autobahnen in Polen profitiert vor allem die Bau- und
Exportwirtschaft in Deutschland, Österreich und anderen alten
EU-Staaten. Ähnliches gilt für die berüchtigten Wanderungsströme. Der
Hass auf osteuropäische Migranten und die Angst vor ihnen ist in
Großbritannien und den Niederlanden mit Händen zu greifen.
Rechtspopulisten, die ein gesteigertes Interesse an
gesellschaftlicher Eskalation haben, schüren ihn. In Wirklichkeit ist
die Migration für beide Seiten problematisch, zugleich aber auch von
Nutzen. Den im Westen verunglimpften "Einwanderern in die
Sozialsysteme" stehen all die Fachkräfte aus dem Osten gegenüber,
ohne die etwa die deutsche Wirtschaft Probleme bekäme. Der Aderlass
an gut ausgebildeten jungen Leuten ist für die baltischen Staaten,
für Polen und Ungarn enorm schwer zu verkraften. Wenn sich im neuen
Jahr am 1. Mai die EU-Osterweiterung zum zehnten Mal jährt, ist dies
ein Anlass zu Freude und Stolz auf allen Seiten. Das schönste
Geburtstagsgeschenk wäre eine neue Regierung in der Ukraine und eine
Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen mit der EU.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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